Revolutionäre KI macht 5.000 Jahre alte Texte lesbar: Neue Perspektiven für die Archäologie

21. November 2023 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Ein internationales Forscherteam von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), der Hochschule Mainz und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat eine bahnbrechende künstliche Intelligenz (KI) entwickelt, die es ermöglicht, schwer zu lesende Texte auf Keilschrifttafeln zu entschlüsseln. Statt herkömmlicher Methoden, die auf Fotos basieren, setzt die KI auf 3D-Modelle der Tafeln und liefert damit deutlich zuverlässigere Ergebnisse.

Einige der Keilschrifttafeln sind nur wenige Zentimeter groß. / Foto: Uni Halle / Maike Glöckner

Die Entwickler nutzten für ihren Ansatz 3D-Modelle von knapp 2.000 Keilschrifttafeln, darunter etwa 50 aus der Sammlung der MLU. Obwohl weltweit schätzungsweise eine Million solcher Tafeln existieren, sind viele von ihnen über 5.000 Jahre alt und gehören somit zu den ältesten schriftlichen Zeugnissen der Menschheit. Die Bandbreite ihres Inhalts reicht von Einkaufslisten bis zu Gerichtsurteilen und ermöglicht einen einzigartigen Einblick in die Vergangenheit. Jedoch sind diese Tafeln durch Verwitterung stark beschädigt und selbst für erfahrene Forscher schwer zu entziffern.

„Der Zugriff auf den Inhalt der Keilschrifttafeln war bislang schwierig – man muss schon genau wissen, wonach man wo sucht“, erklärt Jun.-Prof. Dr. Hubert Mara von der MLU. Um dieses Problem zu lösen, entwickelte das Forscherteam eine KI, die Schriftzeichen anhand von 3D-Modellen besser als bisherige Verfahren erkennen kann. Die KI wurde mit dreidimensionalen Scans und weiteren Informationen trainiert, die größtenteils von der MLU und der Hochschule Mainz bereitgestellt wurden.

Ernst Stötzner von der MLU, der die KI im Rahmen seiner Masterarbeit bei Hubert Mara entwickelte, erklärt: „Überraschenderweise funktioniert unser System sogar sehr gut bei Fotografien, die eigentlich ein schlechteres Ausgangsmaterial darstellen.“ Die neue KI eröffnet nicht nur einen neuen Zugang zu diesem exklusiven Material, sondern wirft auch zahlreiche neue Forschungsfragen auf.

Bisher handelt es sich um einen Prototyp, der Schriftzeichen von zwei der zwölf bekannten Keilschriftsprachen zuverlässig erkennt. Die Forscher planen jedoch, die Software weiter zu entwickeln, um auch verwitterte Inschriften, beispielsweise auf Friedhöfen, zu identifizieren. Die Arbeit der Wissenschaftler wurde bereits auf internationalen Fachkonferenzen präsentiert, und kürzlich erhielt das Team den „Best Paper Award“ der Konferenz „Graphics and Cultural Heritage“. Der Einsatz dieser innovativen KI verspricht somit nicht nur eine Revolution in der Entschlüsselung alter Schriften, sondern eröffnet auch völlig neue Horizonte für die archäologische Forschung.

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