Von wegen Superfood: Asiaten machen sich im deutschen Kleingarten breit

18. September 2017 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Es macht manchmal Spaß, Kleingartenforen zu lesen. Man kann so wunderbar Mäuschen spielen. Es bedient so gewisse voyeuristischen Lüste, zu erfahren, was die Menschen bei der Beschäftigung mit ihren kleinen Parzellen so umtreibt.

Vor einiger Zeit ging es mal wieder in irgendeinem Thread in irgend einem abgelegenen Gartenforum unserer Republik um Angst vor Neophyten, vor Unkraut, Krankheiten, Religion und natürlich um Sex. Hören wir doch mal rein. Irgendjemand hatte die Frage nach Erfahrungen mit einer bestimmten Pflanze reingestellt. Und da ging es gleich los:  „Ich kann nur jeden warnen mit dieser Pflanze etwas anzufangen“, sagte der erste. „Die Pflanze wächst nämlich auf jedem nur erdenklichen Untergrund.  Sie vermehrt sich ohne jedes menschliche Zutun auf etwa das 40-fache pro Jahr. Habe versucht, das das Zeug mit den in der Landwirschaft üblichen sauteuren Giften wegzubekommen. Ich bin gescheitert“.

Der User ist offenbar der Typ brutale Giftspritze, sicher hat er in der Laube ein ganzes Fass Glyphosat stehen. Die nächste Userin (Lisa) ist schnell zur Stelle: sie hat gerade erfahren, woher die Pflanze stammt, und greift gleich in die Tasten: „alles was aus Fernost kommt, muss gut für die Gesundheit und für die Seele sein. Warum eigentlich? Hihi.“

„Franz“ dagegen ist ein ein großer Asienkenner: „Ich finde es immer wieder interessant, dass der Europäer nur an Aphrodisiaka denkt, sagt er. „In China wird diese Pflanze in Alkohol eingelegt und zur Winterszeit gegen Erkältung eingesetzt. Bei sexuellem Notstand gibt es bessere Kräuter. Das Problem in unserer Kultur ist, dass unsere Kräuterkundigen alle von der Amtskirche verfolgt und zu Tode gebracht wurden..“, äußert er nun fundamentale Kritik an den Werten der westlichen Welt.

Dafür steht Lisa dann doch mehr auf Kelten: „ICH habe nicht an Aphrodisiaka gedacht. Die Bemerkung bzgl Amtskirche ist interessant. Dazu kann ich nur sagen, dass vor 3000 Jahren in Österreich Kelten waren, die haben viel Salz gehabt und wenig Kräuter, aber dann kamen die Römer und die kannten sich schon mit Kräutern aus, besonders mit …“
Nun wird es spannend, wie die beiden Kirchenkritiker und Esoteriker aus West und Ost zusammenfinden. Allerdings meldet sich nun auch noch Fred: „Ach ja, die Römer. Vor denen war ja gar nichts, diesen Eindruck könnte man haben, wenn man unseren Lehrern glauben wollte. Die Kelten haben aber vorher auch schon Kräuter gekannt. Die Leute tun so als gäbe es vor den Römern nichts. Als wären unsere Flora und Fauna hier kahl und öde gewesen„Verschwörerisch wirft er in die Runde: „Die Klöster sind nur ein Teil der Maschinerie der Amtskirche, eine Krankheit war für sie eine göttliche Bestrafung, die nur Sünder befällt, also vor der Heilung Unterwerfung. Die Druiden wurden von diesen „Gläubigen“, wie der Teufel bekämpft, mit gutem Grund. „

Oben links: Darstellung aus der Ming-Zeit: Ein Mann füllt Früchte in einen Topf, um sie zu einer alkoholischen Flüssigkeit zu vergären. Das ist eine Anwendungsmöglichkeit für die Pflanze der Woche, die wir dieses mal suchen

Es geht noch eine Zeit so weiter, man kommt auch wieder auf unsere Pflanze zu sprechen, die offenbar Früchte hervorbringt.  Franz gibt als Wissender offenbar auch Unterricht:

„Im letzten Jahr hielt ich in einer Selbshilfegruppe für Schlaganfallbetroffene einen Heilkräutervortrag. Während des Vortrages wurde der Gruppe die Früchte  zum Versuch angeboten, jeder der 40 Personen war vom Geschmack begeistert. Hier nur zur Klarstellung, ich mache für keinen Werbung, will auch nichts verkaufen. Übrigens die Blätter kann man trocknen, und als Tee verwenden, man kann sie als Blattgemüse bzw jedem Salat beimengen.“

Jetzt meldet sich Silvia: „hab auch so eine Pflanze geschenkt bekommen und nach gründlicher Recherche noch vor dem Einpflanzen sofort im Mülleimer entsorgt“.

Nun meldet sich der User „Geizhals“ und führt den ökonomischen Aspekt ein:

„Wenn die Pflanze wie Unkraut wuchert und überall wächst, wieso will dann eine Baumschule in Hannover 20 €  pro Stück? Wieso sind die getrockneten Beeren teuer wie Gold? Sie schmecken nicht mal überragend. Also halte ich mich doch an die heimischen SCHMACKHAFTEN Kulturbeeren, Brombeere, Himbeere, Heidelbeere, Holunderbeere, Stachelbeere, Johannisbeere in drei Farben, da krieg ich auch alle diese Inhaltsstoffe, muss halt mehr davon essen, ist ja gesund, nimmt den Platz weg für Junkfood .

Hausfrau Hedi scheint ihren Mann streng unter der Fuchtel zu haben, sie kontrolliert heimlich alle seine Einkäufe:

„Zufällig bin ich in dieses Forum geraten, weil mein Mann bei OBI laut Kassenbeleg „die Pflanze“  gekauft hatte, ich nicht wusste, was das sein sollte und deshalb habe ich im Netz recherchiert. Ich muss mal schauen, wo mein Mann die Pflanze eingesetzt hat um ihr gleich Einhalt zu gebieten, falls sie sich wirklich zu sehr breit machen sollte“.

Jetzt ist Lisa wieder da. Irgendwas läuft nun scheinbar zwischen Franz und ihr:

„Franz,, ich habe keine E-Mail bekommen traurig

Franz: „Hallo Lisa, habe gerade die 2 Mail an dich geschrieben, komme mit meinem Server GMX.net leider nicht durch, immer Fehlermeldung, so kommen wir wohl nicht zusammen. Die Pflänzchen tragen momentan irre viele Früchte. Was nutzen Dir aber all die guten Nachrichten, wenn unsere Mails nicht klappen. Gruß Franz“

Lisa: „Franz,  du bist süß, dass du noch an mich denkst! War vorgestern das erste Mal in meinem Pool, naja, hmhm, nur ganz kurz lächel
Meine Nispero (Loquats)haben schon dicht getragen, ein 2-jähriger, die Avocados setzen Blüten an, Physalis eingesetzt und nach 4 Monaten schon große Ernte, hier gilt das als ..“

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann zwitschern sie alle immer noch. Zwischen Franz und Lisa  hat es vielleicht zwischenzeitlich geschnackelt, Fred ist vielleicht aber auch im Giftfass ertrunken, und  Geizhals trifft sich mit Hedi, um die Abrechnung von Kassenzetteln zu optimieren.

Wir wollen dagegen nur wissen:

Um welche Pflanze geht es?
Wir suchen nach dem lateinischen, dem deutschen und dem chinesischen Namen. Welche Inhaltsstoffe sollen unsere Pflanze zum modischen „Superfood“ machen?
Und ist da auch was dran? Oder sind das nur geraspelte Nashornpenisse?

(Red)

 

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: Die Königskerze

Eine Kerze, auch für Königinnen
Ein imposantes Gebilde, das fast in jedem Garten, am Wegesrand und in Kiesgruben wächst, ist die ein- bis mehrjährige Königskerze als nicht verholzende Blütenpflanze. Sie liebt trockene Standorte (genau, Agricola!), mag es karg und ruhig, nur dann blüht sie irgendwann im Sommer, nacheinander eine Blüte nach der anderen. Es gibt rund 300 Arten, viele davon dienen als Heilkräuter. Ihr botanischer Gattungsname Verbascum leitet sich vom lateinischen „barbascum“ ab, das heißt „bärtig“, meint die rauen, wolligen Blätter oder die haarigen Staubgefäße. Diese wurden auch als Docht in Lampen verwendet, als „Wollfaden“, den man entzündet (vgl. Verbascum lychnitis, von lychnos = Lampe). Ich glaube, jeder Mitrater wusste für sich, welche Pflanze gesucht war, verraten hat es dennoch keiner. Stattdessen entbrannte eine kurze Genderdiskussion, die uns ratlos zurücklässt: Ist die Königskerze nun phallokratisch oder matriarchalisch? Nennen wir ES einfach Wollkraut oder auch Himmelskraut.
Wir waren gerade beim Wortstamm, barbascum als Ähnlichkeit zu Verbascum. Der Begriff Barbasco steht nun generell für giftige Blütenpflanzen, die zum Fischen verwendet werden: Bereits in der Antike wurden Königskerzen dafür gebraucht, den Fischen ihr feuchtfröhliches Dasein zunichte zu machen. Unsere Vorfahren haben Samen oder Blätter der Königskerze ins Wasser gestreut, der hungrige Fisch schnappte zu und verlor seine Sinne. Das klingt nicht gerade sportlich, man musste nur noch zugreifen, um das betäubte Fischlein abzupflücken. Zur Verwendung kamen weltweit unterschiedliche Pflanzen, das Fischgift wird dennoch in Anlehnung an die Königskerze erst einmal Barbasco genannt. Unschädlich für den warmblütigen Menschen, ist die Giftwirkung für die Fische z.B. bei der Königskerze auf Iridoide zurückzuführen, natürliche Abwehrstoffe der Pflanze gegen Fraßschäden.

Magie und Licht

Unsere majestätische Blütenpflanze kennen wir meistens mit zahlreichen, gelben Blüten an einem hohen Kolben, doch auch weiß, rosa und rot erscheinen die Kronblätter des kerzenartigen, meterweit in den Himmel ragenden Blütenstands in der Natur. Rasch etablierte sich die Pflanze als Schutzpflanze in Klostergärten. Traditionell wurde die Königskerze dann auch als zentrale Blume in Maria-Himmelfahrtssträußen am 15. August in der katholischen Kirche geweiht, um das folgende Jahr Segen über Haus und Hof zu bringen. Dieser Gedanke wurde weitergesponnen, so soll man ein Sträußchen auf Wanderschaft mitnehmen, um vor wilden Tieren und mangelndem Mut geschützt zu sein – zumindest aber, um sich Blätter in die Schuhe zu legen, wollte man sichvor Erkältungen schützen. Begegnete man dann seiner gegenseitigen Entsprechung, soll diese sogleich in Liebe verfallen, dank der begleitenden Königskerze, und des Nachts war man zugleich vor Albträumen geschützt – falls noch an Schlaf zu denken war. Falls aber nicht, sollte man ein romantisches Feuer entfachen: Indem man die wolligen Blätter als Zunder nutzt, dann den Blütenstand mit Stiel in Öl, Pech oder eine talgige Mischung taucht und anzündet. Jetzt ist die Königskerze die schönste Fackel, unsere Candela Regia, die Kerze der Königin (ja, Lou, im 18. Jahrhundert dominierte das Patriarchat wohl nicht namensgebend).

Links: Zu erkennen sind die bärtigen Staubgefäße der hier gelb blühenden Verbascum-Art. Solange die Kronblätter sich nicht braun verfärben, sollte man sie sammeln, trocknen und bei Bedarf als Erkältungstee, schleimlösend vor allem bei Husten einsetzen. Das ist der süßlich schmeckende, sog. Himmelbrandtee.
Rechts: Nahe ans Haus gepflanzt, soll die Königskerze vor Blitzschlag und dem besuchenden Unhold schützen. Nicht mehr zu sehen ist die grundständige, weich pelzige Blattrosette, aus der sich ein runder, bis zu 3 Meter langer Blütenstängel aufrecht gen Himmel streckt. Die Blätter können in der Volksmedizin als Salbe oder Badezusatz bei Hautproblemen genutzt werden.

Ulysses ließ sich nicht bezirzen

So sagt die Sage: Odysseus (oder lateinisch Ulysses) schütze sich mit einer Königskerze gegen den Zauber und die List der Kirke (Circe). Dass er aber doch ein Kind von ihr hatte (- dazu gibt es widersprüchliche Schriften), spricht gegen die Wirksamkeit der anderenorts als Katalysator fürs Verlieben verwendeten Pflanze. Immerhin wurde er nicht, wie seine Gefährten, in ein Schwein verwandelt. Ob diese sagenumwobene Pflanze Moly wirklich eine Königskerze war, ist natürlich ebenfalls mehr als umstritten.
Tatsächlich ranken sich zahlreiche Sagen um die magischen Wirkungen der Königinnenkerze: Vor allem die beschwörende Hexe soll ihre Öllampe mit Königskerzendochten bestückt haben. Nun wurde bei manchen Zaubersprüchen Friedhofserde gebraucht. War diese nicht vorrätig, eigneten sich die zu Puder zermahlenen Blätter der Königskerze als magischwirksamer Ersatz. So heißt es. Selbst die Asche der Pflanze soll hohe magische Eigenschaften besitzen.Früher warf man die Königskerze ins Mittsommer-Feuer, um seine Tierherden zu bewahren. Indien schwor auf Königskerzenwirksamkeit bei bösen Geistern und negativen Energien.

Wetterkerze, Blitzkerze, Donnerkerze

Auch heute noch gibt es eine lebendige Mystik, den direkten Draht zum Herrgott: Sei es die Ausrichtung ihrer Blütenspitzen (Neigung nach Osten – schön wird’s! Neigung nach Westen: Schlechtwetterbot.), sei es ihre vielerorts praktizierte Vorhersagekraft in der Schneeprognose. Stichtag ist wieder Himmelfahrt: Wenige Blüten bedeuten wenig Schnee, viele Blüten deuten auf viel Schnee im kommenden Winter hin. Zu lesen ist der Blütenstand von unten (Spätherbst) bis zur oberen Spitze (Ostern). Die beobachtenden Oberfranken sagen einen schneearmen Winter mit vereinzelten Schneeflocken im späten Frühjahr voraus. Als Mitdeuter sage ich: Auch in unserem Garten werden wir 2017/2018 wohl nicht mit Schlittenfahrten rechnen können. Rein wissenschaftlich, natürlich.

(A.S.)

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