Moritzburg soll Menzel-Zeichnung an jüdische Vorbesitzer zurück geben

29. Februar 2024 | Kultur | Keine Kommentare

Am heutigen Nachmittag hat die unabhängige Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, ihre Empfehlung zum Umgang mit einer Zeichnung von Adolph von Menzel aus der ehemaligen Sammlung des jüdischen Künstlers und  Kunstsammlers Max Liebermann bekanntgegeben. Sie empfiehlt, die Zeichnung an die Erben nach Martha Liebermann zu restitutieren.

1936 kaufte das heutige Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) für insgesamt 600 Reichsmark zwei Zeichnungen des bedeutenden Vertreters des deutschen Realismus des 19. Jahrhunderts, Adolph von Menzel (1815–1905). Das Blatt von 1875 zeigt eine Baustellen-Situation im öffentlichen Straßenraum der Ende des 19. Jahrhunderts prosperierenden Großstadt Berlin. 1916 erwarb Max Liebermann (1847–1935) die Zeichnung bei dem Berliner Kunsthändler Paul Cassirer. Bis 1932 ist die Arbeit über Fotografien aus den privaten Wohnräumen des Künstlers bei Max Liebermann nachweisbar. Zwischen dem letzten Nachweis 1932 und dem Verkauf an das hallesche Kunstmuseum fehlt jeder Beleg für den Verbleib des Blattes. Da der 1935 verstorbene Max Liebermann zu Lebzeiten immer wieder auch Werke aus seiner privaten  Kunstsammlung verkaufte, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass das Kunstmuseum die Zeichnung eventuell von einem anderen Einlieferer als Max Liebermann bzw. ab 1935 dessen Witwe Martha Liebermann (1857–1943) über die Hamburger Galerie Commeter erwarb. Da das Archiv der Hamburger Galerie im Zweiten Weltkrieg zerstört worden ist, liegen keine Informationen vor, in wessen Auftrag die Galerie das Blatt an das hallesche Kunstmuseum verkaufte.

Da es satzungsgemäßer Auftrag der das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) treuhänderisch verwaltenden Kulturstiftung Sachsen-Anhalt ist, das Stiftungsvermögen auf Dauer zu bewahren und zu erhalten, hatte das Kuratorium der Kulturstiftung den Stiftungsvorstand autorisiert, die unabhängige Beratende Kommission anzurufen und um eine Empfehlung zur Frage der Rückgabe des Kunstwerks an die Erben nach Martha Liebermann zu bitten.

Am heutigen Nachmittag hat die unabhängige Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, ihre Empfehlung zum Umgang mit einer Zeichnung von Adolph von Menzel aus der ehemaligen Sammlung des jüdischen Künstlers und Kunstsammlers Max Liebermann bekanntgegeben. Sie empfiehlt, die Zeichnung an die Erben nach Martha Liebermann zu restitutieren.

Die Aufgabe der Beratenden Kommission NS-Raubgut ist es, bei Meinungsverschiedenheiten über NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zwischen den heutigen Besitzern und den damaligen Eigentümern bzw. deren Erben zu vermitteln, wenn dies von beiden Seiten gewünscht wird.

Im Text der Empfehlung der unabhängigen Beratenden Kommission heißt es:

Nach Auffassung der Beratenden Kommission NS-Raubgut ist die Zeichnung Adolph von Menzels, Bauarbeiter, an die Anspruchstellenden als NS-verfolgungsbedingt
entzogenes Kulturgut zu restituieren. Die Rechtsnachfolge der Anspruchstellenden nach Max und Martha Liebermann wurde festgestellt.
Maßstab für die Beurteilung des Sachverhalts ist nach der Verfahrensordnung der Beratenden Kommission NS-Raubgut i. d. Fassung vom 2. November 2016 die Handreichung zur Umsetzung der „Erklärung der Bundesregierung,  der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom Dezember 1999 (Neufassung 2019).

Dr. Christian Philipsen, Vorstand der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt: „Wir bedauern das dem jüdischen Ehepaar Max und Martha Liebermann im Nationalsozialismus angetane Unrecht und erkennen dies ausdrücklich an. Wir akzeptieren die Empfehlung der unabhängigen Beratenden Kommission. Die Zeichnung von Adolph von Menzel wird an die Erben nach Martha Liebermann restituiert.“

Der Direktor des Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale), Thomas Bauer-Friedrich, ergänzt: „Gleichzeitig werden das Kunstmuseum und die Vertreter der Erben nach Martha Liebermann über eine faire und gerechte Lösung zum Verbleib des Blattes beraten, da die Erben bereits signalisiert haben, einen Weg zu suchen zu wollen, wie die Zeichnung dauerhaft in der Sammlung des Kunstmuseums des Landes Sachsen-Anhalt verbleiben kann.“

 

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