SPD wählt Kandidaten und beschließt Kommunalwahlprogramm

24. November 2018 | Politik | 9 Kommentare

Wenig Spannendes, aber viel Arbeit erwarteten sich die Mitglieder der Halleschen SPD, als sie sich im Saal des Akazienhofes der Riebeckstift einfanden. Auf der Tagesordnung stand die Beratung zum Kommunalwahlprogramm und die Wahl der Kandidatenlisten für den Stadtrat in fünf Wahlbezirken.

Grußworte des gemeinsamen OB-Kandidaten Hendrik Lange

Grußworte hielt der gemeinsame OB-Kandidat von SPD, Grünen und LINKE, Stadtratsvorsitzender Hendrik Lange (LINKE). Er scherzte: „Ich muss aufpassen, dass ich Sie nicht mit Genossen und Genossinen anrede, meine Damen und Herren, sonst bekomme ich womöglich noch Ärger“. Lange beschrieb die Eckpunkte dessen, was er als Oberbürgermeister umsetzen wolle, wenn er gewählt würde. Den Rechtsruck wolle er bekämpfen, sagte er als erstes, dann aber wolle er die soziale Spaltung in der Stadt bekämpfen, insbesondere die Kinderarmut in einigen Stadtteilen. Er wandte sich gegen die seiner Ansicht nach populistische Forderungen nach „kostenlosem Mittagessen“, die Wiegand nun wieder, nachdem „wir das alles schon vor Jahren gefordert haben“, jetzt aufgewärmt habe. Ein Problem für jeden Kommunalpolitiker sei die Ungleichgewichtung der Verteilung öffentlicher Finanzen. Der Bund würde seine Steuerüberschüsse zur Begleichung von Schulden einsetzen, statt sie an die Kommunen zu überstellen. Diese seien deutlich unterfinanziert, und müssten stattdessen Kassenkredite aufnehmen, um ihre Aufgaben zu erfüllen.

Hendrik Lange, gemeinsamer Kandidat von Grünen, SPD und LINKE für die Oberbürgermeisterwahl, hält Grußwort auf der SPD-Mitgliederversammlung am 24. November 2018

Lange wird sich für eine Stärkung und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs einsetzen, plädierte für eine Straßenbahnausbau nach Heide-Nord. Klar wandte er sich gegen den Bau der Nordtantgente, die nur noch mehr Autoverkehr in die Stadt locken würde. Wichtig ist ihm, den Anstieg von Mieten und die zunehmende soziale Segregation in den Wohngebieten  zu verhindern. Dies betreffe vor allem ältere Menschen. „Niemand soll sein angestammtes Wohngebiet verlassen müssen, weil er im Alter die Miete nicht mehr bezahlen kann“, sagte  Lange.

Er möchte die Verwaltung wieder stärken, es sei dort genügend Kompetenz vorhanden. Er würde sich als OB nicht  alles selbst auf den Schreibtisch ziehen, und will statt dessen mit dem teuren externen Beraterungswesen Schluss machen.

Nun sollte es um das Kommunalwahlprogramm gehen. Der Vorsitzende der SPD, Marcel Dörrer,  trat ans Mikrofon, eigentlich sollte er einleitende Worte hierfür finden. Statt dessen erläuterte er seinen persönlichen politischen Werdegang, der stark von seinem Engagement für schwule und lesbische Lebensformen geprägt war.  Er habe sich so gefreut, dass der Bundestag mit Stimmen der SPD die Ehe für alle beschlossen hab, sagte er – um dann vor wenigen Tagen so enttäuscht zu werden, als mit den Stimmen der SPD-Bundestagsfraktion ausgerechnet der seiner Meinung nach homophobe CDU-Kandidaten Stefan Harbarth in das Präsidium des Bundesverfassungsgerichtes berufen wurden. Stockend und unter Tränen erklärte Dörrer seinen Rücktritt und den Austritt aus der SPD.

Marcel Dörrer erklärte seinen Austritt aus der SPD

Nun war guter Rat teuer. Nach einer kurzen Pause, in der der verbliebene Vorstand sich zur Beratung zurück zog, wurde beschlossen, das Programm weiter durch zu ziehen.

Zwischen den Wahlgängen, bei denen für die fünf  Stimmbezirke jeweils die Kandidatenliste  für das Wahlprogramm bestimmt werden sollten, wurden das Kommunalwahlprogramm diskutiert.

Johannes Krause: „Unserer Initiative ist es zu verdanken, dass es ein wohnungspolitisches Konzept gibt.“

Der amtierende Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Johannes Krause, erläuterte die Politik und die Schwerpunkte der Fraktionsarbeit. Natürlich stand der Konflikt mit dem amtierenden OB Bernd Wiegand an zentraler Stelle. Das Thema „Wohnen“ steht für Johannes Krause an vorderer Stelle, und die SPD sei es gewesen, die dieses Thema als erste schon vor Jahren auf die kommunalpolitische Agenda  gesetzt habe.  Gerade mit Blick auf den erfreulichen Einwohnerzuwachs ist das Thema Wohnen ein Zukunftsthema in Halle“, sagte Krause, und: „Unserer Initiative ist es zu verdanken, dass es ein wohnungspolitisches Konzept gibt“

Johannes Krause erläutert die kommunalpolitischen Ziele der SPD

Ergänzt werde dies mit der  Beschlusslage zur sozialen Wohnraumversorgung. Inzwischen hätten die Wohnungsgesellschaften, so Krause, sogar freiwillige Selbstverpflichtungen mit der Stadt abgeschlossen, um die Ziele im sozialen Wohnungsbau zu erreichen.

Aufräumen möchte Krause mit der Vorstellung, der städtische Haushalt sei „auf dem Fundament einer schwarzen Null aufgestellt“. Es werde nur suggeriert, dass die Schulden mit dem Amtsantritt Wiegands verschwunden seien.  Das sei nur ein Taschenspielertrick. Richtig sei vielmehr: Die Buchhaltung wurde auf die Doppik umgestellt. „Von da an war es möglich, die eigentlichen Schulden der Stadt im Haushalt zu verstecken. Mit Amtsantritt Wiegands hatte die Stadt 278 Millionen € Schulden. Im Herbst 2016 waren es dann schon 360 Mio.  Krause sieht auf die Stadt eine Gefahr zukommen: Das Land habe eine Obergrenze für Kredite festgesetzt. ab 2023 dürfen unsere Schulden nicht mehr als 150 Millionen € betragen, „andernfalls droht der finanzielle Kollaps.

Die längere Rede schloss auch Krause mit einem Blick nach Rechts. Eines sei klar: die SPD werde immer ihre Stimme erheben, wenn Hetze, Hass und Ausgrenzung um sich griffen. „Wir denken immer daran, was vielen tausend Demonstrierende in Chemnitz, Berlin und anderen Städten skandiert haben: „Wir sind mehr“

Das Kommunalwahlprogramm

Den Werdegang des Kommunalwahlprogramms erläuterte nun Vorstandsmitglied Katharina Hintz:

Man habe neue Wege beschreiten wollen, hätte nach einem Workshop und vielen Beratungen sich entschlossen, den erste groben Entwurf unter allen Mitgliedern zu versenden, die wiederum Änderungsvorschläge und Anträge stellen konnten. Hiervon wurde reichlich Gebrauch gemacht. Über 50 Änderungsanträge waren es, die auch nach Sichtung der Programmkommission noch übrig blieben. Vieles ging heute bei der Mitgliederabstimmung einfach durch, bei einigen Änderungsanträgen gab es ausführliche Diskussion, so etwas bei der Frage, ob der Punkt „öffentliche Babywickelplätze“ ins Programm solle.

Die Schwerpunkte des Programms, das nun, nach der Abstimmung, noch redaktionell überarbeitet werden soll, liegen auf dem Gebiet Wohnen, Bildung, Verkehr und Umwelt. Vieles bleibt im Allgemeinen, manches sehr „speziell“.  Konkret will man mit Hilfe der Wohnungsgesellschaften vorwiegend sozialen Wohnraum schaffen, einen Mietspiegel erstellen, Gebiete für Einfamilienhäuser nur ausweisen, wenn der Bau von Mehrgeschosswohnungen geprüft wurde.

In der Verkehrspolitik will man den ÖPNV ausbauen, die Preisspirale der HAVAG bremsen, ein kostenloses Schülerticket und vieles mehr. Das komplette kommunale Wahlprogramm wird Halle-Spektrum vorstellen, wenn es endgültig redigiert ist.

Das Ergebnis der Listenwahl (komplette Listen auf Seite 2)

Den Wahlbezirk 1 (Neustadt) führt Eric Eigendorf an.

Eric Eigendorf, Listenplatz 1, Halle-Neustadt

 

Wahlbereich 2 (Landrain, Trotha, Lettin, Kröllwitz usw) Kay Senius.

Kay Senius

Den Wahlbereich 3 (Nördliche Innenstadt, Paulsuviertel Büschdorf, Kanena usw) Dr. Detlev Wend.

Detlev Wend

Nach seiner Wahl äußerte sich Wend allerdings enttäuscht, was er mit kräftigen Worten zum Ausdruck brachte. Er habe sich in all den Jahren unheimlich „den Arsch aufgerissen“ und sich für die Partei und im Stadtrat sich kräftig engagiert. Aber er versprach:“ jetzt erst recht, ich werde weiter kämpfen“. Entwarnung und Aufatmen unter den Genossen: Gott sei Dank! Kein zweiter Austritt. Dabei lag er mit 51 Stimmen bei ca. 70 Wahlberechtigten gut im Schnitt. Er hatte aber mit mehr gerechnet.

 

Wahlbereich 4 (Altstadt, südliche Innenstadt, Thüringer Bahnhof pp.) führt Kartharina Hintz an,

Katharina Hintz

und in Wahlbereich 5 (Südstadt, Ammendorf/Beesen, Radewell, …. Silberhöhe) steht Johannes Krause oben auf der Liste

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