Vorlesen tut gut!

18. Januar 2018 | Kultur | Keine Kommentare

Wir leben in einem Kommunikationszeitalter und doch verlernen wir zunehmend sprachlich zu kommunizieren. Sprachtherapeuten klagen, dass viele Kinder Defizite in ihrer Sprachentwicklung haben. „Altmodisches“ Vorlesen kann dieser Entwicklung entgegenwirken.
Vorlesen ist eine wunderbare, aber immer mehr verlernte Form menschlicher Kommunikation. Vorlesen fördert den Spracherwerb bei Kindern, ist gut für deren Psyche, festigt soziale Bande und verbessert die Sozialkompetenz. Wenn ältere Kinder den kleineren etwas vorlesen, trainieren sie gleichzeitig ihre eigene Sprachentwicklung.
Das Fazit einer kürzlichen Vorlesestudie der Stiftung Lesen ist: Kinder lieben das Vorlesen. «Das Ergebnis ist eindeutig: 91% der Kinder in Deutschland gefällt es gut, wenn ihnen vorgelesen wird. Auch bei Kindern aus Haushalten mit mittlerer und niedriger Bildung liegt dieser Wert bei 90 bzw. 86% (hohe Bildung: 94%). Kaum eine Abweichung gibt es bei Kindern, in deren Haushalt eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird (92%). – Fast jedes dritte Kind, dem vorgelesen wird, wünscht sich, dass dies öfter geschieht (30%). Bei Kindern, denen selten oder nie vorgelesen wird, ist es jedes zweite (49%). Darüber hinaus zeigte die Studie, dass Kinder ganz konkrete Vorstellungen haben, welche Geschichten ihnen besonders gut gefallen. So mögen vor allem jüngere Kinder lustige Geschichten. Für Ältere sind eine spannende Handlung und interessante Charakter wichtige Kriterien.» (nachzulesen hier: Vorlesestudie 2016 https://www.stiftunglesen.de/download.php?type=documentpdf&id=1921 ).

Ähnlich positiv wirkt sich Vorlesen unter Erwachsenen aus. In Literaturclubs liest man sich gern gegenseitig die eigenen Werke vor und diskutiert anschließend das Gehörte. Meine Ex-Schwiegermutter und ihr Freund lasen sich gern gegenseitig aus Biographien von Personen der Zeitgeschichte vor und verglichen dann in lebhafter Diskussion deren Lebenserfahrungen mit ihren eigenen. Gern lassen sich ältere Mitmenschen etwas vorlesen. Vorlesen regt an und wirkt der Vereinsamung entgegen. Aber viel zu selten nehmen sich Angehörige oder Pflegepersonal hierfür Zeit. Freiwillige Vorleser werden für Altenheime dringend gesucht.
Sind Hörbücher ein Vorleseersatz? Hörbücher werden gewöhnlich von Profis gelesen, die mit ihrer Stimme den Hörer fesseln können. Aber es fehlt etwas ganz Wichtiges: Die persönliche Nähe zum Vorleser, die Interaktion mit ihm und mit der Umgebung. Eine Konzertveranstaltung, ein Opernbesuch oder eine Autorenlesung beeindrucken erfahrungsgemäß viel mehr als das bloße Hören einer CD oder das Ansehen einer DVD. Abendliches Vorlesen am Kamin oder bei Kerzenlicht statt Fernsehen täte manchem Paar, mancher Familie richtig gut. Früher hatte man hierfür eigens Vorlesebücher, die eine bunte Mischung von Kurzgeschichten, Gedichten und Liedtexten enthielten wie z.B. Wackernagel´s Lesebuch aus dem Jahre 1847. Begrüßenswert ist die aktuelle Suche von mdrKultur nach den besten Vorlesern im Sendegebiet.

Hans J. Ferenz

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