Pionier ohne Halstuch

31. Oktober 2022 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Heute suchen wir eine Pionierpflanze. Pionierpflanzen gehören zu den Erstbesiedlern von vegetationsfreien Flächen. Sie tolerieren das magere Nährstoffangebot und verbessern den Boden für nachfolgende, anspruchsvollere Arten. 

Unsere unbekannte weißblütige krautige Pflanze kommt in Gebieten mit kalkarmen Böden häufiger vor. Man findet sie auf nährstoffarmen mäßig sauren Böden und Magerweiden. Sie ist ein Versauerungsanzeiger. Meist überschreitet ihre Größe nicht 50 cm. Die Blüten haben einen Durchmesser von bis zu 10 mm. Die fünf Blütenblätter jeder Blüte sind tief geteilt. Die schmalen, grünen Blätter sind gegenständig angeordnet und bis 5 cm lang.

Berichte über Inhaltsstoffe und mögliche Heilwirkungen gibt es offensichtlich nicht. Unbedeutend ist das Nelkengewächs aber nicht. Als Ruderalvegetation und Wildbienennahrung ist es wichtig im Naturhaushalt.

 

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Märchenstunde am Feldrand„): Rispenhirse, Panicum miliaceum

Rati hat die Pflanze identifiziert: Gesucht war Hirse. Genauer gesagt, die Rispenhirse oder auch gewöhnliche Hirse, Panicum miliacum (es gibt noch eine Menge anderer Hirsearten). Die Fotos stammen von einem Feld im Saalkreis, nahe Halle, bei Angersdorf.  Hirse wird heute nicht mehr viel in Deutschland angebaut, weil die Erträge nicht so attraktiv sind. Hauptanbaugebiete sind heute China, Russland und die Ukraine.

Das glutenfreie Getreide könnte in Zukunft wieder auch in Deutschland als Feldfrucht wichtig werden, denn es ist weitaus trockenheitstoleranter als Weizen, Roggen oder Gerste. Richtig, Rati hat das Stichwort gegeben: Hirse ist eine C4-Pflanze. Diese Pflanzen haben einen Stoffwechsel, bei dem sie erheblich weniger Wasser brauchen, um Photosynthese zu betreiben (Bei C4-Pflanzen ist das erste Produkt der Photosynthese ein Kohlenstoffmolekül mit vier C-Atomen. Nur drei Prozent aller Pflanzen haben diese Fähigkeit).

Zum Brotbacken taugt Hirse leider nicht, denn es fehlt im der entsprechende Kleber. In Mittelalter und früher Neuzeit war jedoch Hirsebrei das Grundnahrungsmittel schlechthin, bedeutender als Brot, das viel teurer war.  Das „Märchen vom süßen Brei“ hat hier seinen Hintergrund. Übrigens: man sollte Hirsebrei durchaus einmal probieren. Er wird einfach hergestellt, indem man Hirse mit etwas Milch und Wasser kocht und ganz wenig Salz hinzu gibt. Rezepte dafür gibt es in den unendlichen weiten des Internets.

Und „Agricola“ sprach noch eine andere Verwendungsmöglkichkeit für Hirse an: sie eigent sich nicht nur zum Bierbrauen, sondern auch zur Schnapsherstellung. Nicht etwa Whisky, sondern der chinesische Baijiu oder Moutai ist der weltweit am meisten getrunkene Schnaps. Wer hätte das gedacht. Und das, obwohl „die Chinesen“ angeblich keinen Alkohol vertragen – was überhaupt nicht stimmt. Das Destillat ist sogar mit knapp über 50% besonders hart. Über den Geschmack gehen die Meinungen auseinander: Das Getränk hat eignen eigentümlichen, feinen, fruchtartigen Geschmack. Das Aroma ennsteht im Zusammenwirken mit Schimmelpilzen. man muss die Hirse nämlich mit eibnem speziellen Pilz impfen, der dann die Hirsestärke in vergärbaren Zucker umwandelt. dabveui entwickelt sich das sopezielle, sehr geschätzte Aroma, das bei der anschlie0ßenden Destillation der vergiorenen Maische in das Getränk übergeht

Und Agricola hat wohl nicht nur Märchen gehört, sonder sich auch die Bilder in den alten Grimm-Ausgaben angeschaut: Es stimmt, die Illustrationen stammten von dem damals dadurch weltberühmt gewordenen Jugendstilmaler und Illustrator Otto Ubbelohde.

(HW)

Noch viel mehr Pflanzen findet Ihr in unserem Archiv. Seit 2016 jede Woche ein neues Gewächs im unserem  virtuellen Wildwuchs.

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