Ein politischer Baum: rote Sterne und Corona-Viren zu Weihnachten

21. Dezember 2020 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Über das Produkt des Baumes herrschte immer eine gewisse Verwirrung. Ein wohlriechender Saft wurde aus verschiedenen Pflanzenarten gewonnen, mal aus der einen, mal der anderen. Die eingetrockneten Säfte dienten schon in der Antike als Räuchermittel. Als der Apotheker 1832  einen solchen Saft destillierte, genau gesagt, den eines engen, orientalischen Verwandten unsere gesuchten Pflanze, gewann er eine Flüssigkeit, die eine bemerkenswerte Eigenschaft aufwies: Erst war sie dünnflüssig, aber nach einigen Tagen erstarrte sie zu einer klebrigen Masse, die schließlich fest wurde. Man befand sich damals in den Anfangsgründen der modernen Chemie, und so gab es allerlei Mutmaßungen. Eingetrocknet war der Saft aber nicht, denn man hatte ihn vorher und nachher gewogen, da war kein Unterschied feststellbar.

Unser Apotheker nahm an, das feste Zeug sei ein Oxid der gefundenen neuen Flüssigkeit, andere aber wiesen nach, dass das Zeug beim Festwerden keinesfalls Sauerstoff aufgenommen habe, und sich auch sonst in der atomaren Zusammensetzung nicht verändert hatte. Merkwürdig: Da ist also etwas fest geworden, ohne dass irgend etwas hinzu- oder herausgekommen ist?

Viele Jahr später wiederum hatte ein Münchner Professor der Chemie (der übrigens in Halle promoviert hatte) sich um die Erforschung dieser merkwürdigen Reaktion einen Namen gemacht, eine Reaktion, die sich bald als kriegswichtig herausstellte und eine Grundlage für die aufstrebende Kriegswirtschaft wurde. „Ärgerlicherweise“ hatte der Professor wiederum eine gewisse pazifistische Grundhaltung, was wiederum dem Nazi-Philosophen Heidegger (ja, genau der!) ein derartiges Ärgernis war, dass er sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den schon berühmten Kollegen und Chemieprofessor startete. Die Rolle des besagten Chemikers aber ist in der Forschung durchaus umstritten – so sind auch von ihm auch ziemlich unpazifistische, antisemitische Äußerungen überliefert. Auch versuchte er mehrfach, in die NSDAP einzutreten.

Die Substanz, um die es hier geht, die im Saft der gesuchten Pflanze enthalten ist, wird heute nicht mehr tröpfchenweise gewonnen, sondern im Megatonnenmaßstab. Das Produkt des merkwürdigen Erstarrungsvorgangs wird heute vorzugsweise aufgeschäumt, zu Platten und allem Möglichen verarbeitet. Es klebt an Hausfassaden, man findet es, wenn man billige Polstermöbel aufschlitzt, und die Filmbranche braucht es zum Kulissenbau.

Zweihundert Jahre später schlurft Donald missmutig über den Rasen vom Heli zum weißen Haus- wohl eines der letzten Male, die Möbelpacker stehen bereit, Sleepy Joe hat eigenhändig die Räumungsklage unterschrieben. Mit den Füßen tritt er das verdammte Laub zur Seite, diese fünfzackigen roten Sterne, die nicht nur klar stellen, dass die Zeit gekommen ist, eine rote Zeit, – sozialistisch rot, nicht republikanisch. Und obenauf, wie zum Spott, liegen sie, lauter kleine Coronaviren, die gleichfalls vom Baum gefallen sind.  Dabei ist es ein sehr amerikanischer Baum. Steht er doch nicht nur in gewisser Weise mit Plastik in Verbindung, sondern auch mit süßem Kaugummi –denn danach haben seine Landsleute ihn benannt.

Der Amerikaner wird gerne bei uns in Parkanlagen gepflanzt. Er ist winterfester als sein orientalischer Verwandter, man schätzt ihn wegen der schönen roten Herbstfärbung, die aber jetzt schon wieder vorbei ist, weil die Blätter abgefallen sind.

Wie heißt der Baum ?

Wie heißt der eingetrocknete Saft?

Und wer war der merkwürdige Münchner Chemieprofessor? (Sein Name hat auch etwas mit der Wuchsform einer Pflanze zu tun, Botaniker kennzeichnen solche Pflanzen mit dem Symbol ♃ )

Wie heißt der weiße, feste Schaum, von dem die Rede war?

Und warum werden die Blätter im Herbst rot?

(HW)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Keine Sterne in Luzern“): Korallenkaktus, Rhipsalis Cassutha

Bei unserer rätselhaften Pflanze ließ sich Elfriede mal wieder nicht die Butter vom Brot nehmen und war einfach die Schnellste. Tatsächlich gibt es mindesten einen Kaktus, der nicht sticht – den Korallenkaktus (streng genommen Rhipsalis Cassutha, zu seinen näheren Verwandten zählen ca. 40 Arten). Seine Heimat hat er aber nicht in der Südsee und auch nicht in der Wüste sondern im brasilianischen Urwald. Als „hiesige Zimmerpflanze“ gilt er als anspruchslos und pflegeleicht, was vielleicht auch begründet, dass er gelegentlich in Baumärkten anzutreffen ist. Die Erstbeschreibung der Gattung wurde 1788 veröffentlicht. 1797 schrieb Schiller für Wallensteins Lager das „Reiterlied“, das unserem Pflanzen-Heino zu seinem Baumarktlied inspirierte. Bei anderen Interpreten kommt es mit Originaltext eher als fröhliches Wanderlied rüber, was mit Blick auf Schillers Biografie von diesem sicher nicht so beabsichtigt war.

( F. H. )

 

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Archiv: alle „Pflanzen der Woche“ von 2016-2020

(F.H.)

 

 

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