Nik und Tina

23. Juni 2019 | Rezensionen | Keine Kommentare

Es war schon in den Apriltagen dieses Jahres, als uns der Mitteldeutsche Verlag Simone Trieders dünnes Buch (112 S.) „Nik und Tina : Gefährliche Briefe 1938 – 1944“ zusandte. Sie erzählt darin die Schicksale von Krystyna Wituska, genannt Tina, und Zbigniew Walc, Nik. Beide starben als Opfer des Nationalsozialismus.

Jung, naiv und im polnischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, so könnte man die Schicksale von Tina und Nik zusammenfassen. Ohne zuviel zu verraten, können Sie sich denken, es endetete nicht gut: Tina wurde nur 24 Jahre alt. Sie starb 1944 im Halle im Zuchthaus „Roter Ochse“, ermordet mit dem Fallbeil, laut der Autorin. Nik starb erst 1945 (hier irrt die Autorin im Vorwort). Er wurde Opfer des Massakers in der Isenschnibber Scheune bei Gardelegen, kurz bevor die Amerikaner dort eintrafen, und liegt auch dort begraben.

Simone Trieders Werk hat mich anfangs verwirrt, denn ich hatte ein Sachbuch erwartet, stattdessen ist es eine Mischung aus Erzählung, Recherchetagebuch und Sachbuch. Darauf muß man sich erst einmal einlassen. Auch ist keine Dokumentation der Briefe enthalten, wie der Untertitel suggeriert. Womöglich ist es von Vorteil, wenn der Inhalt von „Die Geschichte der Insassinnen von „Zelle 18““ bekannt ist, ein Buch, das Simone Trieder zusammen mit Lars Skowronski geschrieben hat. Nik hat darin keine Rolle gespielt oder wie Simone Trieder schreibt „Nik erschien uns nicht wichtig. Krystyna war wichtig und ihre überlebenden Freundinnen.“ Auch sind die Briefe der Krystyna Wituska bereits lange veröffentlicht im Band „Zeit, die mir noch bleibt : Briefe aus der Todeszelle“. Eine neue Quelle, die in die „Zelle 18“ einfloss, waren die sogenannten „Kleeblattbriefe“, die von Helga, der Tochter einer Wärterin gesammelt wurden, den Krieg überlebten und erst auf abenteuerliche Weise zurück nach Polen gelangten. Lars Skowronski und Simonetrieber fanden das „Kleeblattalbum“ wieder und darin hatte Tina dem wesentlich jüngeren Mädchen Helga anvertraut: Sie hatte da eine Angelegenheit mit dem „anständigen Jungen“ mit dem sie verlobt ist, aber den sie nicht liebt. Wir begeben uns nach Gardelegen. Simone Trieder fand anhand der Häftlingsnummer das Grab von Nik.

Wer ist Nik?

Die Spurensuche beginnt und in dem Moment konnte ich das Buch nicht mehr weglegen, bis es ausgelesen war. Denn das war ich der Autorin, aber noch viel mehr Tina und Nik schuldig. Tina und ihre Freundinnen waren im Untergrund, spionierten die deutschen Soldaten aus. Durch Nik flog Tina auf. Durch Tina wurde Maria, die den Krieg überlebte, aufgedeckt. Sie waren unvorsichtig, bewahrten Adressen auf. Den Spurensucher, die Tina und Nik durch durch die Zeit hinterher hechelten, ging das Geld aus. Fast wäre diese Geschichte nie erzählt worden. Doch die zwei Spurensucher geben nicht auf. Trieder und Skowronski finden endlich auch Fotos und Briefe von Nik. Er bekommt langsam ein Gesicht.

Simone Trieder schildert ihre Recherche und all die Schwierigkeiten, die damit verbunden waren, spannender als ein Krimi. War Nik ein Held oder war er ein Feigling? Angesichts des Schicksals im Feuer der Isenschnipper Scheune und der Schüsse der Wachmannschaften eine fast schon unmenschliche Frage. Und liebte Tina Nik wirklich nicht? Warum hatte sie sich mit ihm verlobt? Diese Fragen konnte mir Simone Trieder mit dem Buch nicht beantworten und das mußte sie auch nicht. Es gibt nur eine einzige Nachricht von Tina an Nik, die beweist, dass sich auch noch kurz vor ihrem Tod um ihn gesorgt hatte. Gänzlich war er ihr nicht gleichgültig. Und sie schreibt ihm, wie viel Halt seine Liebe ihr gegeben hat. Auch wenn es keine Zukunft für sie gibt. Tina sollte recht behalten. Leider.

Folgen Sie bitte Frau Trieder auf all ihren Spurensuchen, Umwegen und Sackgassen. Erwarten sie keine vollständig rekonstruierte Geschichte, denn das konnte sie nicht leisten. Phantasievolle Ausmalung wäre hier vollkommen unangebracht. Es ist ein wichtiges Buch. Bitte lesen Sie es.

Simone Trieder
Nik und Tina
Gefährliche Briefe 1938–1944
Erzählendes Sachbuch

112 S., Br., 140 × 210 mm
ISBN 978-3-96311-119-8, 12 €

ToK, Fotos: 1. Gedenkstätte Feldscheune Isenschnippe, Gardelegen. 2. Buchcover mitteldeutscher Verlag

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