Wiegand sträubt sich gegen Gesundheitsministerin Grimm-Benne und gegen sein Disziplinarverfahren

21. Februar 2021 | Politik | 6 Kommentare

Gegen Oberbürgermeister Bernd Wiegand wurde in Zusammenhang mit dem Impfskandal ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das beim Landesverwaltungsamt geführt wird. Gesundheitsministerin Petra  Grimm – Benne hat gestern in der Mitteldeutschen Zeitung ein Interview gegeben, in dem sie Oberbürgermeister Bernd Wiegand scharf angreift (Link zur MZ, Bezahlseite).

Unter anderem wirft sie Wiegand kaum verblümt vor, den hohen Anfall an Rest-Impfdosen praktisch herbeimanipuliert zu haben:

„Man kann das Impfen natürlich so gestalten, dass am Ende Impfdosen übrig bleiben“ (Zitat Grimm-Benne in der Mitteldeutschen Zeitung)

Der angezählte OB hat sich heute mit einem Schreiben an die Öffentlichkeit gewandt.

Wortlaut:

Als Oberbürgermeister der Stadt Halle (Saale) stehe ich seit nunmehr zwei Wochen im
Feuer der Debatte. Das halte ich aus. Aber: Was dabei völlig außen vorbleibt, ist die
fachliche Auseinandersetzung, die eigentlich im ganzen Bundesgebiet geführt werden
müsste, nämlich: Wohin mit den Impfstoffresten?

Die zentrale Frage dabei ist: Ist die Impfverordnung mit der festgelegten PrioritätenReihenfolge bei der Verwendung der Impfstoffreste vor Ort stets umsetzbar?
Wir haben uns im Katastrophenschutz-Stab frühzeitig – vor Weihnachten –
Expertenrat zu Fragen der Priorisierung geholt. Dabei wurde deutlich, dass neben den
notwendigen Priorisierungen auch Fragen der Effektivität und Praktikabilität eine Rolle
spielen. Genau dieser Aspekt kommt oft zum Tragen, wenn am Ende eines Impftages
für die letzten übrig gebliebenen Spritzen die Zeit drängt und niemand mehr in der
höchsten Priorität gefunden werden kann. In der Praxis ist es für die Impfteams
unmittelbar vor Ende der Haltbarkeit der Spritze eben nicht so einfach, Menschen über
80 oder 90 Jahre zu bewegen, kurzfristig in ein Impfzentrum, in ein Krankenhaus oder
an einen anderen Ort zu kommen. Diese Herausforderung stellt sich zunehmend
weniger, weil mittlerweile viele Telefonnummern von Personen höchster Priorität
vorliegen.

Wenn man nun von den vielen Fällen bundesweit hört, scheint diese Debatte
dringend notwendig zu sein. Daran schließt sich selbstverständlich die Frage an, ob es
Politiker bzw. Entscheidungsträger sein sollten, die für die letzte übrig gebliebene
Spritze angerufen werden.

Diese Frage ist berechtigt. Wir haben sie diskutiert und sind der Meinung, dass es
sachgerecht und mit der Corona-Impfverordnung vereinbar ist, dass Personen, die für
die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung
einnehmen, ein Impfangebot erhalten, wenn es um die letzten übrig gebliebenen
Spritzen geht und das jeweilige Impfteam niemand anderen mehr in der höchsten
Priorität erreicht. Katastrophenschutz-Stab und Stadtrat müssen in der Pandemie
funktionsfähig bleiben. In der Stadt Halle (Saale) erhielten insgesamt 29 Kat-StabMitglieder und Stadträte ein solches Angebot.

Die Gesundheitsministerin des Landes Sachsen-Anhalt sieht hier nun plötzlich den
„Verdacht erhärtet“, dass Dienstvergehen begangen und gegen die Impfverordnung
verstoßen wurde. Ihre Äußerungen sind rechtsirrig. Denn sowohl die alte als auch die
neue Corona-Impfverordnung sehen Ausnahmen im „atypischen Fall“ vor. Während in
der alten Corona-Impfverordnung – bis 7. Februar 2021 – für die Impf-Reihenfolge eine
„soll“-Bestimmung galt, heißt es in der neuen Verordnung jetzt ausdrücklich im § 1
Abs. 2 S. 3 CoronaImpfV:

„Von der Reihenfolge nach Satz 1 kann in Einzelfällen
abgewichen werden, wenn dies für eine effiziente Organisation der Schutzimpfungen,
insbesondere bei einem Wechsel von einer der in Satz 1 genannten Gruppen zur
nächsten, und zur kurzfristigen Vermeidung des Verwurfs von Impfstoffen notwendig
ist.“

Die Impfärzte haben sich im Rahmen dieser Impfverordnung bewegt. Und das auch
bei den erwähnten 585 Ad-hoc-Impfungen, die – entgegen der Darstellung der
Gesundheitsministerin – bei Personen der höchsten Priorität erfolgten.
Wider besseres Wissen hat die Gesundheitsministerin Sachsen-Anhalts bis heute
den Umgang mit Impfstoffresten nicht geregelt. Sie überlässt dies seit Beginn der
Impfungen den Kommunen, um diese nun dienstrechtlich zu belangen. Zwei Monate
lang wurden in den Impfteams auf der Grundlage der Impfverordnung Entscheidungen
getroffen, um den Verwurf des nach wie vor knappen Impfstoffes zu vermeiden. Denn
der Bundesgesundheitsminister hat uneingeschränkt recht, wenn er sagt: „Alles ist
besser als wegwerfen.“ Unser Vorgehen jetzt für rechtswidrig zu erklären und öffentlich
anzuprangern ist schlicht ein Wegducken, indem die Verantwortung auf andere
geschoben wird. Dies wird auch deutlich angesichts vergleichbarer Fälle im Land. Die
Corona-Schutzimpfungen sollten nicht als Thema des Landtagswahlkampfes
instrumentalisiert werden.

Zudem weise ich die Vorwürfe des Landesverwaltungsamtes im Hinblick einer
schuldhaften Dienstpflichtverletzung wegen Verstoßes gegen die CoronaImpfverordnung entschieden zurück. Das gilt sowohl für die Ärzte in den Impfteams als
auch für die Beamten im Katastrophenschutz-Stab. Die Vorgänge im Impfzentrum und
in den mobilen Impfteams sind in den Antworten zu den Anfragen der
Stadtratsfraktionen dargestellt und auch auf der Internetseite der Stadt Halle abrufbar.
Mit den Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts zum Umgang mit
Impfstoffresten innerhalb der Stadtverwaltung beauftragt der Beigeordnete Herr René
Rebenstorf Herrn Matthias Thielicke-Bendix.

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