Wenn eine Schwarze Sonne rechts in Bitterfeld aufgeht

17. Dezember 2019 | Politik | Keine Kommentare

Der Fall Robert Möritz und dessen vermutlich rechtsextreme Gesinnung hat die Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt an den Rand des Zerbrechens geführt. Ein rechtsextremes Attentat hat zwei Opfer in Halle gekostet, nur durch ein Wunder ist eine der beiden jüdischen Gemeinden verschont geblieben. Um so unverständlicher ist es, dass sich die CDU-Spitze des Landes schützend vor einen Rechtsextremen stellt.

Der Mann ist/war nicht nur Mitglied des dubiosen Unitervereins, hat als freiwilliger Ordner Neonazidemonstrationen betreut, sondern trägt als Erkennungszeichen der Rechtsextremen eine sogenannte „Schwarze Sonne“ als Tattoo. Dieses Symbol stammt aus der Wewelsburg (1603-1609), eine Anlage der Paderborner Fürstbischöfe, die zur Zeit des Nationalsozialismus als SS-Burganlage mit Hilfe von KZ-Häftlingen ausgebaut wurde. Heute beherbert die Anlage ein Kreismuseum und eine Gedenkstätte zur Zeit von 1933-1945. Die „Schwarze Sonne“ entstammt also der Formensprache und den Bauphantasien der SS. Dazu schreibt das Museum auf Ihren Internetseiten: „Das Sonnenradmotiv im Fußboden des „Obergruppenführersaals“ wird seit den 1990er Jahren in rechtsextremen Kreisen auf der ganzen Welt zu einem Erkennungs- und Heilszeichen stilisiert und missbraucht.“

Nähere Erläuterungen bieten die Seiten des Museums oder besser ein Besuch vor Ort.

Die „Schwarze Sonne“ des CDU-Mannes ist also bewußt gewählt und ein Erkennungszeichen innerhalb der rechten Szene. Mit keltischer Mythologie hat dieses Symbol rein gar nichts zu tun. Wer so etwas trägt und sich nicht davon distanziert, steht für eine Politik, die rein gar nichts mit Demokratie und schon gar nichts mit christdemokratischen Werten zu tun hat.

Geschichtsumdeutungen oder besser Geschichtsfäschungen sind ein beliebtes Mittel von Rechtsextremen. Auch die Geschichtsszene der Mittelalterdarsteller und Geschichtsreenactor ist voll davon. Vor über 10 Jahren gab es z.B. den Skandal um die gerne von Fernsehanstalten engagierte Gruppe „Ulfhednar“, die gerne auch Hakenkreuze von archäologischen Funden in den Fokus stellte und nur geächtet wurde, weil ein Mitglied mit einem Tattoo mit SS-Losung offen auftrat. Auf Frühmittelalter oder Wikingerveranstaltungen in Polen, in Teilen auch in Deutschland und anderswo, treten Vertreter der rechten Szene sehr offen auf, gerne auch, wo es erlaubt ist, mit eindeutiger Symbolik, die natürlich rein gar nichts mit dem Frühmittelalter oder Wikingern zu tun hat. Im Verlauf der Diskussionen um Ulfhednar lernte ich Karl Banghard vom Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen kennen. Oerlinghausen hat wie die Wewelsburg eine NS-Vergangenheit, die dort ebenso offensiv aufgearbeitet worden ist.

Herr Banghard hat bereits in seiner kleinen Symbolkunde zu Zeichen der rechten Szene die „Schwarze Sonne“ erwähnt, wir dürfen diesen Text mit seiner Genehm. verwenden:

„Ein Symbol vermittelt den Eindruck einer kompakten, klaren Botschaft, selbst wenn es keine klare Botschaft gibt. Unter anderem deshalb sind Symbole bei der extremen Rechten so beliebt wie bei keiner anderen politischen Gruppe. Im Outfit rechter Aktivisten erscheinen mit jeder Saison neue, zunächst nur Eingeweihten verständliche Zeichen. Erklärungen der Codes und Symbole der extremen Rechten gibt es in großer Qualität und leicht zugänglich. Die »Versteckspiel«-Broschüre der Agentur für soziale Perspek­tiven ist dafür ein sehr gelungenes Beispiel. Aber selbst manche Aufklärungs­schriften über­nehmen unbeabsichtigt ahistorische Versatzstücke der völkischen Erzäh­lungen. Im Internet sind die völkischen Deutungen der frühgeschicht­lichen Zeichen meist übermächtig, die Wikipedia-Einträge sind für diesen Bereich schlichtweg katastrophal. Aufklärung scheint bei frühgeschichtlichen Themen gegen den rechten Internet-Schwarm keine Chance zu haben.

Schwarze Sonne

»Schwarze Sonnen« sind der wohl absur­deste Nachkriegsmythos zur SS. Dennoch (oder gerade deshalb) entfaltet er eine enorme Wirkung. Ob der Idee einer Schwar­zen Sonne, einem unsichtbaren arischen Energiepol, vor 1945 überhaupt irgendeine Bedeutung beigemessen wurde, ist völlig unklar. Erst in der Nachkriegszeit kam das Thema in rechtsesoterischen Ro­manen richtig auf. Und erst seit den frühen 1990er-Jahren ist eine bestimmte Emblematik für die Schwarze Sonne nach­weisbar. Seitdem gilt eine Marmor­inkrus­tation im Nordturm der ostwest­fälischen Wewelsburg als Abbildung der Schwarzen Sonne.

Die Inkrustation hat vage historische Vor­­­­bilder. Belege für eine bewusste Auswahl des Motivs durch die SS gibt es bislang nicht. Die bekanntesten poten­tiel­len Vorlagen sind Funde aus der jüngeren Merowingerzeit, die mehrheitlich in die erste Hälfte des 7. Jahr­hunderts datieren. Meist handelt es sich um so genannte Zierscheiben, die bei Frauen an einem Gehänge links vom Gürtel herab­hingen. Gelegentlich kommt das Motiv auch auf merowingerzeitlichem Pferdegeschirr vor, dort ebenfalls auffällig häufig in Frauen­gräbern. Die Verbreitungs­schwer­punkte des Motivs liegen an Mittel- und Oberrhein sowie an der oberen Donau. Für eine bestimmte Form der Zierscheiben mit diesem Motiv kann man zwischen einer linksdrehenden Variante an der Donau und einer rechtsdrehenden am Mittelrhein unterscheiden. Zahlreiche »Schwarze Sonnen« mit Kreuz im Zentrum legen nahe, dass das Motiv damals christlich aufgefasst wurde: Als leuchtende Strahlen, die von einem Kreuz ausgehen.

Der Blick auf die Technik der Marmor­inkrus­tation lässt an eine weitere Vorlage denken. Das mittelalterliche Zentrum der Marmor­in­krustation war Florenz. Dort sind die für die Wewelsburg charakteristischen dunkel­grünen Inkrustationen auf helleren Verklei­dungen stadtbildprägend. In Florenz hat sich auch großflächiger Bau­­schmuck in einer Taufkapelle erhalten, der mit dem Bodenornament der Wewels­burg ver­gleichbar ist. Die Toskana war bereits in den 1920er-Jahren kultur­touris­tisch gut erschlossen und die Früh­renais­sance war allgemein ein großes Vorbild der NS-Kunst. Der Architekt der Wewelsburg wollte anscheinend mit der Boden­gestaltung die Assoziationen »ger­ma­nisch« und »Renais­sance« miteinander verbinden. Dass die Vorlagen dazu christlich waren, wurde in Kauf genom­men.“

Näheres und die volle Symbolkunde mit weiteren Hinweise auf von Rechtsextremen verwendete Symbole unter https://wolfspelz.afm-oerlinghausen.de/

Textteile und Abb. mit freundlicher Genehmigung des Archäologischen Freilichtmuseums Oerlinghausen, Karl Banghard, Text: ToK

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