Tannennadeln im Essen

1. Februar 2021 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Heino stocherte etwas missmutig im Essen herum, das ihm Elfriede vorgesetzt hatte. Dampfend war es aus dem Ofen bekommen, goldbraun die Kartoffeln, aber irgendwie schien es Heino nicht recht zu gefallen. „Irgendwie keine gute Idee, die abgefallenen Nadeln vom Weihnachtsbaum da dran zu tun, bemerkte Heino den vermeintlichen Küchenversuch seiner Freundin“. Was redest Du da von Tannenbaumnadeln, blaffte Elfriede den mäkelnden Heino an. „Na, das da!“ rief Heino hinter Elfiede her, die wieder in der Küche verschwunden war, um im Gewürzregal zu kramen. „Weißt Du, woran mich der Geschmack erinnert?“ rief Heino, und ergänzte, ohne eine Antwort abzuwarten: „An Badeschaum“!
„..oder Saunaaufguss“

Elfriede brachte aus der Küche eine Gewürzdose mit und stellte sie auf den Tisch. „Tannennadeln ?! “ ereiferte sie sich. Wenn das die Kollegen in der Pflanzenredaktion mitkriegen, schmeißen die dich achtkant raus“.

„Hm“. Heiko druckste rum, als er die Aufschrift las.

„Ich denke, du könntest dich etwas fortbilden, vielleicht kannst Du das sogar in der Redaktion als PDW vorschlagen….“
In der Folge las Heino sehr viel. Erfuhr, dass die Pflanze bei den Griechen „Livanotis“ genannt wurde, was so viel wie „Weihrauch“ bedeutet. Und erfuhr, dass er mit seiner Assoziation an Tannennadeln und Saunaaufguss gar nicht so total falsch lag: Viele geruchsbildende Stoffe sind auch in Fichtennadelöl drin.

Livanotis aus dem Wiener Dioskurides (6. Jhdt n. Ch.)

Dann erfuhr er noch, dass die Pflanze im Mittelalter sowohl ein Symbol des Todes als auch der liebe war. Merkwürdige Welt, dachte er. Er recherchierte weiter und fand das Digitalisat eines sehr alten Buches. Ein ganzes Werk behandelte nur diese Pflanze.  Gedruckt im Jahre 1685 in Halberstadt. Er recherchierte weiter und fand heraus, dass es eine ganze Reihe derartiger Traktate in jener Zeit gegeben haben muss.

Das Buch belehrte seine Leser darüber, wie man die Pflanze, die wohl in unseren breiten damals nicht ganz winterfest war, hegen und pflegen solle, im Winter in einem kühlen, aber hellen Raume aufzubewahren habe (heute scheint das, Klimakatastrophe sei Dank, nicht mehr so notwendig). Der Grund, weshalb man ein geradezu mystisches Gewese um dieses Scherbengewächs machte: man verehrte es als Allheilmittel gegen aller Art von Gerbrechen, sogar als „Theriak“, ein omnipotentes Gegenmittel gegen Vergiftungen aller Art, „als ein sonderliches Arcanum/ sop von so von vielen mit Fleiß aus Neid verschwiegen /nunmehr geoffenbahret / daraus zu lernen / wie dieses werthe Kraut wohl am Gemüth / als an seinem gantzen Cörper /von Haupt biß zum Fuß /in und euserlich /zu erhaltung Leibs und Lebens / in allerlei zufällen menschlichen Wandelns / in Haus und Hoff / Garten und Stall / Stuben und Kammern / Küchen und Kellern / Kisten und Kasten / so gar heilsam und dienlich/ daß es ihm mehr als 200 Curen oder Artzeneien und andere Nutzbarkeiten/ja gleichsam/wie ein Aurum potabile in seinem letzten noch erquickung und endlich gar im Tode auch dem Cörper noch seinen sonderbaren Nutzen zum Interesse geben kann.

Derweil Halle=Spectrum seine hochgeschetzeten Leser zu fragen anschickt,

worumb es sich bei diesem sonderlichen Gewechse wohl handeln möchte /

und ob sie wohl auch den Namen hierfür / so er von den Gelehrten und Botanici gebrauchet würd/ anführen mögen,

alswie herauszufinden geruhen möchten /welch köstliches Gericht Elfrieden wol bereitet hat.

(HW)

Auflösung der letzten Wochenpflanze (Keine Hilfe für unser wichtigstes Stoffwechselorgan): Leberblümchen, Anemone hepatica

Rati und Einbeck haben es gleich am Montag gesehen, und richtig auf das Leberblümchen getippt. Lösung: Gesucht war das Dreilappige Leberblümchen. Das heißt so wegen der Form seiner Blätter. Für unsere Leber hat dieser Frühblüher mit seinen meist blauen Blüten aber keine Bedeutung.

Das Leberblümchen galt im Mittelalter als Heilmittel gegen Leberkrankheiten – der so genannten „Signaturenlehre“ folgend. Die mittelalterliche Theorie besagte, Gott habe den Menschen Zeichen (Signaturen) gegeben, Hinweise versteckter Art, welche Pflanzen Heilmittel sein könnten. Und so dem Leberblümchen leberförmige Blätter gegeben. Gesunden und Kranken ist das Kraut allerdings nicht zu empfehlen: es enthält Protoanemonin, das leicht giftig ist.

(Hans Ferenz)

Alle bisherigen „Pflanzen der Woche“ findet man hier im reichhaltigen Archiv

Archiv: alle „Pflanzen der Woche“ von 2016-2020

 

 

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