Rosa und kein Ende

14. August 2023 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Dr. Dall, Leiter der Bildstelle bei der Hallespektrum-Pflanzenredaktion, war mal wieder verzweifelt. „Der Fachkräftemangel wird uns noch das Genick brechen“, jammerte er. Die Grafikerin Sylvia hatte zwar für die Pflanze der Woche eine Grafik hinterlegt, bevor sie in den Urlaub gegangen war. Im Anschluss daran hatte sie einen Antrag auf Teilzeit gestellt, „wegen der Work-Life-Balance“ und weil sie sich irgendwie sowieso in ihrem Job irgendwie nicht so wiederfinden könne. Das Werk, das sie abgeliefert hatte, gefiel Dr. Dall auch nicht. Seit diesem Barbie-Hype immer und überall diese Kitschfarben in Pink und hellblau. Der Chef fand das nur noch albern, und außerdem: es sollte doch ein Rätsel werden, und mit dem Bild erkennen die Leser doch sofort, was gesucht wird, vermutete er – wohl zu recht. Auch, weil dieses Pink (hatten wir nicht schon furchtbar viele Pflanzen, bei denen es sich irgendwie immer um rosa drehte ?) schon sehr typisch ist für diese Pflanze. So sehr, dass die Franzosen eine Modefarbton nach ihr benannt haben.   Und gab es da nicht auch diesen britischen Chemiestudenten, der eine solche Farbe aus Steinkohleteer gekocht hatte, und die Farbe danach benannte? und dann auch noch sein Studium abbrach, wohl auch wegen der Work-Life-Ballance?

Sylvias Pflanzenbild in Pink und Blau

Dr. Dall beschloss, die Arbeit lieber von einer KI machen zu lassen, von menschlichen Angestellten hatte er einfach die Nase voll, und außerdem hoffte er, auch selber so früher Schluss machen zu können. Den „promt“ hatte er schnell gesetzt, die KI-Maschine aus San Franzisko antwortete schnell, schickte mehrere Bilder zur Auswahl. Das Ergebnis war allerdings verstörend: Sie hatte Bäume gemalt – der Rinde nach zu urteilen, waren es wohl Pappeln – an denen Käsestücke geklebt waren.  Nu ja, dann vielleicht doch lieber das Pink-Bild. Den Text sollte er auch noch machen, er, der von Schreiben keine Ahnung hatte. Aber der Textredakteur Heino war auch in Urlaub, wenigstens hatte er die nervige Elfriede mitgenommen. „Text? Ach komm, machen wir mit KI“. Und schon flatterten die Buchstaben über den Bildschirm des lustlosen Angestellten: „In Mitteleuropa ist eine weit verbreitete und allgemein bekannte Pflanze zu finden, die für ihre hübschen Blüten und ihre zarten Blätter geschätzt wird. Diese Pflanze kann eine beträchtliche Höhe erreichen und wächst oft in offenen Gebieten wie Wiesen, Straßenrändern und Gärten. Die Blüten zeichnen sich durch eine angenehme Farbpalette aus, die von blassen bis hin zu lebendigen Tönen reicht. Insgesamt verleiht diese Pflanze der Umgebung, in der sie wächst, eine gewisse Anmut und Naturschönheit.“

Die KI produziert nur Käse

„Geht es nicht etwas genauer ?“ klapperte Dr. Dall in die Tasten und erhielt auf seinen energischen Promt auch promt Antwort:

  1. Blätter: Die Blätter sind herzförmig bis leicht gelappt und haben eine leicht behaarte Oberfläche. Sie wachsen wechselständig entlang der Stängel.
  2. Blüten: Die Blüten sind trichterförmig mit fünf Blütenblättern und haben eine Farbpalette, die von blassrosa bis hin zu purpurfarben reichen kann. Die Blüten haben oft dunklere Streifen oder Adern, die von der Mitte der Blüte ausstrahlen.
  3. Stängel: Die Stängel sind leicht behaart und können eine beachtliche Höhe von 30 bis 100 cm erreichen.
  4. Früchte: Die Früchte sind kleine runde Kapseln, die sich nach der Blüte bilden und die Samen enthalten. Diese Kapseln ähneln in gewisser Weise einem Käselaib.
    Habitus: Die Pflanze hat eine aufrechte Wuchsform und bildet oft eine buschige Ansammlung von Stängeln und Blättern.

Auf die Frage, ob man die Pflanze essen könne, kam Folgendes: „Sowohl die Blätter als auch die jungen Triebspitzen sind essbar und können in der Küche verwendet werden. Die Blätter sind mild im Geschmack und können roh in Salaten verwendet oder gekocht ähnlich wie Spinat zubereitet werden“

Und dann erhielt er auch noch eine Auskunft, die in keinem traditionellen Naturkundebuch fehlen durfte, die nach der Heilwirkung:

„Verschiedene Teile der Pflanze, insbesondere die Blätter und die Blüten, haben medizinische Anwendungen. Hier sind einige der traditionellen Verwendungszwecke:

  1. Schleimlösend und entzündungshemmend: Die Blätter enthalten Schleimstoffe, die beim Husten und bei Atemwegsbeschwerden lindernd wirken können. Sie können bei der Linderung von Reizhusten und trockenen Schleimhäuten helfen.
  2. Magenschutz: Die schleimigen Inhaltsstoffe können eine beruhigende Wirkung auf den Magen-Darm-Trakt haben und bei Magenschmerzen oder Entzündungen helfen.
  3. Hautprobleme: Äußerlich angewendet kann der Schleim bei Hautproblemen wie leichten Verbrennungen, Hautreizungen oder Insektenstichen lindernd wirken.

„Prima“, fand Dall, fertig ist die Lauge, und machte sich auf den Heimweg, seine Leser wahrscheinlich nicht ganz ratlos zurücklassend.

Also:

-um welche Pflanze handelt es sich?

– das wissenschaftliche Art-Epitheton (also der Nachname) enthält einen Rechtschreibfehler, der offenbar einem Botaniker passiert ist, der wohl schon in der Schule den letzten Tag des Jahres falsch geschrieben hat. Wo ist der Fehler?

– der britische Chemiestudent: Wie hieß er, was hat er erfunden und warum hat er sein Studium geschmissen?

was soll der Käse ?

-und was haben Pappeln damit zu tun?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Feuer im Barbieland“): Gewöhnlicher Erdrauch, Fumaria officinalis

NhuDeng schrieb ganz richtig: „Der Gewöhnliche Erdrauch (Fumaria officinalis) wird vermutlich gesucht. Erdrauch enthält Fumarsäure und verwandten Substanzen wie Fumarin und Fumaricin . Fumarsäure ist ein Alkaloid. Erdrauch hat eine Wirkung auf die Funktion der Gallenblase. Albert Szent-Györgyi von Nagyrápolt erhielt 1937 den Nobelpreis für die Isolierung der Ascorbinsäure (Vitamin C) und Katalyse der Fumarsäure“. Nur mit den Alkaloiden sind wir dann etwas ins Schleudern geraten, was aber auch schwierig ist, denn diese Substanzklasse ist nicht ganz eindeutig definiert. Historisch bezeichnete man damit pflanzliche Sekundärstoffe, die eine starke Wirkung auf das menschliche und tierische Nervenzentrum entfalten können. Ursprünglich definierte man die Alkaloide als solche Substanzen, die aufgrund einer funktionellen Stickstoffgruppe alkalisch (basisch) reagierten. Beispielsweise das von Sertürner 1804 im Opium  entdeckte Morphin, aber auch andere potente Rausch- und Giftstoffe wie Atropin und  Kokain  oder auch Genussmittel wie Coffein oder den Scharfstoff Capsaicin.  Später erweiterte man den Begriff, dadurch ist er heute etwas schwammig geworden, weil einige Alkaloide nicht die ursprünglich gewählte Definition erfüllen, aber trotzdem  – z.B. wegen ihrer Wirkung – praktischerweise dazu gezählt werden.

Im Erdrauch gibt es mehrere Alkaloide, unter anderem etlichel Opioide wie das Protopin, dem eine krampflösende Wiorkung zugeschrieben wird. Erdrauch ist – wen wundert es, es ist ein Mohngewächs – gewissermaßen eine mit Opioiden randvoll gefüllte Apotheke (allerdings ohne beraucschende Wirkung, das Kraut wird ganz legal in Apotheken verkauft).

Eine weitere Wirkung kommt der kleinen und bescheidnen Fumarsäure zu, die dieser Pflanze ihren Namen verdankt (Fumaria). Sie ist kein Alkaloid und ist ganz einfach aufgebaut. Im menschlichen, tierischen und pflanzlichen Organismus kommt ihr an verschieden Stellen eine entscheidende Bedeutung im Stoffwechsel zu.

Neugierig auf mehr rätselhafte Gewächse? Alle vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr bei uns im Archiv.

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