Interview mit Karamba Diaby zu Corona, Wissenschaft und Politik

13. Mai 2020 | Politik | Keine Kommentare

Der SPD-Abgeordnete Dr. Karamba Diaby sitzt für Halle im Deutschen Bundestag in Berlin. Jüngst hatte Hallespektrum die Gelegenheit,  mit ihm ein längeres Interview zu dem aktuellen Dauerbrenner „Corona“, Naturwissenschaft und Politik, zu führen.

Corona-Politik und Naturwissenschaft

Hallespektrum: Herr Dr. Diaby, Sie sind von Hause aus Chemiker. Sie haben gelernt, die Welt aus naturwissenschaftlichem Blickwinkel zu betrachten. In der aktuellen Debatte um die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 melden sich häufig Lobbypolitiker zu Wort, die der Politik der Bundesregierung vorwerfen, sich zu sehr von Naturwissenschaftlern leiten zu lassen, gelegentlich wird sogar davon gesprochen, Virologen hätten die Macht in Deutschland übernommen. Wie gut können Sie mit solchen Vorwürfen leben?

Diaby: Wir können die Politik nicht mit der Naturwissenschaft vergleichen. Wissenschaft arbeitet innerhalb von gesetzten Grenzen (zum Beispiel des jeweiligen Faches) nach bestimmten Prinzipien und mit einem bestimmten Erkenntnisinteresse. Die Politik muss Rahmen setzen, regulieren und hier geht es sehr oft um Normen, die durch ein demokratisches Verfahren zustandekommen. Fakt ist auch: Wir als Politiker müssen ein Problem genau kennen, um eine Lösung dafür zu finden. Deshalb ist der Austausch mit Wissenschaftlern sehr wichtig. Wenn ich etwas zur Pandemie wissen möchte, dann frage ich einen Virologen, Epidemiologen oder
Immunologen, denn die wissen mehr als ich. Doch sie entscheiden nicht für mich. Die Entscheidung trifft allein die Politik.

Hallespektrum: Die Sachsen-Anhaltische Landesregierung hat im Alleingang in erheblichem Maße die  Eindämmungsmaßnahmen gelockert. in der 5. Eindämmungsverordnung wurden nicht nur Schulen wiedereröffnet, sondern es dürfen sich nun auch bis zu 5 Personen in der Öffentlichkeit treffen, Friseurläden dürfen wieder „Face-to-Face“ Kunden bedienen, in Kürze sollen auch wieder Gaststätten öffnen dürfen. Altenheimen werden wieder für Besucher geöffnet. Begründet wird das damit, die Infektionszahlen in Sachsen-Anhalt seien weitaus niedriger als in anderen Bundesländern. Allerdings sind die Zahlen auch nicht so niedrig, dass sich zur Zeit Neuinfektionen nachvollziehen lassen. Und es gibt durchaus noch „Hotspots“ wie beispielsweise Halle.
Was halten Sie von den Maßnahmen der Landesregierung?

Diaby: Die Gesundheit der Menschen geht vor und wenn wir wissen, dass in Sachsen-Anhalt die Infektionsrate geringer ist – als in anderen Bundesländern – muss es auch möglich sein, landesspezifische Regelungen in Absprache mit anderen Bundesländern und der Bundesregierung zu treffen. Wir müssen grundsätzlich stark abwägen, wie weit wir öffnen können, welche Risiken wir  inkalkulieren. Vorsicht ist weiterhin geboten und ich bin mir sicher, dass das die Landesregierung im Blick hat.

Hallespektrum: Oberbürgermeister Bernd Wiegand hat mit Gastronomen und Hoteliers eine Videokonferenz abgehalten. Dabei beklagten viele Gastwirte, wie sehr sie unter den Schließungsverfügungen leiden. Möglicherweise gibt es ab dem 22. Mai eine schrittweise Öffnung, OB Bernd Wiegand will die Öffnung der Freiluftgastronomie durch Verzicht auf Gebühren für Sondernutzungsrechte fördern. Begrüßen Sie das, oder halten Sie das für ungerecht?

Diaby: Es ist wichtig, dass alle politischen Ebenen die Gastronomen und Hoteliers unterstützen, sodass sie überhaupt wieder Umsätze erwirtschaften können. Die Branche ist durch die Krise am schwersten betroffen. Ich bin daher froh, dass wir mit einer schrittweisen Öffnung ab dem 18. Mai starten können. Allerdings gilt für einen Öffnungstermin vor dem 22. Mai, dass der Landkreis oder die kreisfreien Stadt ein allgemeines Sicherheitskonzept erstellen und die Öffnung auf Grundlage eines vom Betreiber vorgelegten Hygienekonzepts im Einzelfall genehmigen muss. Sonst gilt die Öffnung ab dem 22. Mai und bedarf keiner
Einzelgenehmigung. Die Hygienekonzepte müssen einerseits dem Gesundheitsschutz dienen, aber andererseits auch garantieren, dass der Restaurantbesuch kein Frusterlebnis wird.

Hallespektrum: Wie hat die Corona-Krise Ihr Leben als Abgeordneter verändert?

Diaby: Mir ist der direkte Austausch mit meinen Mitmenschen sehr wichtig. Deshalb ist es für mich eine starke Umstellung gewesen. Ich habe mein Büro schließen müssen und meine politische Arbeit fast komplett in die digitale Welt übertragen. Das heißt: Ich habe viele Videokonferenzen mit meinem Team, den Fraktionskollegen, aber auch den Bürgern. Auch die Arbeit im Deutschen Bundestag ist anders. So kann ich nicht an jedem Ausschuss vor Ort teilnehmen, da nur jeweils zwei Kollegen aus meiner Fraktion anwesend sein dürfen. Die anderen müssen sich dann über eine Videokonferenzplattform einwählen. Um den Kontakt zu den Bürgern weiterhin aufrechtzuerhalten, habe ich außerdem eine wöchentliche Telefonsprechstunde eingerichtet, die sehr gut angenommen wird.

Hallespektrum: Was vermissen Sie zur Zeit persönlich am meisten?

Diaby: Ich habe große Lust, mich bald wieder mit Freunden zu treffen, auf der Peißnitz einfach einen Kaffee zu trinken und zu plaudern oder anders gesagt: Ich sehne mich nach Normalität.

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