So eine blöde Gans: wenn Weihnachten zur bitteren Farce wird

16. Dezember 2019 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Dabei war eigentlich alles wie immer: die vorweihnachtliche Tafel gedeckt, Tante Ottilie hatte die silbernen Untersetzer geputzt und das gute Porzellan aus Kahla auf den Tisch gestellt. Die Gäste waren eingetrudelt, Vetter Hans aus dem Westen, die Enkel Sascha und Heinz-Rüdiger.  Auch  Herrman und Ottfried hatten es sich nicht nehmen lassen, und Ehemann Onkel Klaus-Dieter hatte  wieder die ihm jedes Jahr zu teil werdende Aufgabe wahrzunehmen: den von Ottilie aufgetragenen Vogel zu tranchieren, während sich die Gäste bereits Rotkohl und Klöße aufgaben. „Wie immer?“ hatte Hans gefragt, ein Ritual, diese Frage, denn „natürlich wie immer, nach altem Rezept unserer Familie, du weißt doch:  Gefüllt mit Äpfeln und Brot, kein Schnickschnack, kein Kokos, kein Orangenzeugs und kein Curry, sondern so, wie seit alters her. Und selbstverständlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, Klaus-Dieter wieder im Sommer hinaus in die Botanik zu schicken, um ..“

“ Ja, wie immer einfach, das Zeugs wächst am Wegesrand, da wo die Hunde düngen, nicht weit vom Haus“ knurrte Klaus-Dieter, dem solche albernen Pflichtaufgaben, die im seine Frau „seit alters her“ auftrug, immer schon leidlich lästig gewesen sind. Hans fischte mit Kennerblick ein paar verschmorte Stängelchen aus der dampfenden, matschigen Brot-Apfel-Füllung: „ahh, ich sehe“…

„Sieht aus wie gepanschtes Dope“ befand Hans-Rüdiger.

„Das gehört sich so, zumindest besteht unsere Großtante Ottilie darauf, das ist eine alte deutsche Tradition“, versuchte West-Hans die despektierliche Bemerkung des pubertierenden Herrn Sohnemann zu übergehen. „Da sind Stoffe drin, die den Braten würzig und sehr bekömmlich machen“, dozierte er. „Viele dieser Wirkungen lassen sich durch die Bitter- und Gerbstoffe erklären, sagte er. „dazu kommen ätherische Öle, wie  Campher, Thujon und Linalool“.

„Jaja, der Chemiker mal wieder, bemerkte Tante Ottilie. „Früher haben wir jungen Mädchen uns das Kraut in die Schuhe gelegt, damit sie beim Tanzen nicht schmerzen, ergänzte Ottilie. „Und es ist das Jungfernkraut, wir gürteten es uns in der Johannisnacht um die Hüfte, um damit gewisse Wirkung zu erzielen“, fügte die alte Tante unter leichtem Erröten hinzu.

Die Kinder hatten bereits den ersten Bissen genommen, ihre Gesichter verzogen sich vielsagend. „Ähh, das schmeckt Scheiße !“  entfuhr es den Kindern wie aus einem Munde. Sascha hatte als erster die Klotür erreicht, Heinz Rüdiger stürmte zum Wasserhahn“. „He, was soll das Theater“, rief Hans den Bengel hinterher, bis auch ihm die allzu gesunden Bitterstoffe die Rezeptoren im Munde veranlassten, Katastrophenalarm auszulösen. Die Tante schrie auf- auch sie hatte mittlerweile den ersten Bissen  im Munde zergehen lassen, der aus dem Nichts heraus in ein gallebittere Vorahnung der Hölle mutierte: hier muss es mit dem Teufel zugegangen sein .

Ein Verdacht stieg in ihr gleichzeitig mit dem Mageninhalt auf. Als auch sie nach gründlicher Reinigung wieder am Tisch saß, richteten sich ihre finsteren Augen auf ihren Ehemann: „Sag mal, Klaus-Dieter: wie sah denn dass Kraut aus, das du da mitgebracht hattest? Hatte es auch rote Stängel? “
„Na wie immer, Stängel, weiß nicht, aber so wie immer halt. …“ entgegnete der Gefragte kleinlaut.

Ihr, liebe Leser, werdet wahrscheinlich schon Eure Vermutungen haben, was da beim weihnachtlichen Braten ordentlich schief gegangen ist. Womit hat Klaus-Dieter unsere gesuchte Pflanze verwechselt?

Als Hilfestellung: die Pflanze, die wir suchen, hat einen Doppelgänger. Den Doppelgänger hatten wir schon einmal als Pflanze der Woche vorgestellt. Unsere Gesuchte, ist ein durchaus traditionelles Gewürz, das aber eben nicht so Gallebitter ist, wie ihr Doppelgänger. Sie kommt kommt an Wegrändern und in Ödland als Stickstoff liebendes „Unkraut“ vor. Im Mitteldeutschen Trockengebieten teilt sie sich dummerweise ihr Habitat mit ihrem bitteren Doppelgänger, und zwar um so mehr, wie die Sommer in Folge des Klimawandels immer trockener werden. In unserem Beitragsbild, dessen Vorlage wir am Stadtrand von Halle aufgenommen haben, sehen wir den üblen Doppelgänger links im Bild, während unsere gesuchte Pflanze auf der rechten Seite zu erkennen ist.

Unsere Fragen:

  • wie heißt die gesuchte Pflanze?
  • Was tun wohlerzogene Hunde, wenn man sie mit dem deutschen Pflanzennnamen ruft?(HW)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Goethe und die vegetative Vermehrung“): Kalanchoe pinnata (ehemals Bryophyllum calycinum), „Wunderblatt“, „Goethe-Pflanze“

Viele Pflanzen kann man ganz gut ohne Samen vermehren, z.B. durch Stecklinge.  Bei der beschriebenen Kalanchoe funktioniert das besonders gut. Wie Gork vom Ork richtig anmerkt, kann man beim Wunderblatt beobachten, dass die Pflanze an den Blatträndern zahlreiche bewurzelte Mini-Pflänzchen ausbildet, die bereits bewurzelt sind. Diese Kindl wachsen nach dem Abfallen rasch an. Dieses Klonen könnte die Pflanze aber rasch in eine evolutive Sackgasse führen. Durch Beibehaltung der geschlechtlichen Fortpflanzung durch Samen wird das aber vermieden.

(Hans Ferenz)

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