Startseite Foren Halle (Saale) Kommentare bei der MZ abgeschaltet?

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  • #96893

    @heiwu : für diesen sonnenstrahl durch den trist-grauen service-wolken behangenen himmel bin ich auch dankbar! schmälert dennoch nicht das versagen seitens bezahlten mz-kontingents.

    #96897

    Du zahlst für das MZ-Web? Meine Hochachtung, ich hab das immer für lau genutzt…

    #96901

    @schulze : nee, keineswegs! ich bezog das auf die dort für entgelt arbeitenden. etwas militärischer jargon, in anlehnung an „truppenkontingent“, jenewelche im sinne von irgendeiner „sache“ fallen werden…

    #96902

    ..aber ich würd gern etwas für eine gutgemachte lokalzeitung geben, genauso wüsste ich es zu schätzen , wenn online alles (oder zumindest schon mal mehr als bisher) knorke wäre.

    #97780

    Es würde mich nicht wundern, wenn die MZ früher oder später Insolvenz anmeldet. Der Printmarkt und die Werbeeinnahmen sind seit Jahren rückläufig.

    #98126

    @sommerwind: super!
    @sfkonline : so ein quatsch! die mz-radpartie boooooomt sooooo sehr, dass die eingentlich online und print einstellen könnten und dennoch steil gehen würden…und erst die feierlichkeiten auf dem verlagsgelände..HACH!.. da beginnt bei bratwurst und doppelgänger-dance-performance der verfall…dumDIdumm

    #98811

    Die trifft mich nicht mehr. In den letzten 15 Jahren hat sich Preis der MZ verdoppelt.

    #99193

    Das, was ich öffentlich poste, kann der BND gerne in das Lagebild über die Stimmung der Bevölkerung einbauen. Dafür mache ich es ja. Wofür man dazu allerdings ein Millionen schweres Programm braucht, verstehe ich nicht.

    #99199

    Na ich will dich mal dasitzen und die Forenkommentare von mehreren Milliarden Menschen auswerten sehen.
    Es ist dir vielleicht entgangen, aber du bist nicht der Mittelpunkt der Welt. 😛

    #99217

    Ich hab heute meine vorerst letzte Ausgabe der MZ erhalten.

    #109152

    Immer noch keine Kommentarfunktion möglich.

    Wer sich die Deutungshoheit bewahren will, lässt keine Kritik zu.
    Es gab wohl zu viel Kritik über fehlerhafte Berichterstattung und tendenziöse Artikel.

    #109172

    Es lebe die Meinungsfreiheit.

    Ich empfehle mal die DWN  http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de

    Man sollte sich immer unterschiedlich Informieren. Ich benutze MZ-Web, Tagesschau, n-tv und DWN im Internet sowie Euronews und RT im Fernsehen.

    Gerade Euronews berichtet im Augenblick als einzigster direkt aus dem Gaza.

     

    • Diese Antwort wurde geändert vor 7 Jahren von admin.
    #109177

    Gerade Euronews berichtet im Augenblick als einzigster direkt aus dem Gaza.

    Danke für den Tipp, ich bin nämlich schon von Tagesschau auf ntv umgestiegen, um breiter informiert zu werden.

    #111321

    Nicht „die Zeitungen“, sondern der seriöse Journalismus ist in der Krise – und zwar ganz allein selbstverschuldet.

    #111604

    Während die MZ unnachlässig Qualitätsjournalismus betreibt, in der Art“den Angaben zufolge …”, “vorgedrungen seien sollen…”, “der Konvoi sei ….”, “die …. Streitkräfte hätten …” und- in den vergangenen Tagen gab es … wiederholt Meldungen, “wonach” …. “sein sollen”

    Wo bleibt die eigene Recherche bitte? Hätte-Sein Sollen-den Angaben-zu-Folge-Journalismus?

    Völlig richtig, auch in der Tagesschau wird man immer öfter mit dem Konjunktiv abgespeist…

    Vermutungen aller Art kann jeder XY in die Welt posaunen, das hat mit Nachrichten genau NULL zu tun. Seriöser Qualitätsjournalismus sieht jedenfalls ganz anders aus.

    #111626

    Gerade um die Pressefreiheit zu erhalten, ist ein abschalten solch oftmals politisch geleiteter Kommentare nötig.Es gilt als erwiesen, dass in Moskau eine spezielle Agentur mit hunderten von Mitarbeitern beauftragt wurde, gerade in Social Networks einseitig die Sicht Russlands getarnt als Privatmeinungen in die Welt zu verbreiten. Sicherlich haben einige Diskutanten in diesem Forum vergessen, welch ungute Rolle Russland in den 50 Jahren im gesamten Ostblock gespielt hat. In der Freiheit und im Luxus lässt es sich herrlich vom Sozialismus träumen und auf die USA schimpfen.

    #111627

    <div class=“d4p-bbt-quote-title“>Fraglich schrieb:</div>
    Während die MZ unnachlässig Qualitätsjournalismus betreibt, in der Art“den Angaben zufolge …”, “vorgedrungen seien sollen…”, “der Konvoi sei ….”, “die …. Streitkräfte hätten …” und- in den vergangenen Tagen gab es … wiederholt Meldungen, “wonach” …. “sein sollen” Wo bleibt die eigene Recherche bitte? Hätte-Sein Sollen-den Angaben-zu-Folge-Journalismus?

    Völlig richtig, auch in der Tagesschau wird man immer öfter mit dem Konjunktiv abgespeist… Vermutungen aller Art kann jeder XY in die Welt posaunen, das hat mit Nachrichten genau NULL zu tun. Seriöser Qualitätsjournalismus sieht jedenfalls ganz anders aus.

    Wir reden aber über Nachrichten. Was soll denn z.B. Berichtet werden? Wenn ihr gute Recherche wollt, schaut eine Dokumentation, kauft ein paar Bücher. Das wunderbare Internet hilft da nur bedingt, da werden Ereignisse fast live publiziert und wenn es nicht 10 min später in den Nachrichten ist, ist das Geschrei groß. Wenn im Fall von z.B. MH17 genau recherchiert wird, siehe offizieller Bericht, tobt der Mob schon nach wenigen Tagen und wir sprechen von Verschwörung…

    #111629

    Wir reden aber über Nachrichten. Was soll denn z.B. Berichtet werden? Wenn ihr gute Recherche wollt, schaut eine Dokumentation, kauft ein paar Bücher. Das wunderbare Internet hilft da nur bedingt, da werden Ereignisse fast live publiziert und wenn es nicht 10 min später in den Nachrichten ist, ist das Geschrei groß. Wenn im Fall von z.B. MH17 genau recherchiert wird, siehe offizieller Bericht, tobt der Mob schon nach wenigen Tagen und wir sprechen von Verschwörung…

    Der „Mob“ wie du es nennst, regt sich aber auch und zu Recht auf, wenn er merkt, dass er verars.ht wird. Schon als längst klar war, dass die in der Ukraine als Geiseln festgehaltenen angeblichen OSCE-Beobachter gar nichts mit dieser Organisation zu tun hatten, wurde immer noch fleißig in unseren Medien diese Bezeichnung gebraucht – ist das vielleicht auch mit Zeitdruck zu entschuldigen? Je öfter unseriöser Journalismus wahrgenommen wird, desto eher bereitet sich der Nährboden für Verschwörungstheorien.

    Schnelligkeit ist letztlich viel weniger gut bei den Rezipienten angesehen, als verlässliche Informationen ohne Manipulationsabsichten. Die Abonementen bspw. wenden sich nicht zunehmend ab, weil Zeitungen zu langsam wären, sondern weil sie immer öfter das Gefühl vermittelt bekommen, irgendwie betrogen und manipuliert zu werden. Aber offenbar muss sich diese Erkenntnis in den maßgeblichen Redaktionsstuben erst noch durchsetzen, da ist Schnelligkeit plötzlich Mangelware.

    #111630

    Gerade um die Pressefreiheit zu erhalten, ist ein abschalten solch oftmals politisch geleiteter Kommentare nötig.

    Was verstehst du denn unter dem Begriff „Pressefreiheit“?

    Es gilt als erwiesen, dass in Moskau eine spezielle Agentur mit hunderten von Mitarbeitern beauftragt wurde, gerade in Social Networks einseitig die Sicht Russlands getarnt als Privatmeinungen in die Welt zu verbreiten.

    Genau das klingt arg nach Verschwörungstheorie.

    Sicherlich haben einige Diskutanten in diesem Forum vergessen, welch ungute Rolle Russland in den 50 Jahren im gesamten Ostblock gespielt hat.

    Sicher nicht, und ebensowenig die ungute Rolle der USA zu eigentlich fast allen Zeiten und mittlerweile fast überall auf der Welt…

    In der Freiheit und im Luxus lässt es sich herrlich vom Sozialismus träumen und auf die USA schimpfen.

    Meinst du evtl. den Luxus der 0,1% der ganz „Oberen Zehntausend“, die zusammen so viel Vermögen besitzen wie insgesamt der poplige Rest der Bevölkerung?

    Und Freiheit ist im real existierenden Kapitalismus auch eher an das Vermögen gekoppelt.

    #111636

    Um mal von der globalen Systemkritik zurück zum Thema zukommen.

    Wahrscheinlich hat die MZ die Kommentare abgeschaltet, da die Moderation der Kommentare einfach zu teuer ist und keine Mehreinnahmen bei Werbung generiert. So einfach könnte das sein.

    Hier nochmal Dank an die Moderatoren des Hallespektrums für die ehrenamtliche Tätigkeit.

    #111638

    Sicher nicht, und ebensowenig die ungute Rolle der USA zu eigentlich fast allen Zeiten und mittlerweile fast überall auf der Welt…

    Geschäfte mache ich lieber mit Amerikanern, Arabern und Juden. In den ehemaligen GUS-Staaten sind die Schmiergelder exorbitant. Einen Kommunisten habe ich dort noch nicht gefunden, nur Wohnzimmerkapitalisten.

    Wollen wir die Freunde des großen sozialistischen Bruders weiter träumen lassen.

    #111641

    Nun nicht zu viel des Lobens. Manchmal schon etwas kauzig im Löschverhalten. Nicht geschimpft ist genug gelobt 🙂

    #111659

    <div class=“d4p-bbt-quote-title“>StefanH schrieb:</div>
    Gerade um die Pressefreiheit zu erhalten, ist ein abschalten solch oftmals politisch geleiteter Kommentare nötig.

    Was verstehst du denn unter dem Begriff “Pressefreiheit”?

    <div class=“d4p-bbt-quote-title“>StefanH schrieb:</div>
    Es gilt als erwiesen, dass in Moskau eine spezielle Agentur mit hunderten von Mitarbeitern beauftragt wurde, gerade in Social Networks einseitig die Sicht Russlands getarnt als Privatmeinungen in die Welt zu verbreiten.

    Genau das klingt arg nach Verschwörungstheorie.

    Das System ist alt und ist wohl von Diktatur bis zur Demokratie zu finden. Selbst Firmen engagieren „Agenturen“ für solche Zwecke. Im aktuellen Geschehen verraten sich die „Kommentatoren“ gerne durch den Begriff Junta. Überlege einfach mal wie gebräuchlich dieser in Deutschland ist und seit wann man diesen hier wirklich überall lesen kann. Auch dies ist ein Problem von Nachrichten 2.0. Man kann die Wirkung von Nachrichten, egal wie gut recherchiert oder objektiv sie sind, in Windeseile beeinflussen. Leider passiert dies immer öfter zum Negativen.

    Wenn du ein Paradebeispiel dafür sehen willst, empfehle ich dir LiveLeak. Dort trifft Propaganda auf die Generation Aluhut. Da weiß man nicht ob man lachen oder weinen soll…

    Ein sehr einprägsames Exemplar war folgende als Faktum dargestellte „Theorie“, wonach die Juden Adolf Hitler gesponsert und gelenkt haben und somit für den zweiten Weltkrieg und Holocaust verantwortlich waren. Ich gebe zu ich musste es zweimal lesen…

    • Diese Antwort wurde geändert vor 7 Jahren, 8 Monaten von admin.
    #113397

    Wer hätte es gedacht? Die MZ war Vorreiter bei dieser Sache.

    s. „Es hat sich auskommentiert“ (bei der SZ)  –   dradiowissen.de/beitrag/süddeutsche-zeitung-schluss-mit-kommentaren

    • Diese Antwort wurde geändert vor 7 Jahren, 8 Monaten von admin.
    #114606

    neulich in der FrankfurterAllgemeinenSonntagszeitung:

    Hass im Netz – Ich bin der Troll

    Die ersten Nachrichtenportale im Internet schließen ihre Leserkommentare, weil ihnen die Häme und der Hass dort auf die Nerven gehen. Wer sind die Leute, die das Internet vollschimpfen? Besuch bei einem Leserkommentierer, bei Uwe Ostertag.
    08.09.2014, von Timo Steppat

    Krawall stiften, das dauert zwei Minuten. Uwe Ostertag scrollt durch Google News. Eine Meldung zum Jugenddrogenbericht. Ostertag überfliegt den Vorspann, den Text liest er nicht. „Das ist doch immer das Gleiche“, sagt er und springt in den Kommentarbereich. Mit den Zeigefingern haut er einen Satz in die Laptoptastatur. Er löscht ein paar Wörter, ergänzt, löscht: „Gebt den Hartz-IV-Empfängern weniger Geld, dann hat sich auch das Drogenproblem bei Jugendlichen gelöst.“ Uwe Ostertag fährt sich mit der Zunge über die Lippen, er drückt Enter.
    Es ist ein Kommentar von vielleicht 200, die er heute schreibt. Uwe Ostertag hat immer eine Meinung, zu allen Themen – außer Sport. Er kommentiert überall im Netz, von morgens bis in die Nacht hinein, sieben Tage die Woche. Ostertag sagt: „Provozieren, das ist wie ein Orgasmus.“ In seinen grauen Augenhöhlen funkelt es hellblau, sein Gesicht verzieht sich zum Lächeln. „Wenn sich jetzt jemand aufregt, dann ist das mein Ejakulat.“ Jede Nachricht wird kommentiert. Wer sich in die Halbwelt endloser Diskussionsstränge begibt, wird wie von einem Strudel aufgesogen. Hunderte schalten sich täglich in die Debatten bei „Spiegel Online“, „FAZ.net“ oder „Süddeutsche.de“ ein. Die meisten diskutieren über das Thema des Textes, manche liefern zusätzliche Informationen, korrigieren den Autor. Uwe Ostertag hingegen polemisiert, er provoziert. „Ich bin der Troll“, sagt er. Troll, so nennt man in der Netzsprache Menschen, die an Diskussion nicht interessiert sind, die Streit wollen.

    Uwe Ostertag, 55, sitzt in seinem Wohnzimmer im fränkischen Ochsenfurt. Die Krücken sind an die Wand gelehnt. Die Hüfte ist künstlich, das Kreuz gebrochen. Mühsam ist er über alte Decken in die Sofaecke gerutscht. Früher war er Grenzoffizier in der DDR, später Schlosser. Seit 1999 ist er Frührentner. „Ich bin ein Krüppel“, sagt er. Seine Frau hat ihn vor zehn Jahren verlassen, der gemeinsame Sohn ist bei ihm geblieben.

    Vorwurf der Volksverhetzung

    Ostertag stellt den Laptop auf seinen Schoß und wischt mit der Hand den Staub vom Bildschirm. Auf der schwarzen Schrankwand gegenüber steht ein Adventskranz, die Kerzen nicht angezündet, daneben ein kleiner Plastikweihnachtsbaum und ein Schild: „Frohe Weihnachten!“ Es ist Hochsommer. Jeden Morgen um halb acht, wenn sein 18-jähriger Sohn zur Schule gegangen ist, setzt sich Ostertag auf das Sofa. Er klappt den Laptop auf und liest, was in der Welt passiert. Dann beginnt das, was er seine Arbeit nennt.

    2001 kauft sich Ostertag seinen ersten Computer, kurz darauf meldet er sich in den Foren und Kommentarbereichen an. Er durchkämmt das Internet. Er liest Blogs und Nachrichtenseiten, Hintergründe und Archive, Meinungen und Essays. „Damals habe ich angefangen zu denken.“ Während er das sagt, hacken seine Zeigefinger den nächsten Kommentar ins Netz. In Berlin haben Asylsuchende eine Schule besetzt, sie sind im Hungerstreik. Ostertag schreibt: „Die Flüchtlinge in Kreuzberg drohen mit Selbstmord. Ich betone: sie DROHEN. Um es zu tätigen sind sie zu feige.“ Am Anfang, sagt Ostertag, habe er noch schmalzig, liebevoll, philosophisch geschrieben. „Das hat aber niemanden interessiert.“ Seine Beiträge veränderten sich, sie wurden aggressiver. „Indem ich alles überspitze, in alle Richtungen, will ich die Leute aufwecken“, sagt er.

    Im Februar 2011 hält ein Polizeiwagen in der kleinen Wohnsiedlung in Ochsenfurt. Es klopft an Ostertags Tür, sein Sohn ist vor ein paar Minuten zur Schule gegangen. Ein Durchsuchungsbefehl, zwei Beamte und ein Gerichtsvollzieher betreten die Zweizimmerwohnung. Sie packen den Computer ein, Ostertags wertvollsten Besitz. Er ist ein Beweisstück. Gegen Uwe Ostertag liegt eine Anzeige vor. Der Vorwurf, den die Staatsanwaltschaft Würzburg gegen ihn erhebt: Volksverhetzung. „Da war ich schon richtig baff“, sagt Ostertag. Mit einem Kommentar über körperlich Behinderte war er zu weit gegangen: „Aus einer Apfelkiste sortiert man auch die schlechten aus und wirft sie weg.“

    Screenshots sind Trophäen

    Ostertags Krücken retten ihn. Er spricht von einer „Selbstpersiflage“, da er doch selbst schwerbehindert sei. Die Staatsanwaltschaft lässt ihm das durchgehen. Kein Verfahren, keine Strafe. „Seitdem bin ich ein Staatsfeind“, sagt er und grinst. Die Anzeige hat ihn nicht gebremst. „Ich habe gemerkt, dass ich noch viel weiter gehen kann“, sagt er. „Ich habe nichts zu verlieren, mir kann keiner was.“ Die Provokationen werden schärfer, die Beleidigungen entgleisen: Der Bundespräsident sei ein kriegstreiberisches Arschloch, die katholische Kirche eine „Kinderficksekte“, die Bundesregierung korrupt, Veganer faschistisch. Jeden Tag spuckt Uwe Ostertag seinen Hass ins Netz. Er kämpft gegen alles und nichts. Sein größter Wunsch: „So ein richtiger Shitstorm.“ Ostertag will das, wovor sich andere fürchten. Er will Streit. Er will Prügel.

    „90 Prozent der Bevölkerung denkt nicht. Die leben ihr Leben und interessieren sich nicht dafür, wieso es ihnen so scheiße geht“, sagt er ohne vom Bildschirm aufzublicken. Ostertag ist unzufrieden mit der Regierung, mit der Gesellschaft. „Jede Meinung ist heute gleich politisch unkorrekt“, sagt er und zieht hastig an seiner Zigarette. Die unzähligen Kommentare sind seine Form des Protests. Das Netz belohnt Provokation. Bei Twitter folgen Ostertag über 2300 Menschen. Seine Trophäen sammelt er in einem Ordner auf seinem Laptop, viele Screenshots, fein säuberlich archiviert.

    Je beißender die Kritik, desto mehr Beifall bekommt er. „Hier, vor zwei Tagen“, er zeigt auf den Bildschirm, „da haben 1500 Leute meinen Kommentar bei ,Süddeutsche.de‘ positiv bewertet.“ Immer wieder öffnet er neue Fenster. „Das sind die Beweise.“ Beweise dafür, dass viele denken wie er. Mal sind es 500 positive Bewertungen, mal 2000. Ostertag liest eine Nachricht vor, die er von einem Follower bei Twitter bekommen hat: „Uwe, lass dir nicht das Maul verbieten. Geig den Mächtigen mal die Meinung!“ Die einzigen Gegner, die Uwe Ostertag hat, sind die Social-Media-Redakteure der Nachrichtenseiten.

    Diskussion statt Kommentare

    München. Ein Großraumbüro am Stadtrand, 22.Stock. Jedes Mal, wenn Uwe Ostertag bei „Süddeutsche.de“ kommentiert, muss Frank Porzky entscheiden: freischalten oder sperren? Porzky ist in den Weiten der Kommentarspalten ein Jäger, der die Trolle unter Kontrolle bringen muss. Wenn Ostertag bei „Süddeutsche.de“ hetzt, kann der Verlag rechtlich belangt werden. Uwe Ostertag balanciert auf einem schmalen Grat: Geht er in seinem Beitrag zu weit, löscht ihn Porzky. Ist er zu zahm, sagt er, findet er keinen Zuspruch bei den anderen Lesern.

    Frank Porzky deutet auf den Bildschirm: Eine graue Seite, lange Listen. „Das ist die Akte Ostertag.“ 1500 Mal hat er bei „Süddeutsche.de“ kommentiert. Jeder zehnte Kommentar wurde gesperrt. Vier Mal ist er in den letzten zwei Jahren verwarnt worden – wegen mangelnder Sachlichkeit, fehlendem Niveau oder Schmähkritik. „Wenn er noch einmal über die Stränge schlägt“, sagt Porzky, „können wir ihn sperren.“ Für Porzky ist es ein Klick, eine kurze Entscheidung. „Das ist mir egal“, sagt Ostertag. „Dann kommentiere ich woanders. Bei der ,SZ‘ behandeln sie einen sowieso wie ein Kind.“

    Anfang vergangener Woche hat „Süddeutsche.de“ die Kommentarspalten abgeschafft. Unter die Meldung zum Wirtschaftswachstum oder den Leitartikel zur Außenpolitik kann Ostertag nicht mehr seine Meinung abladen. Stattdessen stellt die Redaktion eine Frage, über die es eine Diskussion geben soll. Etwa: „Wie sollte Deutschland sein politisches Gewicht in der Welt einsetzen?“

    Ein guter Tag für den Troll

    Redakteure wie Frank Porzky wollen stärker moderieren, mehr Beiträge löschen und so die Qualität der Debatten erhöhen. Damit bedrohen sie Uwe Ostertag, und Ostertag macht das wütend. Mit den Änderungen bei „Süddeutsche.de“ werde eine „neue Ära des Medienfaschismus eingeläutet, um noch leichter unbequeme Meinungen zu zensieren“, schreibt er bei Facebook. „Scheinbar wird die Kritik der Kommentatoren immer lauter, dass man zu solchen Maßnahmen greift.“

    In Ochsenfurt ist es mittlerweile dunkel geworden. Ostertag sitzt mit kurzer Unterbrechung seit zwölf Stunden vor dem Computer. Er rollt seinen gekrümmten Körper vom Sofa und humpelt zum Lichtschalter. Die Glühbirne geht an, sie baumelt einsam von der Decke. Allein ist Ostertag nicht. In den Kommentarspalten hat er Menschen kennengelernt, die sind wie er. In der Dunkelheit finden sie sich, die Trolle. Mit zwei von ihnen hat er sich mal zum Kaffee verabredet. Heute war ein guter Tag für den Troll Uwe Ostertag.

    Von den Dutzenden Kommentaren ist nur eine Handvoll gesperrt worden. „Samstags sind die Zensoren nicht so aufmerksam“, sagt er und grinst selbstzufrieden. Wann hat er zum letzten Mal positiv kommentiert? „Gar nicht so lange her. Das Burka-Verbot in Frankreich“, grummelt er nach einer Minute, „das war gut.“ Uwe Ostertag hält inne, blickt nachdenklich auf Weihnachtsbaum und Adventskranz. Es vergehen ein paar Sekunden, dann schaut er wieder auf den Bildschirm. Bei „Google News“ sucht er sich einen Artikel. Überschrift. Vorspann. Kommentarbereich. Tastatur-Hacken. Enter. Die Nacht ist noch jung.

    quelle:
    http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/hass-im-netz-ich-bin-der-troll-13139203-p3.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3

    • Diese Antwort wurde geändert vor 7 Jahren, 8 Monaten von admin.
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