Hochwasserschutz: verstößt die Stadt mit Baumaßnahmen abermals gegen Planfeststellungsverfahren?

22. November 2023 | Umwelt + Verkehr | Keine Kommentare

Nach Beschwerden darüber, dass die Stadt Halle mit der Erhöhung der Straßendämme den Hochwasserschutz gefährde (Hallespektrum berichtete), erhebt die BI Hochwasserschutz nun weitere Vorwürfe. Die Stadt Halle will nun den so genannten Festplatz an der Halle Saale-Schleife um 50 cm erhöhen. Dies ist möglicherweise rechtswidrig, da sich dieser im Überflutungsgebiet befindet. Klagen betroffener Anwohner drohen. Ironischerweise werden für die Baumaßnahmen im Übnerschwemmungsgebiet „Fluthilfemittel“ verwendet. Von 2,4 Millionen Euro ist hier die Rede. Zur Zeit wird das Gelände von der Stadt Halle als Baustoffdeponie und  Zwischenlager für Erdmaterial genutzt. Bis zu zehn Meter hohe Berge aus Erdreich, Schutt und Geröll aus diversen Baumaßnahmen der Stadt werden hier von Lastern der Firma Papenburg aufgeschüttet. Der Landesbetrieb für Hochwasserschutz hatte bereits in einem Schreiben vor mehreren Monaten an die Stadt gefordert, dies zu unterlassen und „den planfestgestellten Zustand wieder herzustellen“.

Die Bürgerinitiative „IG Hochwasserschutz Altstadt“ hat sich nun mit einem offenen Brief an den Stadtrat gewandt, der über die Beschlussvorlage zu dem umstzrittenen Bauprojekt zu entscheiden hat.

„Der Neubau des Gimritzer Dammes hat nachweislich zu einer Verschlechterung des Hochwasserschutzes der auf der Altstadtseite liegenden Gebäude bei HQ 100 geführt (siehe Urteil des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg im Verfahren 2 K 139/19 und 2 K 140/19). Das Planfeststellungsverfahren zum Neubau des Gimritzer Dammes sah daher als eine geringe Ausgleichsmaßnahmen die Abgrabung von Teilgebieten und die Entsiegelung vor der jetzt zu bebauenden Fläche vor. Es bleibt bisher unklar, an welchen Stellen des Geländes diese Arbeiten durchgeführt wurden. Augenscheinlich kann man das nicht feststellen, überall stehen noch die ursprünglichen Bäume und Büsche. Zudem wurde mit den Bauarbeiten an der Halle-Saale-Schleife die Straße insgesamt erhöht, wobei die Stadt Halle (Saale) davon ausgeht, den verlorengegangenen Retentionsraum wieder hergestellt zu haben.

Nun wird mit der Wiederherstellung des Festplatzes zwar rechnerisch eine kleinere Entsiegelung der Fläche projiziert (was bei 16.330 m2 dann noch versiegelter Fläche von ursprünglich 25.005 m2 dennoch viel bleibt), dafür soll aber die Fläche insgesamt um 35 bis 50 cm angehoben werden (also mindestens 8.751,75 m3 Retentionsraum, rechnerisch aber mehr). Aus dem heute zur Wilden Saale hin stark abfallenden Gebiet soll ein „vollständig höhengleiches“ Gebiet mit „Normalgefälle“ gemacht werden. Dies lässt ahnen, dass weitere Geländeaufschüttungen damit verbunden sind, ohne dass diese konkret ausgewiesen werden. Dies konterkariert die Maßnahmen zum Hochwasserschutz, die dieses Gebiet laut  Planfeststellungsverfahren erfüllen soll.

Wir möchten Sie als IG Hochwasserschutz daher dringend bitten, die Planungen dahingehend zu modifizieren, dass:

1. Bei den Baumaßnahmen zur Wiederherstellung des Festplatzes insgesamt auf eine möglichst intensive und hohe Abgrabung der Fläche zu drängen. Eine solche Abgrabung kann weiteren Retentionsraum schaffen, ohne dass auf die Fläche des Festplatzes insgesamt verzichtet werden muss. Für die Bewirtschaftung der Fläche bleibt es unerheblich, ob die Fläche selbst tiefer oder höher liegt. Jeder Meter Retentionsraum hilft, den bisherigen großen Verlust an Retentionsflächen im Stadtraum Halles abzumildern. Zudem ist die Fläche vor niedrigeren Hochwassern durch die Höherlegung der Saaleschleife geschützt. Die Fläche zwischen Wilder Saale und Gimritzer Damm werden momentan bei einem HQ 100 von 77  m3/s durchströmt, nur zwei Kubikmeter mehr oder weniger Durchströmungsvolumen bedeuten einen Zentimeter mehr oder weniger in der Wasserspiegellage für das Altstadtgebiet!

2. Die Baumaßnahmen auf jede Flächenerhöhung (Aufschotterung, Erdauftrag, zusätzliche Bodenverdichtung) verzichten und einen möglichst großen Bereich entsiegeln. Dabei ist festzustellen, dass bei den jetzigen Planungen eine Entsiegelung der bestehenden Betonplatten nicht erwähnt wird.

3. Auf Hocheinfassungen von Wegen und Kanten zu verzichten und den Wasserablauf stattdessen über „Normgefälle“ zu gewährleisten.

Niemand hat etwas gegen die bauliche Ertüchtigung der Fläche und ihre Nutzung als Festplatz. Wir bitten Sie aber dringend, die Gelder aus der Hochwasserhilfe nicht für bloße Infrastrukturmaßnahmen der Stadt Halle (Saale) zu verwenden, sondern sie auch bewusst für einen besseren Hochwasserschutz zu verwenden. Bei diesem Projekt wäre dies sehr einfach möglich, weil sowieso Baumaßnahmen am Gelände erfolgen. Leider hat es die Stadt Halle (Saale) aus unserer Perspektive bisher versäumt, sinnvolle Hochwasserschutzmaßnahmen für die Altstadt zu planen. Hier könnte sie jetzt wirklich einfach und unkompliziert tätig werden.

Zudem haben wir ebenfalls wahrgenommen, dass ein neuer Hochwasserbeirat oder ähnliches angeregt wurde. Sollte ein solches Vorhaben umgesetzt werden, bietet die IG Hochwasserschutz Altstadt für ein solches Unterfangen gerne seine Mittätigkeit und Fachexpertise an, da der alte Hochwasserbeirat ja ohne weitere Kommunikation seine Tätigkeit eingestellt hatte.

 

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