Panne bei Halle: ICE Berlin – Zürich bleibt auf Saale-Elster-Talbrücke liegen
26. Juni 2023 | Umwelt + Verkehr | 6 KommentareEine technische Panne führte gestern zu erheblichen Unannehmlichkeiten für die Reisenden eines ICE-Zuges auf der Strecke zwischen Berlin und Zürich. Denn gegen 15.30 Uhr blieb der Zug auf der Saale-Elster-Talbrücke bei Halle liegen, was sich zu einer stundenlangen Hängepartie für die Fahrgäste entwickelte.
Während mehr als einer Stunde mussten die Reisenden in dem liegengebliebenen Zug ausharren, wobei sich die Situation zunehmend verschlechterte. Die Fahrgäste waren teilweise ohne Strom und Klimaanlage und wurden durch das sommerliche Wetter und direkten Sonnenschein extremen Temperaturen ausgesetzt. In Anbetracht dieser Notsituation wurden zwischenzeitlich die Türen geöffnet, um für etwas Luftzirkulation zu sorgen.
Allerdings gab es Uneinigkeit über das Öffnen der Türen, da es laut den Reisenden Anweisungen seitens der Zentrale der Deutschen Bahn gab, diese wieder zu schließen. Nach einer längeren Diskussion wurde schließlich die Genehmigung erteilt, die Türen doch offen zu lassen, um den Fahrgästen zumindest etwas Erleichterung zu bieten.
Um 16.45 Uhr wurde dann die Evakuierung des liegengebliebenen Zuges in die Wege geleitet, wobei die Bundeswehr Unterstützung leistete. Auf dem Gegengleis war bereits ein Ersatzzug bereitgestellt worden, um die rund 800 Reisenden sicher weiterzubefördern.
Die Deutsche Bahn hat sich zu dem Vorfall bisher nicht offiziell geäußert. Es bleibt abzuwarten, wie das Unternehmen die Situation kommentieren wird und welche Maßnahmen ergriffen werden, um ähnliche Zwischenfälle in Zukunft zu verhindern.
Die Auswirkungen dieses Vorfalls auf den Zugverkehr waren erheblich. Der liegengebliebene Zug blockierte die Strecke für mehrere Stunden, was zu Verspätungen und Zugausfällen führte.
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Micha06de fragte: (Gibt es für solche Fälle keine vorbereiteten Handlungsanweisung?)
Doch, offenbar gab es eine Handlungsanweisung. So erzählte es jedenfalls der Lokführer auf dem Bahnhof in Berlin. Die Anweisung lautete: die Türen nicht zum Öffnen freigeben. Er beklagte sich darüber, dass man ihn verdächtigt habe, die Türen freigegeben zu haben. Er könne aber beweisen, das nicht getan zu haben. Die Fahrgäste hätten die Türen selbst geöffnet.
„Offensichtlich hatten die Mitarbeiter in der klimatisierten Leitzentrale keine Vorstellung darüber, was sich in einem überfüllten ICE der bei 30 °C in der prallen Sonne, ohne Klimatisierung steht, nach kurzer Zeit abspielt.“
Zumindest einer der Fahrgäste ist kollabiert.
Hier ist einiges schief gelaufen. Hoffentlich untersucht die Deutsche Bahn das und leitet daraus entsprechende Maßnahmen für die Zukunft ab.
Die Situation muss der Albtraum schlechthin gewesen sein. Überfüllter Zug (die Leute standen in den Gängen), Hitze, keine Klimaanlage), man kommt kaum von seinem Platz weg. Die Türen durften nach Anweisung der Leitzentrale (zunächst) nicht zum Lüften geöffnet werden. (Gibt es für solche Fälle keine vorbereiteten Handlungsanweisung?) Dazu kommt, dass lt. MZ die umliegenden Rettungsdienste nicht informiert waren und diese von diesem Notfall erst aus den Medien erfahren haben …
Früher hätte man gesagt „Hier müssen Köpfe rollen“. Heute sollten zumindest Konsequenzen so gezogen werden, dass eine solche Situation nie wieder entstehen kann.
Offensichtlich hatten die Mitarbeiter in der klimatisierten Leitzentrale keine Vorstellung darüber, was sich in einem überfüllten ICE der bei 30 °C in der prallen Sonne, ohne Klimatisierung steht, nach kurzer Zeit abspielt.
Das Gespräch, das ich heute mitgeschnitten hatte, scheint mir möglicherweise ziemlich authentisch gewesen zu sein. Einer der beiden beklagte sich darüber, man habe ihm vorgeworfen, er habe die Türen freigegeben. Habe er aber nicht, und das könne er beweisen. Das seien die Fahrgäste wohl gewesen. Die Bahn habe offenbar das Konzept, lieber kollabiere ein Fahrgast, als er „draußen verbrenne“. Er habe allerdings freigeben können, den Nothammer zu benutzen, um die Scheiben einzuschlagen. Das hab ich alles bei der Einfahrt des ICE auf dem Bahnhof gehört, will das aber nicht verbürgen, war alles halt so ein aufgeschnappter Bahnhofsplausch in Berlin, und auf Bahnhöfen versteht man oft ebendenselben.
Es ist doch toll, denke ich mir, wie fürsorglich die Deutsche Bahn sich um die Reisenden kümmert.
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Mehrfach beklagte sich der Lokführer darüber, es werden solche Fälle nicht geübt.. .
Statt in Boni das Geld in die Wartung stecken.
Vera Lengsfeld, MdB a.D., erlebt viel als Vielfahrerin mit der Deutschen Bahn und sie saß im liegengebliebenen Zug, hier ihr Bericht:
Gestern, am 25.06. musste ich erleben, dass dies alles noch zu toppen ist. Ich saß im ICE 79, der um 13.16 in Berlin- Gesundbrunnen startete. Kurz hinter Leipzig blieb der Zug auf freier Strecke stehen. Nach etwa zehn Minuten kam die Ansage, dass es ein Stromproblem gäbe, das aber behoben würde. Tatsächlich fuhr der Zug nach einiger Zeit wieder an, beschleunigte auf 223 km/h, bremste dann und blieb wieder stehen. Es war 15.03 Minuten. Diesmal kam die Durchsage ziemlich schnell. Das Stromproblem wäre wieder aufgetreten, könne nicht mehr behoben werden. Der Zug müsse evakuiert werden. Der Lokführer hätte alles eingeleitet.
Wir befanden uns etwa 10 Fahrtminuten von Leipzig entfernt. Da die Klimaanlage ausfiel wurde die Luft im überfüllten Zug – die Fahrgäste standen in allen Waggons zwischen den Sitzreihen, zum Schneiden. Die Temperatur stieg schnell auf über 30°C. Der Schaffner versprach, die Türen zu öffnen, was nach einiger Zeit auch gelang. Aber sie mussten auf Anweisung eines Bürokraten, der in seinem vermutlich klimatisierten Office saß, wieder geschlossen werden. Das rief einige Ärzte im Zug auf den Plan, die erreichten, dass der Leitstelle klar gemacht wurde, dass binnen kurzem im Zug die ersten Leute wegen Hitze und Sauerstoffmangels kollabieren würden. Daraufhin wurden die Türen auf einer Zugseite wieder geöffnet.
Nur die Kollegen vom Bordbistro verhielten sich der Lage angemessen. Sie verteilten ihre gelagerten Getränke mit Hilfe der an Bord befindlichen Soldaten und Politzisten an die Passagiere.
Nach zweieinhalb Stunden hieß es, der Evakuierungszug wäre da, er könnte aber erst neben unserm Zug halten, wenn die Türen wieder geschlossen wären. Das geschah, aber es kam kein Zug. Nach zwanzig Minuten, dem Lokführer war es inzwischen wenigstens gelungen, die Klimaanlage zu reaktivieren, hieß es, der Evakuierungszug würde „in Kürze“ einfahren. Zehn Minuten später verkündete der Lokführer, der Zug wäre zu uns „unterwegs“.
Zehn Minuten nach 18.00 Uhr hielt tatsächlich ein ICE neben uns. Der war aber halb besetzt. Es war klar, dass nicht alle Passagiere aus unserem Zug umsteigen könnten. Die Evakuierung dauerte dann über eine Stunde. An nur zwei Stellen konnten wir über Notleitern den Zug verlassen und über eben solche Leitern den andern Zug erklimmen. Wären die Soldaten und Polizisten nicht gewesen, hätte das Ganze noch viel länger gedauert. Mit dem Personal allein wäre es kaum zu schaffen gewesen.
Wie zu erwarten war, blieben hauptsächlich ältere Leute im Zug zurück. Die Rede war von etwa 40 Personen, überprüfen konnte das keiner.
Wir fuhren um 19.16 in Richtung Erfurt ab. Über Durchsage erfuhren alle Reisenden nach Süddeutschland und der Schweiz, dass ein Ersatzzug in Erfurt bereitgestellt würde, allerdings erst eine Stunde nach unserer Ankunft. Ich weiß nicht, ob dieser Zug wirklich zur angegebenen Zeit einfuhr, oder erst später, denn ich musste froh sein, dass ich den letzten Zug nach Nordhausen um 20.16 noch erreichte. Wenn das Ganze noch eine halbe Stunde länger gedauert hätte, wäre ich auf den Schienenersatzverkehr angewiesen, der statt der 55 Minuten zweieinhalb Stunden nach Sondershausen gebraucht hätte.
Im einst um seine Effektivität weltweit beneideten Deutschland geht es inzwischen zu, wie in der DDR. Der Regimekritiker Rudolf Bahro nannte es „organisierte Verantwortungslosigkeit“.
Aber, auch das konnte ich beobachten, die Leute haben sich schon so weit an die Dysfunktionalität gewöhnt, dass sie kaum noch erwarten, dass effektiv und verantwortungsbewusst gehandelt wird. Wenn es zehn Zugminuten von Leipzig entfernt vier Stunden dauert, ehe die Passagiere aus dem Pannenzug geborgen werden, fragt man sich bange, was passiert, wenn ein wirklicher Notfall eintritt.
Mir sind schlagartig die Probleme der ICE-Hochtechnologie vor Augen geführt worden. Wenn der Strom ausfällt, sitzt man wie in einer Blechbüchse. Die Fenster sind nicht zu öffnen, die Türen von den Passagieren auch nicht. Zum Glück blieb die überwiegende Mehrzahl der Reisenden ruhig. Ein Saxofonist packte sogar sein Instrument aus und gab ein spontanes Ständchen. Nur zwei Fahrgäste fingen an, zu schreien, konnten aber schnell beruhigt werden. Wenn eine Panik ausgebrochen wäre, hätte es Tote gegeben.
Ich sehnte mich nach den guten alten D-Zügen, in denen sich die Fenster manuell öffnen ließen und auch die Türen kein Hindernis darstellten. Die Politik der Stromverknappung, die unsere gegenwärtige Regierung betreibt, ist hochgefährlich, denn moderne Hochtechnologie ist auf zuverlässigen Strom angewiesen. Wenn es den nicht mehr gibt, sind Katastrophen vorprogrammiert.
Ich bin gespannt, wie die Bahn auf die Rückforderung meines Ticketpreises reagiert. Vermutlich wird es so ausgehen, wie bei den anderen Tickets, bei denen ich das Geld nicht zurückbekommen habe. Wo sollte auch der Profit herkommen, wenn man sich für sein Versagen in Haftung nehmen ließe?
Heute belauschte ich zufällig auf dem Bahnhof in Berlin, wie der Lokführer sich mit einem Kollegen unterhielt. Er beklagte sich, dass sie als Zugpersonal nie solche Situationen üben würden.