Bauarbeiter-Protest in Halle – weitere Streiks im Herbst möglich

22. September 2021 | Veranstaltungen, Wirtschaft | Keine Kommentare

Heute demonstrieren Bau-Beschäftigte aus Halle und der Region für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in ihrer Branche. Mit einer Protestaktion in der halleschen Innenstadt soll der Druck auf die Unternehmen im festgefahrenen Tarifkonflikt für das Bauhauptgewerbe erhöht werden. – Dies teilte die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) mit. Gleichzeitig kommen heute Gewerkschaft und Arbeitgeber zur bereits fünften Verhandlungsrunde in Berlin zusammen.

„Das ist die letzte Chance am Verhandlungstisch. Sollte die scheitern, gibt es noch den Versuch einer Schlichtung. Danach könnte es auch in unserer Region bald zu Arbeitsniederlegungen auf dem Bau kommen.“, warnte Sascha
Wollert, Chef der IG BAU Sachsen-Anhalt/Thüringen/Sachsen im Vorfeld.

Die Gewerkschaft fordert in der seit Mai laufenden Tarifrunde für bundesweit 890.000 Beschäftigte ein Einkommensplus von 5,3 Prozent, eine Entschädigung der langen Wegezeiten zu den Baustellen und eine Angleichung der Ost- an die Westlöhne.

„Die Arbeitgeber haben am 22. September zum letzten Mal die Gelegenheit, einen Tarifvertrag in Verhandlungen – ohne Schlichtung und Arbeitskampf – abzuschließen. Diese Chance sollten sie nutzen und den Unmut der
Beschäftigten nicht unterschätzen!“, kommentierte IG BAU-Bundesvorstandsmitglied Carsten Burckhardt, der unter anderem für das Bauhauptgewerbe zuständig ist. „Die wirtschaftliche Lage ist großartig. Aufträge ohne Ende, alleine es fehlt das Fachpersonal.“ Ein Thema brenne den Beschäftigten besonders auf den Nägeln: Schließlich hätten sie oft sehr lange Anfahrtswege, die außerdem stark variieren. Sie hätten demnach keinen Einfluss auf ihre Einsatzorte und bekämen dafür ferner keine Entschädigung. Das sei verlorene Lebenszeit, in der sie ihre Familien nicht sehen könnten, unterstrich Burckhardt weiter. Zuletzt hätten sich die Arbeitgeber bei diesem Thema verweigert. Auch in
puncto Lohnerhöhung und Ost-West-Angleich müssten sich die Unternehmer daher bewegen, um keinen „heißen Herbst“ zu riskieren.

Sascha Wollert von der IG BAU Sachsen-Anhalt/Thüringen/Sachsen sagte diesbezüglich: „Die Beschäftigten haben während der ganzen Pandemie durchgearbeitet und zu vollen Auftragsbüchern bei den Firmen in der Region beigetragen. Gerade im Wohnungs- und Verkehrswegebau boomt trotz Corona das Geschäft. Es kann nicht sein, dass die Unternehmen die enorme Leistung der Bauarbeiter seit Monaten nicht anerkennen.“

Die Gewerkschaft verweist zudem auf Zahlen zum „Wirtschaftsfaktor Bau“. Nach einer aktuellen Schätzung des Pestel-Instituts erwirtschaftete Sachsen-Anhalts Baugewerbe im vergangenen Jahr rund 4,9 Milliarden Euro –
fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Hinzu komme ein anwachsender „Bauüberhang“: zwischen 2011 und 2019 wurden laut Pestel-Institut rund 7.000 Wohneinheiten mehr genehmigt als fertiggestellt. Diese Wohnungen müssen erst
noch gebaut werden. Allein in Halle beläuft sich der Bauüberhang auf derzeit 618 Wohnungen. In der Stadt setzte die Baubranche im letzten Jahr 456 Millionen Euro – knapp zehn Prozent mehr als im Vorjahr.

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