Zum Jahrestag des Anschlags in Hanau

20. Februar 2021 | Politik | Keine Kommentare

Selten waren die ersten Jahrestage von rechtsextremen Anschlägen so dicht beieinander, wie im Fall von Halle (09. Oktober 2019) und Hanau (19. Februar 2020). In Halle haben wir den ersten Jahrestag des Terroranschlags vom 09. Oktober bereits begangen. Wir gedachten den Ermordeten Jana und Kevin und allen anderen Opfern. Quer durch die Stadt fanden Veranstaltungen zur Solidarität, Trauer und Information statt. Im Nachhinein wirkt dieser besondere Jahrestag gelungen. Im Vorfeld hatte ich Sorge, dass die Aufmerksamkeit der Presse und Politik sehr an den Überlebenden zehren würde und dass das internationale öffentliche Interesse größer sein würde als die Veranstaltungen in der Stadt. Wie zum Jahrestag in Halle, ist es auch in Hanau wichtig, dass Politik und Medien einen sensiblen Umgang mit den Angehörigen pflegen. Doch nicht nur der Jahrestag und das rechtsextreme Weltbild der Täter lassen eine unfreiwillige Verbindung zwischen Halle und Hanau erkennen.

Unser Gastautor Igor Matvijets. (Foto: Florian Korb)

Beide Anschläge haben bestürzte Reaktionen aus der Politik hervorgerufen. Es wurden Begriffe wie „Alarmzeichen“ verwendet. Die Überraschung über die Anschläge wurde thematisiert. Diese Reaktionen wirken für die Betroffenen aus Halle und Hanau wie Hohn. Schließlich gibt es eine Kontinuität rechtsextremen Terrors seit 1945, die leider immer wieder vergessen wird. Bei der Solidaritätskundgebung am Folgeabend des Anschlags in Hanau habe ich die Frage gestellt, die uns angesichts des wiederholten rechtsextremen Terrorismus in Deutschland und der ganzen Welt bewegt: Wie wird man angesichts solch schlimmer sich wiederholender Ereignisse nicht zum Zyniker?

Die Angehörigen der Opfer von Halle und Hanau und die Überlebenden haben durch ihre lauten Stimmen im vergangenen Jahr viel dafür geleistet, dass die menschenverachtende Ideologie, die beide Täter angetrieben hat, öffentlich thematisiert wird. Es kam zu gegenseitigen Solidaritätsbesuchen zwischen den Betroffenen von Halle und Hanau. Solidarische Initiativen haben sich gegründet, ein starkes Netzwerk ist gewachsen.

Einen deutlichen Unterschied gab es auch. Der Täter von Hanau hat sich im Gegensatz zum Halle-Attentäter einem Prozess und damit einer öffentlichen Debatte und auch einer Verurteilung entzogen. Anders als in der Nebenklage im Halle-Prozess, gibt es kein geordnetes Verfahren nach Hanau, um Fragen zu stellen und Statements abzugeben. Hierfür müssen Politik, Gesellschaft und auch Medien den Betroffenen Raum geben.

Ich habe Hoffnung, dass es in Zukunft nicht mehr zu diesen traurigen Verbindungen zwischen Städten kommen wird. Aber die Erfahrung der letzten Jahre und ein Blick auf die vielen rechtsextremen Morde in der Geschichte der Bundesrepublik lassen wenig Raum für Optimismus. Wichtig ist, dass wir aus Halle auch weiterhin solidarisch mit den Menschen in Hanau sind. Genauso, wie der Jahrestag in Halle, darf auch der der 19. Februar 2020  keinen Schlussstrich im Kampf gegen Rechtsextremismus bedeuten. In Halle, Hanau und darüber hinaus stehen wir gemeinsam gegen jede Form von Rassismus, Antisemitismus und anderen Formen von Diskriminierung.

#Saytheirnames (Sagt ihre Namen):

Ferhat Unvar,
Hamza Kurtović,
Said Nesar Hashemi,
Vili Viorel Păun,
Mercedes Kierpacz,
Kaloyan Velkov,
Fatih Saraçoğlu,
Sedat Gürbüz
und Gökhan Gültekin.

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