Bernhard Schlink: über das „Zusammenwachsen, Weiterwachsen“ zwischen Ostdeutschen und Westdeutschen
26. Oktober 2023 | Kultur | 12 KommentareAm 26.10.23 lud das Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) den Autor Bernhard Schlink zu einem Policy Talk ein. Das IWH erforscht seit 1992 den ostdeutschen Transformationsprozess. Professor Reint Gropp (Präsident des Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle) moderiert die Veranstaltung. Als Grund für die Einladung Schlinks, nennt Herr Gropp, dass er gern interessante Persönlichkeiten einlade. Schlink studierte Jura in Heidelberg und Berlin, war Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bonn und Professor für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Frankfurt am Main. 1990 war er Gastprofessor und 1992 Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an die Humboldt-Universität zu Berlin.
Zudem ist Bernhard Schlink Schriftsteller. Zu seinen schriftstellerischen Romanen gehören die Trilogie „Selbs Justiz“, „Selbs Betrug“ und „Selbs Mord“ um den Privatdetektiv Gerhard Selb. „Der Vorleser“ wurde ein internationaler Bestseller. In seinem letzten veröffentlichten Roman „Die Enkelin“ schreibt Bernhard Schlink über unterschiedliche Schicksale in Ost- und Westdeutschland, über Fremdheit und allmählige Annäherung.
Viele überwiegend ältere Menschen sind der Einladung gefolgt, der Konferenzsaal des IWH ist voll. In seinem Vortrag unter dem Titel „Zusammenwachsen, Weiterwachsen“ berichtet Schlink von seinem Lehren an der Humboldt-Universität in Berlin. 1990 hat er die Arbeitsgruppe des Runden Tisches zur Neuen Verfassung der DDR beraten.
Besonders gerührt hätte ihn immer die große Ernsthaftigkeit der Ostdeutschen gegenüber Kultur und Literatur. Während man im Westen lieber Europäer sein wollte, wollten die Ostdeutschen nach der Wende einfach Deutsche sein. Die Erwartungen an die Demokratie wären damals im Osten sehr hoch gewesen. Die Realität sei jedoch für viele enttäuschend. Die Menschen hätten mehr Transparenz und Politiker für das Volk und nicht für Lobbyisten erwartet. „Trotz allem wächst zusammen, was zusammen gehört.“ Mittlerweile sei klar, dass auch die AFD ein Gesamtdeutsches Problem sei. Wir hätten gemeinsame Probleme wie Klima, Krieg und Migration. Für ein wechselseitiges Verstehen, wären Instrumentarien der direkten Demokratie wie Bürgerräte und Volksabstimmungen nötig.
Im Anschluss gab es die Möglichkeit für das Publikum Fragen zu stellen. Auf die Frage, warum direkte Demokratie hilfreich sein könne, antwortete Schlink, dass man Initiativen zu Wirksamkeit verhelfen müsse. Dies wäre dann eine Möglichkeit gemeinsam etwas zu verändern. Schlink ist sich sicher, dass es eine Ostdeutsche Identität gibt. Natürlich prägen 45 Jahre wirtschaftliche und kulturelle Schicksale. Einen Ostbeauftragten und Quoten für Ostdeutsche brauche es nicht. Die Aufgabe eines Ostbeauftragten sei es eine Umfrage zu machen. Eine weitere Veränderung sei durch Bildung möglich. Das Bildungssystem sei ein Trauerspiel, es müsse mehr in Bildung investiert werden. Das Bildungssystem sei desolat, Gesamtschulen seien nur zum Verwahren da. Die Rolle der Medien sieht Schlink kritisch; „Medien lieben den Skandal“.
Schlinks Lebensthema ist die Wiedervereinigung. Es sei eines seiner schönsten Erlebnisse, einfach so durch das Brandenburger Tor zu gehen. Dies bestätigt auch eine Teilnehmerin aus Hettstedt. Es war ihr größtes Glück als die Mauer fiel. Sie fühle sich nicht als Ostdeutsche und fragt sich: „Warum sind Ostdeutsche für die Meinungsfreiheit nicht dankbar“.
Zwei junge Menschen, eine Minderheit im Publikum, nach ihren Problemen zum Thema „Zusammenwachsen, Weiterwachsen“ befragt, sind sich sicher, dass dies kein Thema im Freundeskreis sei. In ihren Familien schon, weil die eine Familie aus den alten und die andere aus den neuen Bundesländern kommt. Ist es vielleicht doch so, dass sich die „Probleme über die Generationen löst“, wie es Schlink selbst formuliert?
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Jezz jeht jar nischt mehr….ich will nich mein Brofiehl bearweeden, Menschenskinner….
Das browiere ich jezz- mah sehn.
So jezz off senden…
Man kann innerhalb einer Stunde korrigieren, danach nicht mehr. Dann ist das sozusagen erstarrt, wie Beton.
AltersdemenZ.
Man kann wieder nicht berichtigen im Nachhinein, sehr vertehrte Redaktion. Ihnen scheint das noch nicht aufgefallen zu sein. Daher erlauben Sie mir, dass ich Sie auf diesen Fehler in aller Freundschaft demokratisch aufmerksam mache.
Ich bitte höflichst darum, dass diese Funktion wieder hergestellt wird.
Neon, du hast recht. Ich habe da wohl etwas mit dem Bußtag durcheinander gebracht. ( Beginnende Altersdement 🙂 )
In Bezug auf Freizeit und Arbeit sagte mein Opa, der immer zu Späßen aufgelegt war. „Ach es müsste jeden Tag Sonntag sein und mitten in der Woche ein Fest!“
(Dabei war er bis zum 72. Geburtstag noch berufstätig als Dreher)
Elfriede, auch in Sachsen ist Dienstag Feiertag.
Das stimmt schon, Cata.
Es ist nur so, dass die westdt. Bürger ihre bisherige
Lebensweise fortsetzen konnten, während wir ostdt. uns mühsam in die neuen Bedingungen einleben mussten.
Die DDR war trotz des Bestehens von Bezirken ein zentraler Staat. Überall bestand Einheitlichkeit in den verwaltungsrechtl. und anderen Aufgaben.
Bei der Volksbildung wird es besonders deutlich: In der DDR lernten ALLE Kinder nach einem einheitlichen Lehrplan und hatten die gleichen Schulbücher.
Nun kocht jedes Land seine Suppe anders in einem föderalen Staat. Unterschiedl. Lehrbücher, untersch. Lehrpläne… Eine richtige Vergleichbarkeit ist nicht gegeben. Weiterhin ein Wust von Gesetzen, Verordnungen. In den Ländern unterschiedlich.
Früher endete ein Studium mit dem Staatsexamen, heute sieht man bei den Examina gar nicht mehr durch.
Und später in der Praxis unterscheidet man, WO, an welcher Universität jemand studiert hat. Denn eine hat einen sehr guten Ruf, die andere weniger…Das kann für die Einstellung entscheidend sein.
Ich kann mich mit dem Föderalismus nicht anfreunden.
Bestes Beispiel ist übermorgen: In S/A ein Feiertag,
40 km weiter in Leipzig nicht.
Und die Bürokratie!!! Ich bin, 200 m Luftlinie entfernt,umgezogen. Die Briefträgerin ist dieselbe, ich sags ihr im Vorübergehen, das reicht nicht. Ich muss 15 €uro berappen und einen Nachsendeauftrag einreichen.
„Ein gelebtes Leben im Osten können Menschen im Westen nicht in der Konsequenz nachfühlen, wie wir es tatsächlich erlebten“
Und umgekehrt genauso wenig.
Ein Zusammenwachsen, wie man immer so schön sagt,
ist nach meinen bisherigen Überlegungen und Beobachten nicht möglich.
Erst wenn die vor 1970 geborenen ehemals ostdeutschen und westdeutschen Bürger das Zeitliche gesegnet haben, wird es keine Auseinandersetzungen
mehr geben und es wird R u h e sein. Ein gelebtes Leben im Osten können Menschen im Westen nicht in der Konsequenz nachfühlen, wie wir es tatsächlich erlebten ( übrigens auch nicht die nach 1990 Geborenen im Osten)
Es entfallen alle gegenseitigen Enttäuschungen und Vorwürfe. Die Zeit bringts- man sagt ja auch, die heile alle Wunden, obwohl das Sprichwort bekanntlich auch nicht stimmt. Manche Wundbehandlung endet tödlich, z. B. wenn eine Sepsis dazu kommt.
Weil er nur Allgemeinplätze von sich gegeben hat. Seine Bücher finde ich dagegen meistens sehr geistreich.
Warum ist das Deine Meinung?
Er wäre besser zu Hause geblieben und hätte lieber ein paar Zeilen geschrieben. Das kann er nämlich.