Schön. Stinkt. Selten.

6. Februar 2023 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Heute gilt es, eine stattliche aber seltene, über einen halben Meter hohe Orchidee zu erraten, die auf nährstoffarmen, kalkhaltigen, sehr warmen Standorten vorkommt. Nachgewiesen ist sie u.a. auch regional in den Toten Tälern und im Leutratal. Durch eine ganze Reihe von Merkmalen unterscheidet sich die Rätselorchidee von anderen europäischen Orchideen. So ist den meisten Arten ein unangenehmer Ziegenbockgeruch eigen. Aus früheren Zeiten wird berichtet, dass man es in einem Zimmer nicht aushalte, wenn besagte Orchideen in der Vase seien. Natürlich gehört sie aber auch nicht in die Vase. 

Die Gattung, zu der unsere gesuchte Orchidee gehört, umfasst mehrere Arten. Alle Arten sind von den Kanaren bis zum Kaukasus-Gebiet beheimatet. Carl von Linné beschrieb die Pflanze 1753 unter dem Namen Satyrium spec.. Mehrere Orchideengattungen hießen in der Antike und im Mittelalter „Satyrium“ – benannt nach dem Satyrn, einem waldbewohnenden, tiergestaltigen Fruchtbarkeitsdämon der griechischen Mythologie, der zum Gefolge des Dionysos gehörte. 1826 wurde Klarheit geschaffen, indem zwei Begriffe im deutschen Namen  ins Griechische übersetzt den heutigen Artnamen ergaben. Der deutsche Name existierte vor dem botanischen. Früher hielt man alle Orchideen für samenlose Pflanzen, die dort erschienen, wo bei der Paarung von Tieren Sperma herabtropfte. Für unsere unbekannte Art wurden Ziegen verantwortlich gemacht. „Von ihnen geht nicht nur ein starker Bocksgestank aus“ schrieb der Frühbotaniker John Parkinson 1640 in seinem Werk „Theatrum Botanicum“ über die Blüten, „die meisten haben auch lange Schwänze, die aussehen wie Ziegenbärte“. Der Blütenstand ist reichblütig mit braungrünen Blüten. Sie haben zungenförmige, bis zu 8cm lange, spiralig gedrehte Mittellappen. Bestäuber sind Wildbienen. Die Samen sind kleine Körnchen, die keinerlei Nährgewebe enthalten.  Die Keimung erfolgt nur bei Infektion durch einen Wurzelpilz.

Die wärmeliebende, frostempfindliche Art wird durch milde Winter und steigende Durchschnittstemperaturen begünstigt und  gehört so zu den wenigen Orchideenarten, welche sich ausbreiten und häufiger werden. 

Der Ziegenbock-Geruch wird auf den Gehalt von Karbonsäure zurückgeführt. Carbonsäuren sind schwache, organische Säuren. Sie kommen z.B. in den Giftsekreten der  Ameisen und Laufkäfer, in Brennesseln und Tannennadeln vor.

Wie heißt die gesuchte Orchidee?

(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Junge Frau ermordet, weil sie die Erwartung-der-Schwiegereltern-nicht-erfüllte„): Zerberusbaum,  Cerbera odallam.

Rati hatte die Lösung parat, und Nhu-Deng ergänzte: Der Zerberusbaum ist ein Baum aus der Familie der Hundsgiftgewächse (Apocynaceae). Schon der Familienname „Hundgiftgewächse“ lässt aufhorchen: viele Vertreter der Familie, so auch der Zerberusbaum, enthält Herzglycoside, die  auf das Nervensystem des Herzen wirken und tödlich giftig sein können. Im Falle des Zerberusbaums ist es das Cerberin. Die Giftwirkung hatten wir ja schon im einleitenden Text beschrieben, alle Teile sind giftig, besonders aber der Samen uund der weißliche Milchsaft .

Beheimatet ist der Baum an den Küsten Indiens, Madagaskars und im Westpazifik. Die mangoförmigen, bis 10 cm großen, glatten und wachsigen Früchte sind bei Reife rötlich. Die einzeln erscheinenden Steinfrüchte, mit zweiteiligem Perikarp, enthalten einen schwimmfähigen großen Samen mit einem holzigen, fibrösen und furchigen, dicken Endokarp, das ähnlich aussieht wie ein Bindfadenknäuel.

Der Baum wird  sowohl für Mord als auch Selbstmord genutzt. Viele Pathologen versagen bei dem Nachweis des Giftes. 75 % der Opfer sind Frauen. Dabei sind dies meistens junge Ehefrauen, die die Erwartungen ihrer Schwiegerfamilie nicht erfüllen können.

Die ersten Symptome der Vergiftung sind Übelkeit, Würgereiz, Magen-Darm-Beschwerden und Brechdurchfall. Hier würden viele Ärzte wohl eher an eine gewöhnliche Lebensmittelvergiftung oder Virusinfektion denken. Dann aber kommt es zu Herz-und Atembeschwerden, und nach etwa 6 Stunden tritt der Tod ein.

Wie kommt der Baum nun zu seinem Namen? Cerberus ist nach den Sagen des klassischen Altertums ein dreiköpfiger Höllenhund. Er bewachte den Eingang der Unterwelt. Die letzte der zwölf Heldentaten des Herkules war, den Hund aus der unterwelkt zu bändigen und zu entführen. Auf dem Kupferstich des Hans Sebald sieht man die Szene, wie der arme Hund an einem dreifachen Halsband in Ketten aus der Hölle gezogen wird. Der Löwenschwanz allerdings gehört zur Bekleidung des Herkules, einem Löwenfell.

(HW)

 

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