Halle und Omas gegen Rechts und die Corona-Schwurbler

31. Januar 2022 | Politik | 9 Kommentare

„Halle gegen Rechts“ und die Bewegung „Omas gegen Rechts“ hatten zu einer Demonstration gegen Rechtsextremismus, soziale Kälte, Impfgegner und „Corona-Schwurbler“ aufgerufen. Während in der Marktkirche eine Andacht im Gedenken an die Opfer der Coronapandemie stattfand, gehörte der Platz vor der Kirche den Demonstranten. Trotz eisiger Kälte und Schneeregen hatten sich ab 17:00 h etwa 500 Menschen auf dem Marktplatz versammelt, um Kerzen im Gedenken an mittlerweile 473 Pandemieopfer in Halle vor der Maienkirche aufzustellen. Der Aufbruch des geplanten Demonstrationszuges, der ursprünglich auf dem Hallmarkt starten und um 18:00 h beginnen sollte, verzögerte sich. Denn am Göbel-Brunnen hatten sich die „Schwurbler“ versammelt.  Unter ihnen: angebliche „Pflegekräfte“, die sich auf Plakaten gegen eine Impfplicht für Klinikpersonal wehrten – und mit ihrer Kündigung drohten.

Gegen Verharmlosung des Holokaust und Antisemitismus

Auf dem Markt setzte sich der Demonstrationszug gegen Rechts in Bewegung. Die Wartezeit war genutzt worden, um Statements der Initiatoren und Unterstützer des Aufrufs (darunter politische Parteien, SPD, Grüne, die Linke) abzugeben. Eine Sprecherin von Halle gegen Rechts beklagte, dass die Menschen, die sich als „Maßnahmengegner“ unter der Bezeichnung „Bewegung Halle“ nahezu jeden Montag in Szene setzen, nicht die Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Unter ihnen seien Rechtsextremisten, die Bewegung Halle verharmlose den Holokaust an Juden, indem sie sich beispielsweise mit den Opfern des antisemitischen Massenmordes des NS-Regimes gleichsetzen würden, und Judensterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ als Zeichen ihrer Bewegung trügen.

„Omas gegen Rechts“ beklagen Klima sozialer Kälte

Die Sprecherin der „Omas gegen Rechts “ wehrte sich gegen die mangelnde Empathie mit den Opfern der Pandemie. Die Pandemie habe die Schere zwischen sozial Schwachen und Starken der Gesellschaft weiter geöffnet. Die meisten Opfer der Pandemie stammten aus sozial benachteiligen Gruppen: Alte, Schwache, Kranke, wie beispielsweise Heimbewohner oder Menschen in Gemeinschaftsunterkünften. Die Omas gegen Rechts sind zornig, aus einem „nie wieder“ sei ein „schon wieder“ geworden. Sie haben als Kinder ihre Eltern als Opfer oder auch Täter des Nationalsozialismus erlebt. Die Damen bedanken sich bei den Teilnehmer für ihre Zivilcourage und versichern: „Wir stehen hinter euch.“.

Pflegekraft: Impfen ist Solidarität

Eine Pflegekraft berichtete über harte Arbeitsbedingungen der Branche, die durch die Pandemie drastisch verschärft wurden. Sie haste zwischen den Zimmern hin und her. Aus Körperpflege werde Katzenwäsche. Am Ende des Tages können sich die Bewohner wohl nicht mehr mal an ihren Namen erinnern. Sie habe selbst schon überlegt wie lange sie diesen Job wohl machen könne. Sie wünsche sich Bedingungen, in welchen sie endlich umsetzen könne was sie in der Theorie über Pflege, Zuwendung und Würde in der Versorgung gelernt habe. Die junge Pflegerin bat am Ende ihres Statements um die Solidarität der Gesellschaft, die für sie unzweideutig auch das Impfen impliziert .

Katja Pähle (SPD): „folgt der Wissenschaft – nicht dem, was man irgendwo mal im Netz gehört hat“

Als Sprecherin der SPD, die dem Aufruf zur Demonstration ebenso gefolgt ist wie Grüne und Linke, forderte Katja Pähle die Gesellschaft auf, nicht irgendwelchen Behauptungen zu glauben, „die man irgendwo gefunden habe“, sondern der Wissenschaft zu folgen. Von ihr kam auch der Aufruf, sich impfen zu lassen, denn das sei der einzige Weg aus der Pandemie.

Sebastian Striegel kritisiert Polizei

Ähnlich äußert sich Sebastian Striegel (Grüne) im Rahmen seines Statements am Leipziger Turm, wo der Aufzug zum zweiten Mal (das erste Mal war schon  beim Auftakt in der Großen Ulrich- Straße) abgeriegelt von behelmten und mit sichtbaren Schlagstöcken ausgerüsteten Polizisten warten musste. Dies nahm Striegel zum Anlass, die Haltung der Polizei bei den Schwurbler-Demos zu kritisieren. Sowohl Anzahl als auch Ausrüstung der Polizeibeamten soll dort viel dezenter sein.

Als der Weg durch die Polizei freigegeben wurde, zogen die Teilnehmer der Demo weiter in Richtung Franckeplatz und von dort aus zurück zum Markt.

Eine ähnliche Veranstaltung, in der der Opfer der Pandemie gedacht wurde, fand heute in Querfurt statt.

Die Zahl der Teilnehmer der Demo beruht auf einer Schätzung von Beobachtern. Die Pressestelle der Polizei konnte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht erreicht werden.

 

Nachtrag der Polizei zum „Versammlungsgeschehen“

 

In Halle beteiligten sich an einem Aufzug, der am Hallmarkt begann und endete, zu Spitzenzeiten bis zu 3.500 Menschen. Zudem fanden auf dem Marktplatz heute mehrere Kundgebungen statt. Die teilnehmerstärkste hier war eine Versammlung, die sich dem Gedenken an die Verstorbenen der Pandemie widmete, an der sich auch ca. 370 Personen beteiligten. Aus dieser formierte sich ein Protestzug, der etwa 370 Teilnehmende hatte. Die Polizei musste am späten Montagabend im Bereich Marktplatz das Aufeinandertreffen der gegnerischen Lager verhindern, wobei u.a. Personen abgedrängt werden mussten.

Im Zusammenhang mit den versammlungsrechtlichen Aktionen sind der Polizei bislang mehrere Straftaten, wie beispielsweise Beleidigung und Körperverletzung bekanntgeworden bzw. angezeigt worden. Zudem kam es zu Verkehrseinschränkungen.

 

Print Friendly, PDF & Email
9 Kommentare

Kommentar schreiben