Hochwasser-Gedenk-Rundgang mit Presse: beredtes Schweigen um den heißen Brei

7. Juni 2023 | Politik | 2 Kommentare

Es war gewissermaßen eine Wiederholungssendung der Veranstaltung letzte Woche im Stadtmuseum (Bericht hier).  Die Einladung war dieses mal jedoch nur an die Presse gegangen. Vor den Presseleuten erschienen waren unter Anderem Bürgermeister Egbert Geier und ausübender Leiter der Stadtverwaltung, der Leiter des Fachbereichs Sicherheit, Tobias Teschner, der Direktor des Landesbetriebs Hochwasserschutz, Burkhard Henning, sein Planungsleiter Frank Friedrich, aber auch ein Vertreter der Initiative „Pro Deich“ Klaus-Dieter Weißenborn und  Steffen Eichner, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft.

Einführend beschrieb Geier seine Erinnerungen an seine Erlebnisse vor zehn Jahren, als er am Gimritzer Damm gestanden hatte. Aus allen Poren sei das Wasser aus dem Asphalt gequollen, die Straße sei ganz wackelig und weich gewesen, erinnerte er sich. Und fügte hinzu: „wo wir jetzt stehen, hätte er damals nicht stehen können, so hoch habe hier das Wasser die Straße überströmt“.

In der Tat, man hatte sich an einem eindrucksvollen Ort, der  Abzweigung „an der Wilden Saale“/“Halle-Saale-Schleife“, getroffen: Hier war vor zehn Jahren eine erhebliche Menge des Hochwasserstroms, vom Sandanger kommend quer über die Straße abgeflossen, das sich dannn Stromabwärts richtung Eissporthalle bewegte.  Nach Unterlagen der Stadt, die der Redaktion vorliegen, sollen das 10 Prozent des Hochwasserabflusses gewesen sein. Das Problem: so wird das nicht mehr passieren. Denn die Stadt Halle hat hier das Straßenniveau um einen Meter höher verlegt. Wie ein Damm  riegelt die Straße die alte Abflussrinne ab. „Wo wird das Wasser denn dann hinfließen?“  Die Frage war an den Bürgermeister direkt gerichtet, und eine weitere Frage, wie man das hochwassertechnisch bewerte, richtete sich an die Vertreter des LHW. Auch die noch nicht erledigte Absenkung des Geländeniveaus der alten Eissporthalle, wie im Plangenehmigungsverfahren gefordert, wurde angesprochen.

„Man wolle vielleicht erst einmal Fragen sammeln, und sicher könne man vieles im Rahmen des Spaziergangs erklären“ hieß es dann seitens des Bürgermeisters.  Aber erst einmal wurde  Klaus-Dieter Weißenborn noch ausreichend Zeit eingeräumt, sein Engagement für den Hochwasserlehrpfad zu erläutern. Dann trudelte man mit der Journalistenschaar weiter, flanierte über die Gutsbrücke und weiter über die Peißnitz, und machte mit der flachen Hand viele Handzeichen: vor der Brust, vor der Stirn oder Überkopf, so weit die Arme reichten, so hoch habe das Wasser gestanden. Am Peißnitzhaus erläuterte der Vorsitzende des Betreibervereins, Roland Gebert, die Schwierigkeiten nach dem Hochwasser und lobte die freiwilligen Helfer sowie  die finanziellen Hilfen aus dem Fluthilfeprogramm. Klaus-Dieter-Weißenborn führte nun seine letzte Errungenschaft vor: eine Säule am Peißnitzhaus, auf der alle historischen Hochwassermarken angebracht waren, so weit man diese ermitteln konnte. Auf halber Höhe die Marke für 2013, in doppelter Höhe die von 1595 und 1799. Ein Hochwasser dieser Höhe würde auch das Ende von Halle-Neustadt bedeuten, es würde die Krone der neuen Schutzmauer locker um zwei Meter überspülen. Immerhin: katastrophale Hochwasserereignisse könnten zwar  niemals ausgeschlossen werden, erklärte Burkhard Henning. Allerdings seien mittlerweile die Vorwarnzeiten deutlich länger, weil man heutzutage auch – anders als noch 2013 – die Zuströme von Nebenflüssen und Vorflutern messtechnisch besser erfassen und resultierende Pegel berechnen könne.

Fragen an die Stadt bleiben unbeantwortet

Endlich kam auch Katrin Moeller zu Wort, Sprecherinn der Interessengemeinschaft Hochwasserschutz Halle. Sie bemängelte die andauernde „Hochwasserdemenz“ der politisch Handelnden in der Stadt. Sie fragte, welche  Gesamtstrategie die Stadt eigentlich außerhalb des Deichbaus verfolge. Sie kritisierte nicht nur die Erdaufschüttungen und Geländeanhebungen. Während die Neustadt jetzt sicher geschützt sei und dort Neubaupläne entwickelt werden könnten, werde weiter mitten im Überschwemmungsgebiet entlang der Saale gebaut, etwa am Sophienhafen Süd. Dort soll entgegen der ursprünglichen Pläne stark verdichtet gebaut werden und 135 neue Familien mit ihren 200 Autos mitten im Überschwemmungsgebiet angesiedelt werden. Alle 30 Jahre seien sie dann auf die Hilfe von Rettungskräften und hilfsbereiten Menschen angewiesen und auf die Förderung aus Steuermitteln zur Behebung von Schäden – weil die Stadt Halle (Saale) nicht aus ihren Fehlern lernen wolle. Noch viel wichtiger wären Ideen und Pläne, wie etwa  die Stromversorgung im Hochwasserfall gewährleistet werden könnte. Dies seien essentielle Voraussetzungen für jedweden Schutz und für die Kommunikation mit den Betroffenen im Hochwasserfall. Man habe zwar einige Anschlüsse höher gelegt – der Strom werde jedoch weiterhin abgeschaltet werden, befürchtet sie, weil es kein Gesamtkonzept gebe.

Antworten gab es auch hier keine, und die Veranstaltung, die ja eigentlich Gelegenheit zu kritischen Fragen der Presse und Öffentlichkeit bieten sollte, verfloss im Sonnenschein und freundlichen Worten.

Print Friendly, PDF & Email
2 Kommentare

Kommentar schreiben