Garagenstreit wird Landesverwaltungsamt beschäftigen: Stadt will nicht verpachten, weil sie sonst verbotenerweise Garageneigentümerin wird

10. April 2019 | Politik | Keine Kommentare

Mehrere Garagenvereine stehen Emde 2019 vor dem aus – wenn die Stadt Halle ihnen nicht die Grundstücke verkauft (Hallespektrum berichtete) oder ihnen langfristige Pachtverträge anbietet. Letzteres hatte der Stadtrat beschlossen – für 15 Jahre sollen die Garagenvereine neue Pachtverträge bekommen. Eine Aussicht, die nicht alle Garagenvereine gut heißen – so etwa nicht der Verein Lilienstrasse, der der Stadt bereits ein Kaufangebot unterbreitet hat.

Gegen den Ratsbeschluss, die Pacht betreffend, hat OB Wiegand allerdings Widerspruch eingelegt. Den vermutlich wahren Grund (wohl der Wunsch, die Grundstücke zu vermarkten), führt der OB nicht an, wohl aber eine juristische Begründung, die es in sich hat. Im Kern: Wenn ein neuer Vertrag mit den Garagenbesitzernm geschlossen wird, wird die Stadt nach Schuldrechtsanpassungsgesetz automatisch Eigentümerin der Garagen. Das aber dürfe die Stadt nicht, so argumentiert Wiegand. Denn die Stadt darf nur Immobilien erwerben, die sie tatsächlich dringend benötige.

 

Die gesamte Erklärung Wiegands im Wortlaut:

Der Stadtrat hat in seiner Sitzung am 27. März 2019 einen Beschluss zur Garagengrundstücksnutzung von Garagengemeinschaften in der Stadt Halle (Saale)
gefasst. Demnach können Garagengemeinschaften, deren Nutzungsverträge zum 31. Dezember 2019 nach Schuldrechtsanpassungsgesetz enden, auf Wunsch einen Pachtvertrag mit einer Laufzeit von mindestens 15 Jahren erhalten. Anstatt Rechtssicherheit für die Garagenbesitzer zu erzeugen, führt diese
Entscheidung zu erheblichen Nachteilen und Verunsicherungen: Die Verwaltung hat wiederholt darauf hingewiesen, dass bei Abschluss eines solchen neuen Vertrages die Garagennutzer ihr Eigentum an der Garage verlieren. Zudem erwarten auch die nicht vom Stadtratsbeschluss betroffenen Garagennutzer in der Stadt Halle (Saale) ähnliche Verträge, wie die vielen Nachfragen seit der Beschlussfassung in der Verwaltung belegen.
Das Schuldrechtsanpassungsgesetz findet auf Vereinbarungen, bei denen die für den alten Vertrag (hier der Nutzungsvertrag bis zum 31.12.2019) kennzeichnenden Elemente – insbesondere die Vertragsdauer – wesentlich abgeändert werden, keine Anwendung. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.07.2007 (Az.: XII ZR 113/05) für einen Garagennutzungsvertrag ausdrücklich bestätigt: „Ein Mietvertrag, der nach dem Beitritt zu teilweise anderen Bedingungen und auch nicht mehr  zwischen denselben Vertragsparteien, jedoch über denselben Mietgegenstand abgeschlossen wurde wie der vor dem Beitritt vereinbarte Nutzungsvertrag, unterliegt nicht dem zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des Schuldrechtsanpassungsgesetzes.“
Die Änderung der Vertragsdauer führt zur Beendigung des dem Anwendungsbereich und damit dem Schutz des Schuldrechtsanpassungsgesetz unterfallenden
Vertragsverhältnisses, mit der Folge, dass das Eigentum an den Baulichkeiten – hier den Garagen – auf den Grundstückseigentümer (die Stadt Halle) übergeht. Die Stadt Halle (Saale) wird daher mit Abschluss eines solchen Vertrages auch neue Eigentümerin der auf ihrem Grund und Boden errichteten Garagen. Gemäß § 112 Abs. 1 Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (KVG LSA) soll die Kommune Vermögensgegenstände nur erwerben, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit erforderlich ist. Der Vermögenserwerb darf nur Mittel zur Erreichung eines Ziels sein, dass im Aufgabenbereich der Kommune liegt. Die Möglichkeiten der Kommune werden dabei durch das Kriterium der Erforderlichkeit vom Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung begrenzt. Sachlich erforderlich ist der Erwerb eines Vermögensgegenstandes nur, wenn er dazu dient, den gemeindlichen Zweck zu erreichen und andere Handlungsalternativen nicht wirtschaftlicher sind. Da der Eigentumsübergang hier auf eine freie Willensentscheidung der Stadt Halle (Saale) zurückzuführen ist: Angebot auf Abschluss eines Nutzungsvertrages mit einer Laufzeit von mindestens 15 Jahren, findet § 112 Abs. 1 KVG LSA auch Anwendung.
Vorliegend ist kein Grund ersichtlich, warum die Stadt Halle (Saale) Eigentümerin auch der Garagenbauwerke werden sollte. Die Garagen werden weder zur Erfüllung kommunaler Aufgaben in absehbarer Zeit benötigt, noch ist ein sonstiger mit dem Eigentumsübergang zusammenhängender Vorteil für die Stadt Halle (Saale). erkennbar. Im Gegenteil sind – worauf bereits mehrfach hingewiesen wurde – mit dem Übergang des Eigentums an den Garagen auf die Grundstückseigentümerin Stadt Halle (Saale) nicht unerhebliche wirtschaftliche Aufwendungen und Lasten verbunden.
So sind gemäß der beigefügten Stellungnahme der kommunalen Bewertungsstelle Kosten über die gesamte Vertragslaufzeit von 15 Jahren für die
Garageninstandhaltung in Höhe von 10,87 Millionen Euro und Kosten für die Garageninstandsetzung in Höhe von 2,3 Millionen Euro aufzuwenden.
Darüber hinaus soll die Stadt Halle (Saale) auf Grund des Stadtratsbeschlusses auf die Geltendmachung von Abriss- und Beräumungskosten gegenüber den
Garageninteressengemeinschaften/Garagenbesitzern verzichten. Gemäß § 15 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Schuldrechtsanpassungsgesetz (SchuldRAnpG)
haben die Garagennutzer bis zum Ablauf des 31. Dezember 2022 die hälftigen und ab dem 1. Januar 2023 die vollständigen Kosten bei Abbruch des Bauwerks zu tragen. Mit der Beschlussfassung wird daher in Abkehr dieser klaren gesetzlichen Regelung eine vollständige Übernahme der Abbruchkosten durch die Stadt Halle (Saale) als Grundstückseigentümerin festgelegt. Dies widerspricht dem kommunalverfassungsrechtlichen Gebot des § 98 Abs. 2 KVG LSA, dass die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu führen ist. Wirtschaftlich ist ein Verhalten, wenn der Erfolg zu den unmittelbaren und mittelbaren
Aufwendungen in einem guten Verhältnis steht. Ein wirtschaftliches Verhalten bedarf daher einer Betrachtung und Gegenüberstellung der möglichen (qualitativen und bzw. oder quantitativen) Varianten unter Berücksichtigung der Zielsetzung. Je günstiger das Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen ist, desto wirtschaftlicher ist eine Maßnahme. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gibt somit vor, die Aufwendungen im Hinblick auf den zu erreichenden Zweck so gering wie möglich zu halten. Dem Stadtrat in der Mehrheitsentscheidung ist diese Rechtslage bewusst. Mehrfach hat der Fachbereich Recht in verschiedenen Ausschüssen darauf hingewiesen. Die Intention des Antrages der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat Halle (Saale) und der mehrheitlichen Beschlussfassung des Stadtrates ist deshalb vor dem Hintergrund der am 26. Mai 2019 anstehenden Kommunalwahl ausschließlich als politisch motiviert zu bewerten.
Die Stadtverwaltung möchte noch einmal darauf hinweisen, dass sie stets dafür plädiert hat, die bestehenden Nutzungsverträge – wie bereits seit Jahren bei vielen Garagengemeinschaften einvernehmlich und erfolgreich praktiziert – ohne Änderungen gemäß § 545 BGB fortzusetzen.

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