Rassismus bei der Polizei? – Eine Studie soll helfen

21. Oktober 2020 | Glosse, Politik, Soziales, Vermischtes | 4 Kommentare

Wir schreiben einen der letzten schönen Sommerabende vor nicht allzu langer Zeit. Es ist wenige Minuten vor 20 Uhr und der Marktplatz in Halle leert sich zusehends. Dennoch weisen die am Platz ansässigen Restaurants auf ihren Terrassen noch viele Gäste auf.

Plötzlich ertönt ein kurzes aber lautes Hupen und die Gäste schrecken auf: Die Polizei hat sich in einem Mannschaftswagen blicken lassen, bisher unbemerkt ihre Kreise um den Händel gedreht und dann eine ältere Dame auf frischer Tat ertappt, als sie mit dem Fahrrad den Marktplatz überquerte.

Etwas erschrocken hält die Dame und sieht den jungen Fahrer des Autos verständnislos an, während dieser warnend auf den großen Zeiger der Turmuhr zeigt, welche erst in sieben Minuten den Startschuss für die Fahrradfreifahrt geben wird. Dann zeigt die Dame dem Polizisten einen Vogel und fährt davon. – Zur allgemeinen Belustigung der Restaurantbesucher, die diese Szene unter sich kommentieren.

Die selbe Szene wiederholt sich in den nachfolgenden Minuten noch zwei weitere Male. Erst ist es ein Mann mittleren Alters, der das Geschehen jedoch ignoriert und einfach weiterfährt, dann eine junge Frau – vermutlich eine Studentin – die dieses Mal mit Lichthupe auf ihren Regelverstoß aufmerksam gemacht wird und die fehlenden Meter bis zur Straße ihr Fahrrad zu schieben beginnt.

Der Polizeiwagen kreist ein weiteres Mal um den Händel, als plötzlich ein dunkelhäutiger junger Mann auf einem Fahrrad gemächlich herannaht. Als er die Polizei erkennt, steigt er unaufgefordert vom Rad und schiebt weiter – doch zu spät! Wie von Sinnen beschleunigt der Mannschaftswagen und schneidet ihm den weiteren Weg ab. Aus dem Kleinbus springen sogleich drei Beamte, die den jungen Mann einkesseln und ihn sich vor aller Augen breitbeinig hinstellen lassen, ihn durchsuchen und seine Personalien für die Protokollierung der Ordnungswidrigkeit aufnehmen. – Derweil erklingen die acht Glockenschläge des Roten Turms.

Auf Nachfrage eines heraneilenden Restaurantbesuchers, warum niemand der vorherigen Radfahrer derart bestraft wurde, geschweige denn eine Dame unbehelligt davonfahren konnte, die den Polizisten einen Vogel gezeigt hatte, antworten die Polizisten nur lax: „Wir können eben nicht alle kontrollieren!“

Situationen wie diese sind es, welche die Polizei im Alltag in keinem guten Licht dastehen lassen. – Mal davon abgesehen, dass die Sinnhaftigkeit der plötzlichen Präsenz der Ordnungshüter wenige Minuten vor Ablauf des Fahrradfahrverbots (und nicht etwa zu mittäglichen Stunden auf dem gefüllten Marktplatz) allein auch schon äußerst fragwürdig ist. Stichwort: Racial Profiling.

Es bleibt also Fakt: Die Orientierung an ethnischer Äußerlichkeit ist Alltag bei der Polizei. Wenngleich diese Aussage den Verantwortlichen meist sauer aufstößt.

Dem Druck der Öffentlichkeit nach immer mehr Berichten über Rassismusprobleme innerhalb der Polizeibehörden musste nun aber auch Innenminister Horst Seehofer nachgeben. Wenngleich seiner Meinung nach kein solches Problem existiert, sondern die Beamten lediglich aus ihrer Berufserfahrung schöpfen, wenn sie bevorzugt Männer im Auge haben, die nach Türke, Araber oder Libanese aussehen, gab er nun seinen Widerstand gegen eine Studie zu Rassismus in der Polizei auf.

Gestern griff er damit einen Vorschlag der Gewerkschaft der Polizei auf, die bereits im September die Untersuchung des Polizeialltags und das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Polizei angedacht hatte.

Nun gilt es also herauszufinden warum sich mitunter Vorurteile gegen bestimmte gesellschaftliche Gruppen bei einzelnen Beamten verfestigten, und was man dagegen tun kann.

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