Ein fremder Zauber – oder nur ein Scherz?

19. Februar 2018 | Nachrichten | 7 Kommentare

Da war doch kürzlich dieser 14. Februar. Mein Liebster hat mir eine feine Blume auf den Tisch gestellt, exotisch und schön, finde ich. Wie heißt sie nochmal? Helft mir doch beim Nachdenken.

Ich finde, sie strahlt eine göttliche Kraft aus, gerne möchte ich darauf Einfluss nehmen, mit mir unbekannten Kräften… Wobei, so schwierig ist das nicht: Ich kann sie zum Erblühen bringen, oder aber auch eintrocknen lassen – bin ich nicht weise? (Abstruse Sätze – worauf möchte uns der Autor lenken, welchen Begriff umschreibt er hier nur?)

Auch meiner alten Freundin Christel, die mich überraschend besucht, liegt der Name auf der Zunge, doch „er verbalisiert sich nicht“. Sie mustert dagegen den Fruchtstand interessiert und eingehend. „Sag mal, erinnert der Dich nicht auch an….?“, hebt sie an. Stopp, Christel! Wo Dich Deine Gedanken wieder hinführen…. Ich kenne sie, das erspare ich mir lieber. Okay, irgendwie hat sie ja Recht, aber sie muss dieser schönen Pflanze doch nicht gleich ihre ästhetische Unschuld nehmen. Ich dagegen erkenne, wenn ich von oben auf die Schönheit blicke, eine Herzform – und freue mich doppelt über den Valentinsgruß.

Irgendwas erinnert Christel nun an einen Weihnachtsstern, den botanischen wohlgemerkt, und sie fängt an zu philosophieren, über unscheinbare Blütenstände und einem Cyathion, das sowohl männliche als auch weibliche Merkmale trägt… Ihr Thema. Aber woher hat sie dieses Wissen nur? „Ach, weißt Du, ich bilde mich auf HalleSpektrum.“ Na, da schau an! Ich bin beeindruckt und zugleich beschämt, dass ich mich nicht an den von ihr erwähnten Artikel erinnere. Aber ob Christel mich mit ihren Kenntnissen nicht fehlleitet? Das mit den Hochblättern erscheint mir noch plausibel. Naja, ich werde mich kompetent an digitale Hilfsmittel wagen und mit meinen Stichpunkten eine Datenlawine lostreten. Ich werde meine Suche jedoch rational fokussieren, mich nicht ablenken lassen, mich vielleicht auch an ein Botanikerforum wenden und höflich-kultiviert nachfragen, ohne dabei eigene Daten preiszugeben. Ich bin sicher, dass ich mein digitalisiertes Umfeld für meine Nachforschungen erfolgversprechend einzusetzen weiß – nachdem ich mir mit Christel analog wesentliche Fragestellungen erarbeitet habe.

Was werde ich finden? Den Namen der Gattung und auch der Art, damit auch die ursprüngliche Heimat der Pflanze, und natürlich die Fachbegriffe für das, was Christel bewundert hat. Wissen möchte ich auch, wie lange das Geschenk eigentlich blüht, und wie ich es auf Deutsch benennen kann. Vielleicht ist jemand mit den Antworten schneller als ich?

(A.S.)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Spaß bei den Skythen im Partyzelt“) : Cannabis sativa, Hanf, Marihuana.

 

So zart und unscheinbar der Sämling ist, um so mehr hat es die ausgewachsenen Pflanzen in sich: Cannabis sativa, die Hanfpflanze.

Aus dem Sämling wächst innerhalb einer Vegetationsperiode eine 3-4 Meter hohe Pflanze heran. Die  Heimat von Cannabis ist Zentralasien, die genaue Herkunft ist jedoch nicht mehr festzustellen, denn wegen ihrer Inhaltsstoffe und ihres schnellen Wuchses wurde sie schon früh in die menschliche Kultur genommen, auch im hiesigen Mitteleuropa war ihr Anbau bedeutend. Hier interessierte man sich für den Hauptbestandteil der Pflanze, die Cellulosefasern. Um sie zur Herstellung zugfester Seile und grober Textilien zu gewinnen, erntete man die meterlangen Stängel, warf sie in eigens dazu angelegte Teiche und überließ sie der Rotte. Dabei wurden die Begleitstoffe der Pflanze auf biologischem Wege schnell abgebaut, während die Fasern übrig blieben, die man anschließend bleichte und  zu Garnen und Seilen weiter verarbeitete. Ende des 19. Jahrhunderts kam der Anbau von Hanf in Deutschland langsam zu erliegen – der Grund war, dass man weniger Hanf benötigte, denn ein großer Teil des Hanfverbrauchs ging in die Takelage der Segelschiffe.

Interessanter – und bis heute natürlich heiß diskutiert und kriminalisiert, sind die Inhaltsstoffe Tetrahydrocannabinol und ihre Derivate als Rauschmittel. Sie werden vorwiegend in den weiblichen Blüten des Hanf, und hier vorwiegend in der Variante Cannabis indica, produziert (Es gibt mehrere Unterarten von Cannabis sativa etwa die var.  -indica (gedrungener Wuchs, viel THC) – ruderalis (widerstandsfähig, etwa anderes Wirkstoffspektrum pp). Die getrockneten Blüten sind das Marihuana, das enthaltene Harz allein ist das Haschisch. Die lange Geschichte des Drogengebrauch, des Verbotes von Cannabis als Rauchdroge seit 1929, den heutigen Streit um Legalisierung, Nutzung als Heilmittel usw – den lassen wir hier heraus. Botanisch interessant ist, dass nur die weiblichen Blüten, und zwar vor ihrer Befruchtung, die berauschenden Cannabinole enthalten. Marihuana-Anbauer fürchten daher die gegenwart männlicher Cannabispflanzen in der Kultur wie der Fischzüchter den Hecht im Forellenteich.

Wer Marihuana zu Drogenzwecken anbaut (hierzulande (noch?) verboten!), legt darauf Wert, die Sämlinge frühzeitig auf männliche Blütenansätze zu kontrollieren und zu entsorgen. Oder sie verwenden „feminisierte“ Hanfsamen vom „Spezialhändler“. Feminisierte Samen sind solche, aus den garaniert nur weibliche Pflanze hervorgehen. Wie geht so etwas? bei der Produktion feminisierter Samen macht man sich eine Eigenschaft zu nutze, dass weibliche Pflanzen manchmal die Neigung haben, zu „zwittern“, das heißt, sie bilden auch männliche Blütenstände aus. Die entwickeln dann Pollen, die aber ausschließlich X-Chromosomen enthalten. Befruchten sie eine weibliche Blüte der selben Pflanze, können daraus nur weibliche, also XX-Samen, entstehen.

Dann hatte wir noch nach dem Irrtum des Herodot gefragt: Die Samen enthalten keine Cannabinoide mehr. Deshalb sind sie auch ganz legal in Zoohandlungen als Vogelfutter erhältlich (in der Regel THC-freie Nutzhanfsorten, deren absichtlicher Anbau aber ebenfalls untersagt ist). Was die Skythen zum Heulen unter dem Zelt gebracht hat, dürften schon potente Hanfblüten oder Haschisch gewesen sein. Jüngst wurden archäologisch in einem 2500 Jahre alten bronzezeitlichen Grab in der Nähe von Turfan (Nordwestchina) gut erhaltene, potente Büschel mit weiblichen Hanfblüten gefunden:
https://news.nationalgeographic.com/2016/10/marijuana-cannabis-pot-weed-burial-shroud-china-ancient-discovery-scythians-turpan-archaeology-botany/

In Mitteleuropa sind die Erhaltungsbedingungen für derartige organische Reste in der Regeln nicht so gut, und bis zu einem entsprechenden Fund dürfen wir uns fragen: was haben die Himmelsscheibenpriester geraucht ?

(H.W.)

 

Print Friendly, PDF & Email
7 Kommentare

Kommentar schreiben