Ohne Farbfilm im Land nordischen Zitronen unterwegs

31. Juli 2023 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Elfriede und Heino sitzen nun wieder nach ihrem Strandurlaub zu Hause und montieren Fotos – unter anderem für die dieswöchige Folge von „Pflanze der Woche“. Alles nur schwarz-weiß – aber die Tränen kullern nicht heiß. Analoge Schwarzweißfotografie ist wieder ziemlich hipp, und so haben die beiden alte Filme aus DDR-Zeiten aufgetrieben und munter drauflos fotografiert. Sie haben verschiedenes Filmmaterial verwendet, und beim Vergleich ihrer Bilder fallen natürlich deutliche Unterschiede auf. Sie haben die Früchte der Pflanze aus der gleichen Position aufgenommen – doch das Ergebnis ist irgendwie unterschiedlich. Den linken Teil der Pflanze hatte Heino geknipst, Elfriede den rechten. „Ich finde meine Kamera besser“, fand Elfriede. „Ich glaube, die Filme geben den Unterschied“, fand Heino. „Die Farbwiedergabe ist anders.“

„Was für eine Farbwiedergabe? Und du kannst doch sowieso nicht mal Rot und Grün unterscheiden, und das sind Schwarz-Weiß-Fotos!“ Elfriede fand Heinos Bemerkungen mehr als lächerlich. „Doch, anhand der Schwarz-Weiß-Fotos kann ich die Farbe der Beeren deutlich unterscheiden. Sie sind eindeutig nicht grün und nicht blau“, behauptete Heino selbstsicher, „und rein gelb können sie nicht sein, da ist ein gewisser Anteil Rot mit drin.“

„Quatsch“, fand Elfriede. „Jetzt lass uns lieber den Text zum ‚Pflanze-der-Woche‘-Foto machen.“

Und so entstand ein Text, eifrig aus allerlei Fakten zusammengestolpert: „Zumindest auf dem Bild erinnern die Früchte ein wenig an Oliven, aber es sind keine. Aber immerhin gehört die Pflanze, die diese Früchte produziert, zur Familie der Ölweidengewächse. Was sie aber genealogisch nicht den Ölbäumen näher bringt, denn die gehören nicht zur Familie. Dafür hat die Pflanze eine Fähigkeit, die einigen ihrer Familienmitglieder zu eigen ist: Sie kann auf kargen, stickstoffarmen Böden gedeihen, denn die fehlenden Nährstoffe holt sie mit Hilfe kleiner Mikroorganismen, die in ihrem Wurzelbereich leben, einfach aus der Luft.

Das kostet natürlich Energie, und deshalb braucht sie sehr viel Licht und ist deshalb nur an sonnenumfluteten, hellen Orten zu finden. Kälte macht ihr dagegen nichts aus. Sie soll aus dem Himalaya stammen, ist aber schon spätestens seit Ende der letzten Eiszeit in Mittel- und Nordeuropa zu finden. Das ging wahrscheinlich ganz ohne menschliches Zutun – möglicherweise waren es Vögel, die die Früchte und damit die Samen verteilten. Die Früchte sind nämlich sogenannte Wintersteher: Sie bleiben den Winter über an den Zweigen hängen, was die Vögelchen natürlich freut.

Und der Mensch? Zunächst einmal sind die Früchte ziemlich teuer, dafür aber auch sehr sauer. Man nennt sie daher auch „nordische Zitronen“ oder „Zitronen des Nordens“. Dass die Erzeugnisse aus den Früchten dennoch einen gewissen Markt haben, liegt zum einen an der gesundheitsfördernden zugeschriebenen Wirkung, denn immerhin ist der Vitamin-C-Gehalt viermal höher als in Zitronen. Kommerziell angebaut wird das Gewächs vor allem in den ostdeutschen Bundesländern, vor allem in McPomm und Brandenburg. Nach einem gewissen Hype um 2011 ist der Anbau jetzt auf immerhin noch insgesamt 190 Hektar (das sind 1,9 Quadratkilometer) zurückgegangen.

Kleinanbauern wird der Anbau nicht empfohlen: Die Ernte erfordert den Einsatz teurer Maschinen. Bei der Ernte werden fruchttragende Zweige abgeschnitten, schockgefroren und die eisharten Beeren dann maschinell abgeschüttelt. Empfindliche Einbußen hat der Anbau in den vergangenen zwei Jahren erleiden müssen: Ein unbekannter Erreger hat sich in den Plantagen ausgebreitet, der viele Pflanzen zum Absterben bringt. In McPomm, in Brandenburg und sogar in China. Das Problem: Den Verursacher kennt man trotz intensiver Forschung bis heute nicht.

Fragen:

  • Um welche Pflanze geht es heute ?
  • Warum werden die Früchte nicht einfach von Hand geerntet?
  • Welche „Spezialitäten“ aus der Frucht kennt ihr?
  • Warum gedeiht die Pflanze auch auf stickstoffarmen Böden?
  • Worin unterscheiden sich die Schwarz-Weiß-Filme von Elfriede und Heino?
  • Und warum weiß Heino bei Betrachtung der Bilder, welche Farbe die Früchte ungefähr haben, obwohl er eine Rot-Grün-Fehlsichtigkeit hat?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Der Baum im Biergartenreich“): Amerikanischer Zürgelbaum, Celtis orientalis

Rugby hatte die Fragen gelöst: Wir suchten nach dem Amerikanischen Zürgelbaum, Celtis occidentalis. Leopold III. Friedrich Franz, Fürst und ab 1807 Herzog von Anhalt-Dessau, brachte den Baum in den 1760er Jahren nach Wörlitz in sein im Entstehen begriffenes Gartenreich. Einige von ihnen stehen dort noch heute. Sie wurden als Ersatz für die nicht so frostharten Europäischen Zürgelbäume, Celtis orientalis, gepflanzt. Die amerikanischen Ersatzbäume sollten dort ein wenig mediterranes Flair verbreiten, ohne dass man bei dem im 18. Jahrhundert noch kälteren Klima Angst um den Bestand der Bäume haben musste.

Neben den vielen im Park versteckten, symbolträchtigen Lust- und Kunstbauten, die eine idealisierte italienische Antiklandschaft darstellen sollen (Ein Nachbau des Vesuv, neapolitanische und pompejanische Bauten), gibt es im Park zwei größere Schlösser. Das so genannte „gotische Haus“ ist das erste Bauwerk im neogotischen Stil in Deutschland. Von einer Seite gesehen, stellt es ein Schlösschen im Tudor-Stil dar, von der anderen Seite erinnert es an venezianische Kirchenbauten des 14. Jahrhunderts.

Wörlitz, Gotisches Haus

Das Hauptschloss wiederum wird als das erste Bauwerk des Klassizismus in Deutschland angesehen. Es wurde vom Freund des Fürsten, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf, geplant und 1769-1773 errichtet. Es folgt einem Stil, der bereits in England weiter verbreitet war und sich weniger direkt auf die Antike, sondern auf die Schöpfungen des italienischen Renaissance-Architekten Andrea Palladio bezieht (Palladianismus).

Schloss Wörlitz

 

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