Vogelzug & Klimawandel

19. März 2022 | Bildung und Wissenschaft, Natur & Gesundheit | Keine Kommentare

 

Die schleichende Klimaveränderung beschert uns immer häufiger milde Winter. Frühlingshafte Temperaturen erwecken die Natur früher aus der Winterruhe. Was so harmlos klingt, hat jedoch enorme Konsequenzen für über lange Zeiträume gewachsene und bewährte Ökosysteme. Die Klimaveränderung mit den in kurzer Zeit global gestiegenen Temperaturen bringt viele Ökogefüge aus der Balance. 

„Alle Vögel sind schon da“ dichtete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874) in einem bekannten Kinderlied, mit dem man freudig die Rückkehr der Zugvögel zum Frühlingsbeginn begrüßte. Futtermangel zwang sie, insbesondere die Insektenfresser unter ihnen, abzuwandern. Aber längst nicht mehr alle Zugvögel verlassen uns im Herbst und kehren im Frühjahr zurück. Stare, Singdrosseln, Hausrotschwänze z.B. bleiben immer häufiger. Andere, wie die Störche, ersparen sich die weite gefährliche Reise  ins südliche Afrika und überwintern bereits auf halber Strecke in Spanien. Sie finden im Winter genug Futter auf den spanischen Müllhalden. Da Vögel ihre Körpertemperatur hoch halten können und sich mit einem wärmenden Federkleid schützen, können sie die kühle Winterzeit meist gut überstehen.

Früher konnte man den Kalender nach den Abflug- und Ankunftszeiten der Zugvögel stellen. Eine innere Uhr und die Wahrnehmung subtiler Tageslängenänderungen signalisieren den Zugvögeln, wann es Zeit ist abzuwandern bzw. die afrikanischen Winterquartiere wieder zu verlassen. Je weiter ein Vogel ziehen muss, desto früher bricht er auf. Wie schnell er dann tatsächlich zu uns zurückfliegt, hängt von den angefressenen Reserven und von den Temperaturen sowie dem daraus resultierenden Nahrungsangebot entlang seiner Reiseroute ab. Gefährlich bleibt die Reise durch Zerstörung von Rastgebieten, Bejagung und Ausdehnung der Sahara.

Viele Zugvogelarten haben sich rasch an den Klimawandel angepasst. Durch die Fähigkeit zu solchen Anpassungen haben sie sich im Verlaufe ihrer Evolution ja Regionen bei uns erschlossen, in denen das Klima im Jahresverlauf gewöhnlich stark schwankt. Mehlschwalben treffen jetzt z.B. ca. 10 Tage früher aus dem Winterquartier bei uns ein. Man hat beobachtet, dass pro 1°C Temperaturerhöhung im Zuge der Klimaveränderung sich die Heimkehrzeit vieler Zugvögel um 2-3 Tage verfrüht. Zugvögel haben häufig den Termin ihrer Rückkehr auf die Verfügbarkeit von Futterinsekten abgestimmt. Ist diese Synchronisation nicht mehr gegeben, gefährdet das den Bruterfolg. Jene Zugvogelarten, deren Zugverhalten insbesondere durch ihre innere Uhr gesteuert wird, die genetisch fixiert sind, treffen klimatisch gesehen verspätet bei uns ein, wenn verschiedene Futterinsekten (z.B. Raupen) ihr Populationsmaximum bereits überschritten haben. Das Nahrungsnetz ist aus dem Takt. Die Vögel haben dann Probleme mit der Eiproduktion und dem Füttern der Nachkommen. 

Bienenfresserpaar

Der Kuckuck kehrt fest programmiert Mitte April aus seinem Überwinterungsgebiet zurück. Er legt seine Eier in fremde Nester. Das klappt aber nicht mehr so gut, weil Wirtsvögel, wie der Teichrohrsänger, vom Klimawandel beeinflusst, verfrüht aus ihrem Winterquartier zurückgekehrt sind, bereits brüten und den Betrug bemerken. Das hat inzwischen zu einer erheblichen Reduktion der Kuckuckpopulation geführt. Bienenfresserpopulationen dagegen profitieren vom Klimawandel. Sachsen-Anhalt beherbergt bereits etwa die Hälfte des deutschen Brutbestandes dieser bunten Höhlenbrüter.

(H. J. Ferenz)

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