Döner-Morde in der Blütenhecke

2. Oktober 2023 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Ende September. Bienen umschwirren die Blüten der Großen Büsche am Feldesrand. Es sind weiße Blüten, die zu dichten Trauben an den dornigen Zweigen hängen. Ein Bild, das zum Frühling passen würde – wenn der Strauch nicht gleichzeitig voll mit roten, kleinen Steinfrüchten hängen würde.  Die Situation ist ungewöhnlich, und hat möglicherweise etwas mit dem Klimawandel zu tun, der auch die mitteldeutsche Vegetation ordentlich durcheinander gebracht hat. Möglicherweise ist das den Bienen vollkommen egal, vielleicht sind sie sogar froh, jetzt zum Winter noch einmal ordentlich Nektar und Pollen tanken zu können. Möglicherweise ist es ihnen auch vollkommen gleich, um welche Art es sich bei dem Busch mit den weißen Blüten eigentlich handelt. Vielleicht fällt ihnen auf – wenn sie ein Geruchsempfinden wie wir Menschen hätten, dass die Blüten aus der Entfernung angenehm, moschusartig riechen, aus der Nähe sich aber eine unangenehme, geradezu aasartige, fischige Komponente hineinmischt. Deshalb müssen die Honiginsekten die Blüte auch mit Aasfliegen teilen, die gleichfalls an der Bestäubung des Busches mitwirken. Den Blüten wiederum ist es praktisch egal, wer sie bestäubt, denn notfalls besorgen sie es sich einfach selbst. In dem Beitragsbild sehen wir, wie die rotlippigen Pollenorgane sich auf den Stempel herabsenken – um lustvoll ihren Pollen schmatzend in die gelbliche, feuchte Narbe abzudrücken. Hier geht es um Zeit – bei dieser blumigen Gangbang kommt letztlich nur einer zum Zuge – denn in der roten Frucht wird sich nur ein einziger befruchteter Same entwickeln. Vögel lieben diese Wintersteher, sie freuen sich über die ausdauernden Früchte, wenn es kalt und ungemütlich wird. Dann werden sie gierig die rote Leckerbissen verschlingen, und die Saat aus großer Höhe anderswo wieder ablassen – so verbreitet sich unsere Pflanze.

Aber der Strauch wird nicht nur wegen seiner (für uns Menschen langweilig schmeckenden) Früchte besucht.  Dem Namen nach ist es ein mindestens neunfacher geflügelter Massenmörder, der sich Teilen des Astwerkes bedient. Hier spießt er seine Beute auf – die er dann, wie in einer Dönerbude, Stück für Stück vom Spieß ab an seine Kinder verfüttert.

Und der Mensch? Nutzt den Busch seit alters her als stachliges Heckengehölz: hier kommt kein ungebetenes Tier hinein oder hinaus. Getrocknete Früchte und Blätter wiederum sind eine medizinische Droge, die erwiesenermaßen eine positive Wirkung bei Herzinsuffizienz ausüben. Und die etwas mehlig schmeckenden Früchte wurden in Notzeiten sogar gegessen.

Manchmal bastardisiert unser Strauch auch mit einer verwandten Schwesterart – die jedoch einen „ganz kleinen Unterschied“ ihr Eigen nennt. Man sieht das, wenn man – wie in unserem Bild – mit der Lupe in die Blüte schaut. Auch die Form der Blätter kann gewisse Hinweise geben.

 

-Wie heißt unser gesuchter Strauch?

-worin besteht der „kleine Unterschied“, der ihn von seiner Schwesterart  unterscheidet?

-wer ist der erwähnte Massenmörder?

-Welchen Namen haben die Früchte im Volksmund?

 

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Sparta und die Ierendenblume“): Wir suchten die aufrechte Studentenblume, Tagetes erecta.

Elfriede hatte den richteigen Riecher, Sie antwortete : „Studentenblume, Tagetes, Gott Tages, nicht giftig, Taygetosschlucht, es gibt auch Pflanzen, die nicht 2 Geschlechter haben“

Aber der Reihe nach: Tagetes erecta, auch als Studentenblume oder afrikanische Ringelblume bekannt, ist eine Zierpflanze aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Sie ist für ihre auffälligen, großen orangefarbenen Blütenköpfe und ihr frisches Laub bekannt. Tagetes erecta ist eine einjährige Pflanze, die in verschiedenen Farbvarianten erhältlich ist, darunter Gelb, Orange und Rot. Der Gattungsnamen „Tagetes“ wurde ihr von den Botanikern des 16. Jahrhunderts verliehen. Er leitet sich von dem etruskischen Gott „Tages“ ab. Tages (auch Tarchon oder Tarchun) ist eine Figur aus der etruskischen Mythologie. Er wird oft als Gott oder Held dargestellt und spielt eine wichtige Rolle in einigen etruskischen Überlieferungen. Tages wird oft mit Weisheit und göttlichem Wissen in Verbindung gebracht und wird manchmal als Sohn oder Enkel von Tinia (dem höchsten Gott der Etrusker) angesehen. Eine der bekanntesten Geschichten über Tages ist diejenige, in der er als ein Kind oder Jugendlicher aus der Erde geboren wird und sofort über erstaunliche Weisheit und prophetische Fähigkeiten verfügt. Er bringt den Menschen das Wissen über religiöse Rituale und andere wichtige Aspekte der etruskischen Kultur bei. Die Blütenblätter der Zierpflanze enthalten das Carotinoid Lutein, das als E161 b als gelber Lebensmittelfarbstoff zugelassen ist. Lutein-haltige Nahrungsergänzungsmittel werden oft als „Augenvitalstoffe“ beworben, obwohl entsprechende gesundheitsbezogene Angaben gemäß der Health-Claims-Verordnung nicht erlaubt sind.

„Pflanzen, die nicht zwei Geschlechter haben“: hier haben wir es beispielsweise mit den „zweihäusigen“ Pflanzen zu tun. Sie tragen – pro Individuum- entweder nur männliche oder nur weibliche Blüten. Sie können sich also nicht selbst bestäuben. Die (wohl meisten) bekannten meisten Pflanzen sind dagegen einhäusig: entweder sie tragen sowohl männliche als auch weibliche Blüten auf einem Individuum, oder sie haben „zwittrige“ Blüten, d.h., männliche Organe (Staubbeutel mit Pollen) als auch weibliche (Narben) sind in einer Blüte vereint.

Interesse an noch mehr Pflanzen der Woche? Alle weiteren findet Ihr in unserem Archiv – seit 2016.

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