Unter dem Pflaster liegt der Strand

20. November 2023 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Der Spruch ging Armoise durch den Kopf, als sie über das trostlose Pfaster „am Gastronom“ schlenderte. Im Belag der geplasterten Fußgängerzone fehlten einige Steine. Jemand hatte da ein paar Sträucher eingesetzt, es war eine lieblos wirkende, ungepflegte Rabatte, immerhin, etwas Grün in der sonst etwas öden Fußgängerzone. Ihre Augen fielen in der verunkrauteten Rabatte auf einen weggeworfenen Papierschnipsel, jemand hatte etwas daraufgeschrieben. In ihrer Sprache, das musste eine Bedeutung haben. Armoise – das sollte man wissen, mass oft alltäglichen Dingen eine Bedeutung bei, sah darin Zeichen Hinweise fremder Mächte, die ihr etwas mitteilen wollten. Ihr Arzt versuchte ihr das immer auszureden, aber der war halt verrückt,wie sie manchmal fand. Manchmal hatte sie auch Erscheinungen, wie neulich, als ihr Diana begegnete, in Begleitung eines kleinen 14-Enders. Der ihr treu folgte, wenn sie „bei Fuß“ rief. Armoisa war eifersüchtig auf diese göttliche Erscheinung. Hatte sie doch nicht nur zwei, sondern gleich zwanzig wohlgeformte Brüste,  die sie stolz entblöst vor sich her trug.

Neben den Pflastersteinen jedenfalls war eine silbrig-blaugraue Pflanze gewachsen. Armoise kannte diese Pfanze. Früher war sie eine ganz anerkannte Ökologin gewesen, ihr Spezialgebiet waren Salz-liebende Pflanzen, Halophyte. Was auch der Grund war, dass es sie eines Tages nach Halle für ein Projekt gekommen war (und später hier hängen blieb – andere Geschichte).
Die Pflanze: „tatsächlich, ein Halophyt“, staunte sie. Sie bückte sich, pflückte ein Blättchen von dem Stängel, kostete. Ein feiner, etwas strenger Geruch und Geschmack. „Zartbitter mit einer terpenigen Note. Aber nicht stark. Sie wusste nun, um was es sich handelte. Sie erinnerte sich an den Fall, von dem ihre Großeltern erzählten: Damals passierte es häufig, dass die Leute von Würmern befallen wurden. Bandwürmer, Spulwürmer – sie wollte gar an diese widerlichen Einzelheiten erinnern. Damals gabe es nicht die modernen Arzneimittel wie heute – man ging einfach an den Strand, wo in den Dünen genau dieses Kraut wuchs. Es wirkte meistens recht zuverlässig – allerdings: viele der Patienten entwickelten ziemlich unangenehme Nebenwirkungen. Neben Krämpfen und Durchfall führte das Mittel dazu, dass ein bestimmter Rezeptor ausfiel. Und dann war für sie die Welt in ei gelbes Licht getaucht, wie bei einer Schneebrille.

Komische Geschichte. Und noch komischer die Fragen:

Welche Pflanze hat Amoise in Halle-Neustadt gefunden, neben dem Pflaster in der Fußgängerzone am „Gastronom“?

Welche Rolle könnte Diane und ihr geweihbesetzter Begleiter spielen?

Ist die Pflanze ggf. gastronomisch nutzbar?

Unter dem Pflaster liegt der Strand: Wo kommt dieser Spruch eigentlich her?

Die Pflanze ist ein „Halophyt“, also eine typische Salzpflanze. Was macht sie hier in Halle?

Offenbar wurde sie als Mittel gegen Würmer verwendet. Dummerweise gab es da Nebenwirkungen teils erheblicher Art: eine ist das so genannte „Gelbsehen“. Die Pflanze (einige ihrer Gattung noch mehr) enthält hier einen Stoff, der wohl dafür verantwortlich ist. Welchen?

Welcher Rezeptor ist da gestört bzw. ausgefallen?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Elfriede war beim Arzt“): Garten-Wolfsmilch, Euphorbia peplus

„ Das wird wieder eine lange Geschichte“, schrieb uns NhuDeng. In der Tat, aber er kam ganz schön weit bei der  Auflösung der vielen, teils zunächt zusammenhanglos erscheinenden Fragen.

Völlig richtig antwortete er: „Gesucht wird die Wolfsmilch, Euphorbia. Benannt nach Euphorbos, dem Leibarzt von JubaII. von Mauretanien – Porträtmedaillon Rex Luba. Ingenolmebutat ist eine in der Garten-Wolfsmilch (Euphorbia peplus) vorkommende Substanz, die anfänglich zur Behandlung von Hautkrankheiten verwendet wurde. Aufgrund eines erhöhten Hautkrebsrisikos wird die Salbe „Picato“ nicht mehr verordnet.
Romulus und Remus wurden mit Wolfsmilch ernährt, vermutlich ( 2. Variante der Sage)hieß die Frau der Hirten, welcher die Kinder gerettet hat, Lupa-Wolf .

Nur bei den vielen Eu-Wörtern NhuDeng  ins schleudern. Gefragt war, welches Wort gehört nicht in diese Reihe: „Euphemismus, Eutrophierung, Euskirchen, Eugen“. Nun, alle diese Worte fangen mit „Eu“ an. Bis auf einen Fall tragen sie die griechische Vorsilbe „Eu“ (Ευ). Ist ist das Suffix für „gut“, „wohl“. Ein eutrophiertes Gewässer bedeutet: „wohlgenährt“, was gewissermassen ein Euphemismus (eine Schönrederei) ist. Und Eugen ist der „wohlgeborene“. Nur Euskirchen bedeutet nicht „Schönkirchen“, auch wenn die Stadt ihre Besucher mit „Willkommen in der Stadt mit Gesicht“ begrüßt.
Und die Euphorbie? Der Vorname des Arztes „Euphorbos“ bedeutet auch „wohlgenährt“, besser gesagt, fett. Ist also nichts anderes als „Digga“.

Alle anderen Pflanzen der Woche, seit 2016, findet Ihr hier im Archiv

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