Wenn der Frühling kommt. Gesundheitsförderung und Prävention von Folgen sozialer Isolation in Zeiten von Corona

5. April 2020 | Politik | 2 Kommentare

Hallespektrum erreichte folgendes Autorenpapier von Dr. Inés Brock, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Dr. Annette Kreutzfeldt, Stadträtin, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion und Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin und Immunologie, das Sie hier vollständig lesen können:

„Den Menschen in unserer Stadt wird in den letzten 14 Tagen und über Ostern viel abverlangt. Aber gerade jetzt im Frühling ist es wichtig, nach draußen zu gehen und sollte im Rahmen der geltenden Verordnungen auch getan werden, um die eigene Gesundheit und das Immunsystem zu stärken. Und auch wenn es momentan kaum im Bewusstsein ist: emotionaler Stress ebenso wie Vereinsamung und auch Existenzängste können tödlich sein.

Gesundheitsförderlicher Aufenthalt im Freien

Mit der neuen Verordnung des Landes ist der Aufenthalt im Freien unter Einhaltung der Abstandsregeln und ohne Gruppenbildung – außer unter Familienangehörigen – ausdrücklich erlaubt. Das ist ein gutes Signal, um den mittelfristigen Folgen wie Schwächung der allgemeinen Kondition und der Immunabwehr sowie psychischer Belastung durch Frischluft, Bewegung und Sonne vorzubeugen.

Gerade jetzt, wo Fitnessstudios, Schwimmhallen und Sportplätze sowie Rehasportgruppen geschlossen sind, ist es für Menschen jeden Alters wichtig, durch tägliche moderate Bewegung seine Fitness und Mobilität wie auch seine Lungen und sein Immunsystem zu trainieren. Durch das Kontaktverbot soll eine Ansteckung verhindert werden. Sollte diese aber irgendwann doch erfolgen, können ein gut trainiertes Herz-Kreislauf-System, eine gute Lungenkapazität und ein starkes Immunsystem darüber entscheiden, wie schwer wir erkranken bzw. wie hoch die Sterblichkeit ist. Frische Luft und Sonne (Vitamin D) sind dafür ebenso erforderlich wie Gelassenheit und Stressverminderung.

Über- oder Unterforderung aushalten – Alternativen sozialer Unterstützung finden

Die Menschen erleben unterschiedliche Auswirkungen der Krise. Es gibt einerseits Menschen in vielen Berufen, für die sich relativ wenig im beruflichen Alltag verändert hat und andere, die wenig bis nichts mehr beruflich tun können. Es gibt auch diejenigen, die unter erhöhtem Stress stehen, weil sie unter erschwerten Bedingungen arbeiten müssen, z.B. die alleinerziehend im Homeoffice arbeiten und nebenbei auch noch die Bedürfnisse von Kindern im Blick haben und möglicherweise Schulunterricht teilweise ersetzen müssen. Es gibt Familien, denen die gemeinsame Zeit guttut, aber es gibt sicherlich auch viele Familien und Partnerschaften, die es nicht gewohnt sind, so viel Zeit miteinander zu verbringen, wo Konflikte aufbrechen und dies kann zu emotionaler Überforderung für alle Familienmitglieder führen.

Wir machen uns dabei besondere Sorgen um die Familien, die in ihrer Erziehungsfähigkeit überfordert sind, beengte Wohnverhältnisse haben und denen keine Ideen mehr kommen, was sie mit ihren Kindern und heranwachsenden Jugendlichen machen sollen. Es gibt Jugendliche, die in Computersucht hineinfallen und es gibt junge Leute, die überschüssige Energie nicht in sinnvollen Sport alleine übersetzen können und für den Spannungsabbau kriminelle Energie entwickeln und sich den isolierenden Maßnahmen entziehen.
In besonders vulnerablen Familien waren schon vor der Pandemie Defizite im Bereich der strukturellen Lebensführung, beispielsweise der Essenversorgung für die Kinder oder Ich-stärkende Freizeitangebote deutlich. Auch gelingt es belasteten Familien nicht immer, einen empathischen Umgang miteinander zu pflegen. Es besteht die Gefahr, dass die soziale Isolierung in der häuslichen Enge zu einem Anstieg von familiären Problemen, verstärktem Alkoholkonsum, Medienmissbrauch, Vernachlässigung bis hin zu Gewalt in den Familien führt.

Zum Kindeswohl gehört auch ein regelmäßiger Umgang mit dem getrennt lebenden Elternteil oder Elternkontakte für Kinder in stationärer Jugendhilfe.

Jeder Mensch geht unterschiedlich mit emotionalem Stress um, aber für die meisten kann davon ausgegangen werden, dass der Mangel an gesellschaftlichem Leben und sozialem Miteinander das körperliche und/oder psychische Wohlbefinden einschränkt. Sowohl Aggressionen als auch Depressionen und andere Erkrankungen können die Folge sein.

Insbesondere dürfen alleinlebende Menschen nicht vergessen werden, die dadurch psychisch stärker belastet sein können als Menschen in liebevollen Partnerschaften. Auch die Menschen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern bräuchten den Kontakt zu Freunden und Familienangehörigen, um gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden, das belegen alle wissenschaftlichen Studien.
All diese Folgen müssen wir mitdenken, wenn wir über ein sinnvolles weiteres Krisenmanagement nachdenken.

Wir hoffen, dass Solidarität und Zugang zu professionellen Hilfen verhindern wird, dass wir einen Anstieg der Gewalt in Familien, einen Anstieg an psychischen Erkrankungen und Suiziden und auch einen Anstieg anderer körperlicher Erkrankungen, wie z.B. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems verzeichnen müssen.
Der Mensch ist ein soziales Wesen und sowie körperlicher als auch sozialer Kontakt sind überlebenswichtig für die Gesundheit.
„Bleiben Sie gesund“ heißt eben auch, sich alternative Unterstützungsmöglichkeiten zu suchen.

Wir möchten abschließend ausdrücklich auf die Beratungsangebote von Psychotherapeut*innen, Seelsorgern, der psychologischen Telefonberatung der Stadt und den Service der Erziehungsberatungsstellen telefonisch zu beraten, hinweisen.“

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