Schon gewusst? Feldmäuse sind Klimagewinnler

10. Oktober 2020 | Nachrichten, Natur & Gesundheit | Ein Kommentar

Feldmäuse (Microtus arvalis) sehen mit ihrem grau-braunem Fell und glänzenden Knopfaugen recht putzig aus. Verharmlosend dienen sie sogar als Kosenamen. Beliebt sind diese Opportunisten aber nicht. Für diese Kulturfolger sind unsere großflächigen Agrarlandschaften wahre Paradiese. Hier legen sie weitverzweigte Erdbauten an, bedienen sich ungeniert an unseren Feldfrüchten, bunkern Vorräte und vermehren sich nach Kräften. Ihr Vermehrungspotential ist enorm: bis zu 10 Mäusebabies pro Wurf, schnelle Wurffolge, ganzjährige Fortpflanzung! Kein anderer Säuger vermehrt sich so extrem. Günstiges Klima und Nahrungsangebot sind perfekte Voraussetzungen für eine Massenvermehrung. Statt ca. 3 bis 5 Mäuse zählt man dann über 20 pro 100 m². Solche Feldmäusejahre gab es immer wieder und machen die Nager zu gefürchteten Schädlingen seit der Mensch sesshaft geworden ist und Ackerbau und Viehzucht betreibt. Auf großflächig angelegten Monokulturen mit wenigen Grünstreifen, wie man sie im Osten Deutschlands häufig sieht, fühlen sich die Wühlmäuse besonders wohl.

Feldmäuse haben natürlich Feinde. Sie sind die Lieblingsspeise von etlichen Beutegreifern: Greifvögel wie Mäusebussarde, Milane oder Schleiereulen sowie Raubsäuger wie Rotfuchs oder Marder. Viele Mäuse machen die Fressfeinde glücklich. Sie vermehren sich bei diesem optimalen Nahrungsangebot ebenfalls meist prächtig. Aber die Mäusepopulationen können sie nur in Grenzen reduzieren. Wahrscheinlich sitzen viele Raubvögel derzeit übersättigt auf ihren Sitzstangen am Ackerrand und wünschen sich mal was anderes als tageintagaus Mäuse. 

Man bekämpft Feldmäuse mit Giftködern. Sie werden möglichst direkt in die Mäuselöcher ausgebracht. Wirkstoff ist Zinkphosphid. Die Mäuse fressen die Giftköder. Im Kontakt mit der Magensäure entsteht aus Zinkphosphid giftiges Phosphin. Das Phosphingas riecht nach faulem Fisch. Der extrem giftige Phosphorwasserstoff gelangt in der Maus rasch über die Blutbahn zu den Organen und blockiert die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien. Die Mäuse sterben 1-3 Stunden nach der Giftaufnahme. Oft genug werden die Giftköder aber auch von anderen Tieren, z.B. Feldhamster, gefressen oder vergiftete Mäuse erbeutet. Die großflächige Ausbringung von Gift ist deshalb verboten. 

Die Anwendung chemischer Mittel sollte überhaupt die letzte Abwehrmaßnahme sein. Als vorbeugende Maßnahme gegen die Entstehung der Mäusemassen sind z.B. eine tiefe Bodenbearbeitung (die Mäusebauten befinden sich in nur bis zu 50cm Tiefe) und das Aufstellen von Sitzstangen für Greifvögel nützlich. Mäuseschädliche kalte und nasse Winter sowie kühle, feuchte Sommer sind mit der Klimaveränderung selten geworden. Von der Klimaveränderung profitieren die Feldmäuse unverhofft. Ist das „Microtozän“ angebrochen? Mäuseplagen erloschenen in der Regel nicht durch Krankheiten, sondern bei Nahrungsmangel.

Im Mittelalter suchte man gewöhnlich göttlichen Beistand bei Mäuseplagen. Durch spezielle Benediktionen („Mäusesegen“), durch Exorzismen sowie durch Glockenläuten und anderen Lärm. Da Mäuse gut im Ultraschallbereich hören können, wird sie das niederfrequente Glockengeläut kaum beeindruckt haben.  Abschreckende Wirkung versprach man sich auch von über die Nager verhängten Gerichtsurteilen. Als Patronin gegen die Mäuseplage galt Gertrudis, Äbtissin von Nivelles/Brabant (Tochter von Pippin d. Ä.; 626-659), deren Gebete ihr Kloster auf wunderbare Weise von einer Mäuseinvasion befreiten, durch welche die klösterliche Andacht und Arbeit gröblich gestört worden war. Wo immer an ihrem Gedenktag, dem 17. März geweihtes „Gertrudenwasser“ verspritzt wurde, nahmen die Mäuse Reißaus., so der Glaube.

(H.J. Ferenz)

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