Halle Lectures: Das koloniale Erbe der Aufklärung
22. April 2021 | Bildung und Wissenschaft, Kultur, Veranstaltungen | Keine Kommentare
Die Erforschung des 18. Jahrhunderts spielt in Halle eine herausgehobene Rolle, an den Forschungszentren der Universität ebenso wie in den Franckeschen Stiftungen. Betrieben wird diese Forschung in dem Bewusstsein, an den Grundlagen der modernen Gesellschaft zu arbeiten und mit der Historie immer auch ein Stück unserer Gegenwart kritisch zu befragen und damit ‚aufzuklären‘.
In jüngster Zeit ist die Maßgeblichkeit der Aufklärung sowohl in wissenschaftlichen als auch in gesellschaftlichen Debatten in die Kritik geraten. Wieviel Selbstüberschätzung steckt im Anspruch der Aufklärer? Ist Aufklärung nicht – wie die christlich-pietistische Mission – trotz der von ihr beanspruchten Universalität ein partikulares Projekt, das die Vorherrschaft Europas mehr gestärkt als in Frage gestellt hat? Wieviel taugen die kritischen Verfahren, die anthropologischen Leitbilder und die politischen Ideale des 18. Jahrhunderts noch in einer Zeit, in der sich partikulare und nationalistische Tendenzen rapide auszubreiten scheinen?
Um solchen Fragen nachzugehen, haben die in Halle ansässigen Forschungseinrichtungen, die zentral mit dem 18. Jahrhundert befasst sind, eine neue Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen. Jährlich zwei herausragende, international renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden gebeten, ihre Sicht auf die Erforschung des 18. Jahrhunderts und deren Bedeutung im Kontext der aktuellen Weltlage darzulegen. Historische Fundierung und gegenwartsbezogene Problematisierung sollen dabei verbunden werden, ebenso lokale, nationale, europäische und globale Perspektivpunkte. Die Vorträge richten sich sowohl an Forscher und Studierende als auch an die weitere Öffentlichkeit.
Ein weiterer Vortrag wird in diesem Zusammenhang derjenige von Prof. Dr. Jakob Vogel am kommenden Donnerstag, den 29. April 2021, um 18:00 Uhr sein. Unter dem Titel „Aufklärung postkolonial? Globale Wissensgeschichte und die Herausforderung des Exotismus“ wird der Honorarprofessor am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt Universität und Direktor des deutsch-französischen Centre Marc Bloch vortragen und nach der Rolle von Exotismus und Universalismus in der Geschichte der Aufklärung fragen.
Denn: der Blick auf „koloniale Zwischenräume“ und „europäische Peripherien“ verdeutlicht, wie vielfältig die Wissensordnungen des 18. Jahrhunderts waren. Die Geschichte der „Salzspindeln“ sowie von anderen Instrumenten und Objekten des Wissens zeigt aber auch, wie wenig die Wissenschaft der Aufklärung ihren eigenen Ansprüchen gerecht wurde.
Aufgrund der weiter anhaltenden Corona-Lage wird der Vortrag allerdings nicht wie geplant in den Franckeschen Stiftungen stattfinden, sondern digital im Internet übertragen.