Wissenschaftler geben Ratschläge zu Energiewende und Corona: Finanzspritzen müssen auch dem Klimaschutz dienen

22. Juni 2020 | Kultur | Keine Kommentare

Mit ihrer heute erschienenen Ad-hoc-Stellungnahme „Energiewende 2030: Europas Weg zur Klimaneutralität“ legen die Leopoldina, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften sowie die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften eine Handreichung für den deutschen EU-Ratsvorsitz ab 1. Juli vor.

Die Autorinnen und Autoren betrachten die Herausforderungen der Klimaschutzpolitik vor dem Hintergrund der aktuell durch die Coronavirus-Pandemie verursachten Krise. Um deren Folgen zu bewältigen, müssen Finanzmittel mobilisiert werden. Für den Klimaschutz wird es entscheidend sein, dass diese Mittel im Einklang mit dem Erreichen der Klimaschutzziele investiert werden. Die Arbeitsgruppe identifiziert hierfür politische, technologische und regulatorische Maßnahmen, die im Verbund eine Energiewende ermöglichen, ohne Wirtschaft und Gesellschaft zu überfordern.

Windkraft, E-Mobilität, Wasserstoffindustrie

Die EU-Klimaschutzziele lassen sich nur durch eine gemeinsame klima- und energiepolitische Strategie erreichen, die die unterschiedlichen Voraussetzungen der Mitgliedsstaaten berücksichtigt. Technologieoffenheit sei grundsätzlich wünschenswert, solle aber nicht dazu führen, dass notwendige Investitionen aus einer abwartenden Haltung heraus verzögert werden. Einige Technologien betrachten die Forscherinnen und Forscher als unverzichtbar, um die Klimaziele 2030 und 2050 zu erreichen. Zu solchen „No-regret“-Maßnahmen zählen sie den Ausbau von Windkraft und
Photovoltaik, Netzausbau sowie den Ausbau von Elektromobilität und Wärmepumpentechnologie. Wasserstoff werde als erster Grundstoff in der Kette von elektrischer Energie zu stofflichen Energieträgern eine wesentliche Rolle einnehmen. Daher seien Investitionen in diesen
Energieträger und entsprechende Pilotanlagen notwendig.

CO₂-Mindestpreis als Regulatorium gefordert

Regulatorische Maßnahmen in Form von Anreizsystemen trügen dazu bei, die Transformation möglichst kosteneffizient zu gestalten. Wenn Europa zeige,
dass eine umfassende Transformation des Energiesystems gelingen kann, ohne die Volkswirtschaft zu überfordern, könne das auch für Drittländer ein
wichtiger Impuls für eine klimafreundliche Politik und den Umbau zu neuen Energiesystemen sein, heißt es in der Stellungnahme. Die Autorinnen und
Autoren sehen einen sektorenübergreifenden, EU-weit einheitlichen CO₂-Preis als Leitinstrument für den Klimaschutz – auch und gerade in
Zeiten von Corona. Im Zuge der durch die Corona-Krise ausgelöste Rezession sei zu befürchten, dass die Unsicherheiten über die langfristige Preisentwicklung anstiegen. Ein wirksamer CO₂-Mindestpreis sei daher mehr denn je notwendig, um Planungssicherheit zu schaffen und
dauerhafte Anreize für nachhaltige Klimaschutzinvestitionen zu setzen. Es sei wichtig, perspektivisch in allen Sektoren die Treibhausgase zu
bepreisen – am besten durch eine Ausweitung des europäischen Emissionshandels.

Zudem sei eine enge Koordination notwendig, damit ein einheitliches europäisches Energiesystem entstehen kann. Wichtig sei dabei die richtige Balance zwischen den erforderlichen Weichenstellungen für die Infrastrukturentwicklung und offenen, marktwirtschaftlichen Ansätzen. Zudem sollte bedacht werden, dass auch in Zukunft Energie nach Europa importiert werden wird. Die dafür notwendigen Technologien müssten in den Markt gebracht und die globalen Lieferketten entwickelt werden. Die Politik müsse deshalb den Aufbau von Lieferketten für grüne Energieträger unterstützen.

Die Ad-hoc-Stellungnahme ist ein gemeinsamer Beitrag der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech ‒ Deutsche Akademie der
Technikwissenschaften und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Die Akademien unterstützen Politik und Gesellschaft
unabhängig und wissenschaftsbasiert bei der Beantwortung von Zukunftsfragen zu aktuellen Themen. Ihre Mitglieder und weitere Experten
sind hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. Im Energiebereich leisten die Wissenschaftsakademien seit
2013 im Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) wissenschaftsbasierte Politikberatung.

Die Ad-hoc-Stellungnahme „Energiewende 2030: Europas Weg zur Klimaneutralität“ kann  hier nachgelesen werden: 2020_Energiewende_2030_Final

Print Friendly, PDF & Email

Kommentar schreiben