Oberbürgermeister Wiegand geimpft – „Hexenjagd auf Geimpfte“

6. Februar 2021 | Vermischtes | 12 Kommentare

Wer wird wann gegen Corona geimpft, hat Priorität oder besondere Rechte? – Diese Frage treibt bereits seit Beginn der Nachricht über den ersten möglichen Impfstoff gegen das neuartige Virus ihr Unwesen. Nun wurde sie jedoch erneut angefacht, denn gestern berichtete die Mitteldeutsche Zeitung darüber, dass sich auch Halles Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand einer ersten Schutzimpfung unterzogen haben soll. Er und zehn weitere seiner Stadträte sollen demnach die von ihnen selbst beschlossene Impfreihenfolge umgangen haben, nach welcher zunächst eigentlich nur Über-90-jährige Bürgerinnen und Bürger, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen und medizinisches Fach- und Pflegepersonal geimpft werden soll.

Schwierig erscheint die Impfung der genannten Lokalpolitiker jedoch vor allem deshalb, weil bereits seit Langem auf den täglichen Pressekonferenzen der Stadt zur aktuellen Corona-Situation gepredigt wird, der nur sehr langsam voranschreitende Impf-Fortschritt in Halle sei nur auf die fehlenden bzw. äußerst geringen Liefermengen von Impfstoffdosen zurückzuführen. Wiegand betonte diesbezüglich selbst mehrfach, er könne die ungeduldige und nahezu verzweifelte Lage vieler älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger verstehen, die seit Wochen einen ihnen zustehenden Impftermin zu ergattern versuchen, diesen aber aktuell schlicht nicht bekommen können.

Erst gestern wurde hierzu verkündet, die vielen tausend über-80-jährigen Hallenserinnen und Hallenser, die sich bereits auf das Anschreiben der Stadt bezüglich eines Impftermins gemeldet hatten, sollten sich bitte noch ein wenig weiter gedulden, da die Terminvergabe nur in Abhängigkeit vom jeweils verfügbaren Impfstoff erfolgen könne, von dem es aktuell nicht genug gäbe. Außerdem hatten sich viele Alten- und Pflegeheimbewohner, die sich bei der in ihrer Einrichtung gestarteten Impfkampagne zunächst gegen eine Impfung ausgesprochen hatten, nun doch für eine solche entschieden, was weitere Verzögerungen mit sich brächte.

Die Nachricht der Erstimpfung Wiegand schlägt also vor allem deshalb große Wellen. Da hilft auch die von der Stadt zu diesem Thema gegebene Begründung wenig, man habe kurzfristige Terminabsagen erhalten, die es spontan  ermöglicht haben, einige Menschen zum Impfen einzuladen, da der Impfstoff bereits aufgetaut gewesen sei und verbraucht werden musste. – Schließlich warte derzeit genug Bürgerinnen und Bürger, die eindeutig zur höchsten Prioritätsgruppe gehören, ebenfalls auf eine Impfung und hätten sicherlich ebenso spontan zur Verfügung gestanden.

Tatsächlich aber ist die Impfreihenfloge nur für den Normalfall gesetzlich geregelt. Sonderfälle wie diese, in denen spontan Termine abgesagt werden, der Impfstoff jedoch verbraucht werden muss, sind hingegen nicht klar organisiert. – Trotzdem erscheint es nahezu zynisch sich selbst impfen zu lassen, wenn die eigene Bevölkerung täglich um mehr Geduld und Verständnis gebeten wird.

Auf der anderen Seite schlägt gerade in den Sozialen Netzwerken eine Doppelmoral zu Buche, die ihres gleichen sucht und ebenfalls von dem ein oder anderen bedacht werden muss, bevor er sich in die Diskussion stürzt. So wurden noch Ende des vergangenen Jahres, als die Impfkampagne in Halle begann und vom Oberbürgermeister bepriesen wurde, zahlreiche Kommentare abgegeben, nach denen sich genau die Menschen, die sich nun still und heimlich haben impfen lassen, lieber selbst als Versuchskaninchen hätten anbieten sollten, statt die armen Alten und das so wichtige medizinische Personal vorzuschicken:

– „Die Impfung ist Wahnsinn, ihr seid doch alle verrückt!“ und „Hört auf, die wichtigen Pflegekräfte als Versuchskaninchen zu missbrauchen und impft euch lieber selber!„- sind dabei noch die harmlosesten Meinungen.

Was sagt Oberbürgermeister Dr. Bernd Wiegand selbst?

Auf der heutigen Pressekonferenz sah sich Wiegand nun mit den oben genannten Vorwürfen konfrontiert. Er rechtfertigte jedoch das durchgeführte Verfahren, indem er erklärte, bereits am 11. Januar das genaue Vorgehen in solchen Härtefällen dargelegt zu haben. So sei seit Beginn der Kampagne klar gewesen, dass Impfstoffe am Abend möglicherweise übrig bleiben würden, die es dann so schnell wie möglich zu verimpfen gelte.

„Die Frage ist und war hier ganz klar: wegwerfen oder verbrauchen!?“, so Wiegand.

Weiter erklärte er, die Stadt habe bisher ganze 585 solcher Adhoc-Impfungen durchgeführt, die vom Impfzentrum und den Krankenhäusern eigenständig organisiert wurden und deshalb auch keiner gesetzlichen Vorgabe unterlagen. Bei der normalen Impfreihenfolge handle es sich also dann nur noch um eine Soll-Vorschrift. Per Zufallsprinzip, würden dann diejenigen Personen telefonisch benachrichtigt, die regelmäßig in staatlichen Funktionen dienen, zu welchen zum Beispiel auch die Stadträte zählten.

Auf die Nachfrage, weshalb er die Nachricht seiner Impfung jedoch selbst nicht sofort verkündet habe, antwortete er: „Ich habe meine Impfung im Katastrophenstab verkündet!“ Da es jedoch keine konkreten Fragen an ihn seitens der Presse gegeben habe, habe er sich nicht dazu aufgefordert gesehen, darüber zu berichten. Schließlich sei er dann nur eine Privatperson und die Impfung fiele eindeutig unter seine private Angelegenheit.

„Die Aufgaben im Stadtrat sind äußerst wichtig in dieser aktuellen Lage. Da zum Zeitpunkt meiner Impfung keine weiteren Personen, die eventuell eine höhere Priorität gehabt hätten, telefonisch erreichbar waren, konnte ich geimpft werden. Das war kein Fehler, dazu stehe ich!“

Abschließend sprach Wiegand noch von einer Art Hexenjagt, die er auf die Personen verspüre, die geimpft sind. Dass er seine Impfung nun öffentlich gemacht habe, sei nur seinem Wunsch nach Transparenz zuzuordnen. Denn eigentlich sollten keinerlei personenbezogene Daten zu diesem Thema veröffentlicht werden. Er wisse daher auch von keinem anderen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ob bereits eine Impfung erfolgt sei.

Am Ende der Pressekonferenz erklärte Wiegand auf Nachfrage von Journalisten, er habe zuvor im Krankenhaus nachgefragt, ob denn wirklich niemand anderes bereit stünde, der die übrig gelassene Impfdose erhalten könne. Erst als dieses verneint worden sei, habe er sich zur Impfung begeben.

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