Merkwürdige „Früchtchen“ und schwarze Kunst im Wald

7. November 2022 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Nach den vergangenen beiden Pilzwochenenden waren Heino und Elfriede heute, am ersten Novembersamstag, ziemlich frustriert. Geregnet hatte es, und ordentlich warm war es auch gewesen, ober offenbar haben Pilze nicht nur en Temperaturempfinden, sondern auch einen Kalender. Jedenfalls hatten die beiden kaum noch Sammlerglück. Ein paar schrumplige, halbvertrocknete Maronen waren von Maden zerfressen, eine kleine krause Glucke hatte Elfriede aufgesammelt, und viel erkennen konnte man hier in dem Eichenmischwald auch nicht. Denn das herabgefallene Laub bedeckte den Waldboden schon in einer Dichte, die jegliche kleineren Pilze ohnehin verdeckt hätte. „Habe eigentlich was gegen Laubbläser. Aber hier im Wald könnte man einen brauchen“, fand Heino.

Ein paar Täublinge gab es, und Heino fand, man könne welche aufsammeln. Elfriede mochte keine Täublinge, aber Heino hatte sich auf die Pilze, die zwar meistens fad schmecken, und an denen man sich aber nicht vergiften kann (die giftigen Täublinge verursachen nur „Magen-Darm“, und sie sind so dermaßen scharf, dass man sie kaum runterkriegt).

Heino hatte sich mit einem gewissen wissenschaftlichen Eifer an die Unterscheidung von Täublingen heran gemacht. Zu jedem Pilzausflug trug er ein kleines Tropffläschchen mit einer 10%igen Lösung von Eisen(II)-sulfat mit sich herum. An der Farbreaktion, die die Lösung auf einem Stück Pilz hervor ruft, kann man viele dieser Pilzarten von einander unterscheiden. (Kein Witz, das ist so, wie man hier nachlesen kann. Manche Pilzspezialisten tragen zu ihren Ausflügen richtige Chemiebaukästen mit sich herum).

Elfriede hielt nicht viel von chemischen Experimenten, um Russulla Arten zu unterscheiden. Während nun Heino zweifelhafte Pilzstücke beträufelte, streifte Elfriedes blick lustlos über den Waldboden, auf dem sich schon eine ordentliche Schicht Eichenlaub niedergelassen hatte. Etwas Gras lugte dazwischen hervor. Doch auf den Blättern lagen – das bemerkte sie jetzt – gelbe Kugeln. Gelblich bis orangefarben. Solche Früchte hatte sie noch nie gesehen, sie ließ ihren Blick über sich schweifen, konnte aber keinen Baum erkennen, der solche Früchte abwirft. Neben Eichen, an denen die Eicheln an langen Stielen herabhingen, waren da ein paar Buchen mit ihren bestachelten Eckern-Bällchen, Kiefern mit ihren Zapfen und ein paar Birken.  Vielleicht hatten ja Vögel diese etwa kirschgroßen „Beeren“ hier fallen lassen?

Elfriede rief ihren experimentierenden Freund Heino heran. Er wusste aber auch nicht, um was für ein „Früchtchen es sich handelte. „Mach doch mal auf“, schlug er vor, und Elfriede brach das Teil durch. Erstaunt waren sie, dass keine Samen darinnen enthalten waren. Kein Kern, auch keine Vielzahl von kleinen Samen, wie man es vielleicht von einer Beere erwartet hätte. Nur orangefarbenes Gewebe, das strahlig von der Mitte des kugeligen Gebildes ausging. „Tropf doch mal was von Deiner schlauen Lösung drauf“, neckte Elfriede ihren allwissenden Freund. Das tat der auch. Ein einzelner Tropfen hatte genügt, dass sich das Innere des Früchtchens erst langsam, dann immer schneller verfärbte, von graublau, über tiefblau bis zu einem satten Schwarz. Auch Heinos Finger, die mit dem Saft des Früchtchens in Berührung gekommen waren, reagierten so. Und als er sich mit dem Taschentuch die Finger abwischte, passierte das auch mit dem Taschentuch – es verfärbte sich langsam, wobei die Flecken erst kaum sichtbar waren, aber ,wenn man sie an die Luft hielt, wurden sie rasch immer dunkler. „Iih!“, rief Elfriede. Inmitten der nun schwarzen „Frucht“-Masse hatte sie einen weißlichen Wurm entdeckt. Der offenbar noch lebte. Ihm hatte Heinos Chemieangriff  wohl nichts ausgemacht. Angewidert warf sie das unbekannte „Fallobst“ weg.

Unsere Leser werden sicher herausfinden, was Elfriede und Heino da für ein Früchtchen gefunden haben.

Und das sind unsere Fragen:

-Von welcher Pflanzenart stammen die „Früchtchen“

-Worauf  beruht die Farbreaktion, das langsame Schwarzwerden? um was für eine schwarze Substanz handelt es sich?

– Heino hatte Mühe, sich anschließend die Finger zu waschen. Noch einige Tage danach blieben Reste der schwarzen Verfärbung an den Fingern. Warum?

-Im Mittelalter bis zu Anfang des 20. Jahrhundert wurde diese Farbreaktion in einer elementaren Kulturtechnik genutzt. Welcher?

-Alte Handschriften und Dokumente können nicht nur durch Feuer, Bücherwürmern oder Schimmel zerstört werden. Manchmal könnte auch ein Zuviel von Heinos Tröpfchen dahinter stecken. Weshalb?

-Um was könnte es sich da bei dem „ekligen Wurm“ handeln, den Elfriede da fand?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Pionier ohne Halstuch“): Große Sternmiere (Stellaria holostea)

Ob Große Sternmiere oder doch die Gras-Sternmiere (Stellaria graminea) lässt sich mit den Photos nicht ganz sicher sagen. Aber eine Sternmiere ist es ganz gewiss.

(Hans Ferenz)

Noch viel mehr Pflanzen findet Ihr in unserem Archiv. Seit 2016 jede Woche ein neues Gewächs im unserem  virtuellen Wildwuchs.

 

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