Peißnitzbrücke: Stadt ist überrascht, alte Rostschutzanstriche zu finden. Was Beigeordneter Rebenstorf auf Fragen antwortet.

25. April 2022 | Umwelt + Verkehr | 16 Kommentare

Ein Freizeithandwerker sollte wissen: wer alte Türen und Fenster, erst recht aber einen schmiedeeisernen Gartenzaun „aufarbeitet“, muss damit rechnen, beim Schleifen oder Abstrahlen auf alte Farbanstriche zu stoßen. Und damit giftige Schwermetalle freizusetzen. Bis in die 1970er-Jahre waren die orangeroten Rostschutz-Anstriche auf der Basis hochgradig bleihaltiger Mennige-Ölfarbe Standard, und alte Fenster wurden bis in die 1950er Jahre mit Bleiweiß-Ölfarbe vorgestrichen. Das Einatmen der Stäube wird – wenn man sich nicht schützt – vor allem dem Handwerker gefährlich, aber auch natürlich Mitmenschen im Umfeld, wenn sie nicht vor der Einwirkung der Stäube geschützt werden. Das muss man wissen, wenn man im Folgenden die Antworten der Stadt Halle liest, die Hallespektrum.de an die Stadt gerichtet hat.

Beantwortet hat sie der Beigeordnete für Stadtentwicklung und Umwelt der Stadt Halle, René Rebenstorf. Die Essenz: Die Stadt Hale war wohl irrtümlich davon ausgegangen, dass im Jahre 1990, bei der letzten Sanierung,  alle alten Anstriche restlos entfernt wurden.

Hier die Fragen von Hallespektrum.de und die Antworten der Stadt Halle ungekürzt:

Hallespektrum: 1. Sie teilten mit, dass „bislang nicht bekannte Stoffe und Materialen“ gefunden wurden, auf Grund derer eine Vollsperrung notwendig sei. Ist mittlerweile die Natur der Materialien bekannt (chemische Zusammensetzung, Art des Materials?)

Rebenstorf: Ja

Hallespektrum: 2. Worauf gründet sich die Erkenntnis, dass von den Materialien eine solche Gefahr ausgehe, dass eine Sperrung des Verkehrs unerlässlich sei?

Rebenstorf: Dazu liegt ein Gutachten der Dekra vor. Hinzu kommen aktuelle Auflagen der Berufsgenossenschaft nach einer Vor-Ort-Kontrolle.

Hallespektrum: 3. Warum ist die Untersuchung auf alte Beschichtungen (beispielsweise Bleimennige) nicht erfolgt, bevor die Baufirmen ihr Leistungsangebot abgegeben haben?

Rebenstorf: Bestandteil der Ausschreibung und des Bauvertrages sind Strahlschuttanalysen und Farbanalysen für die Entsorgung des Strahlgutes. Im Vorfeld der Ausschreibung musste nicht von einer Schadstoffbelastung ausgegangen werden, da die in den 1990er Jahren verwendeten Anstrichstoffen dokumentiert und bekannt waren. Eine Schadstoffbelastung ist bei den verwendeten Systemen normalerweise nicht zu erwarten. Aus diesem Grund war auch nicht vorgesehen, das Bauwerk für die ausgeschriebenen Arbeiten komplett zu sperren. Im Zuge der Vertragsabwicklung wurden neue Erkenntnisse gewonnen. Im Ergebnis der vorhandenen Analysen wurden Blei, Zink und Barium als Schadstoffanteile in erhöhter Konzentration festgestellt

Hallespektrum: 4. Gehörte die Untersuchung auf Altanstriche zum abgeforderten Leistungsspektrum der beauftragten Firmen?

Rebenstorf: siehe Antwort zu Frage 3

Hallespektrum: 5. Wurde im Vorfeld der Auftragsvergabe bereits eine Untersuchung auf schwermetallhaltige Altanstriche / Grundierungen vorgenommen?

Rebenstorf siehe Antwort zu Frage 3

Hallespektrum: 6. Wie hoch sind die Mehrkosten der Baumaßnahmen, die durch die „gefundenen Stoffe und Materialien“ verursacht wurden ?

Rebenstorf: Es entstehen keine Mehrkosten.

Hallespektrum: 7. Wie hoch schätzen Sie die volkswirtschaftlichen Schäden ein, die durch die Sperrung der Brücke verursacht werden (z.B. Verlängerung von Wegezeiten zur Arbeit  / Fußgänger, Radfahrer, Umstieg auf weniger umweltfreundliche Verkehrsmittel (ÖPNV, PKW) ?

Rebenstorf: Die Maßnahme ist zur Gefahrenabwehr erforderlich. Der Schutz der Gesundheit und der Umwelt haben oberste Priorität. Im Übrigen (zu volkswirtschaftlich Schäden durch verlängerte Wegezeiten…) liegen der Stadt keine Erkenntnisse vor.

Hallespektrum: 8. Wie hoch ist Ihrer Kenntnis nach das tägliche Verkehrsaufkommen dieser Brücke (bitte nach Möglichkeit aufschlüsseln Feiertage / Arbeitstage) ?

Rebenstorf: Dazu liegen der Stadt keine Statistiken vor.

Hallespektrum: 9. Welchen Mehraufwand würde es bedeuten, eine Passagemöglichkeit für Fußgänger und Radfahrer einzurichten ? (Beispielsweise durch komplette Einhausung des Weges für Fußgänger) ?

Rebenstorf:  Durch die nunmehr vollständige (auch nach oben geschlossene) komplette Einhausung und Sperrung der Brücke können die Strahl- und Korrosionsschutzarbeiten an der Metallkonstruktion vollständig umweltgerecht, gefahrlos sowie erheblich zügiger durchgeführt werden. Ein Vorbeiführen des öffentlichen Passantenverkehrs parallel zu den Arbeiten auf der Brücke – wie bislang vorgesehen –  ist nach aktueller Bewertung der Dekra aus Gründen der Gefahrenabwehr nicht zulässig.  Nach der aktuell vorliegenden Bewertung muss die Einhausung vollständig den Arbeitsbereich umschließen, um einen Austrag in die Umwelt auszuschließen. Siehe auch Antwort zu Frage 2.

Personenfährverkehr: Stadt prüft Möglichkeiten – aber nur für Wochenende

Rebenstorf: Die Stadt prüft derzeit mit Hilfe von Partnern einen Personen-Fährverkehr an den Wochenenden nahe der Brücke einzurichten. Bereits geprüft wurde der Einsatz der stadteigenen Pontonbrücke, die während der Laternenfestes an der Ochsenbrücke zum Einsatz kommt, diese ist zu kurz. Eine Pontonalternative würde Kosten in sechsstelliger Höhe verursachen. Die Anlage muss vom  Wasser- und Schifffahrtsamt genehmigt werden. Im Übrigen wäre die Saale dadurch komplett gesperrt.

 

Print Friendly, PDF & Email
16 Kommentare

Kommentar schreiben