Tote Omas im Himmel und unter der Erde

10. Dezember 2018 | Bild der Woche | 4 Kommentare

Bedächtig schnitt Jupp den Ring Blutwurst in Scheiben, freute sich über den feinwürzigen Geruch und das Aussehen der dunkelviolettbraunen Masse, die mit feinen weißen Stippen durchsetzt war. Nichts weiteres war in den edlen Anschnitte  zu erkennen, keine minderwertigen Fleischstücken etwa, oder gar irgendwelches Gemüse. Es hatte lange gedauert, bis Jupp, vor bald 30 Jahren an die Saale geraten, bei einem „Metzger seines Vertrauens“ eine Blutwurst fand, die einer echten „Flönz“ ebenbürtig war. Für seine Zwecke war das wichtig: Sie sollte fein gebraten werden, und durfte dabei nicht zerfallen, wie es die vielen Rotwurst- und Grützwurstsorten, die hier im Handel angeboten wurden, nämlich taten. Dabei kam dann immer eine fürchterliche Pampe heraus, die die Saaleanrainer despektierlich „tote Oma nannten“, und Jupp erinnerte das eher an „Dress“, was in seiner Heimatsprache etwas sehr Widerliches meint, aber eben ganz genau so aussieht. Dagegen die echte „Flönz“, wie auch die geräucherte, harte Blutwurst, die er bei seinem Metzgerfreund ergattert hatte: die geschnittenen Scheiben erinnerten ihn an kaiserlichen Porphyrstein, nicht Löbejüner, sondern den richtigen, der im römischen Reich nur den obersten Adelsschichten vorbehalten war. Noch mehr hatte Jupp aber der Badezimmerfußboden aus Terrazzo seiner Großeltern an Blutwurst erinnert.

Derart in der Vergangenheit versunken, gab Jupp die Wurstscheiben in die Pfanne zu der erhitzten Butter, es knisterte, nun hieß es vorsichtig rühren. „Blootwoosch, Kölsch un e lecker Mädsche“.. Das Lied von den „Höhnern“ drehte Jupp dabei vergnügt in seinem inneren Ohr auf volle Lautstärke. Die gebratene Wurst, die alsbald viel Saft und Fett ausgeschwitzt hatte, nahm er heraus, stellte sie warm. In das heiße Fett warf er zwei Hände voll gehackter Zwiebeln („Öllisch“) hinein, und löschte mit Rotwein. Aber das Gericht war lange nicht fertig – die wichtigste Beilage fehlte. So nahm er den Topf, in dem sich zweierlei Pflanzliches vorgegart befand – von zweierlei Herkunft. Beide Pflanzen hatte eine längere Reise und ebenso lange Geschichte hinter sich, mancherlei verband sie, manches trennte sie, Antipoden gewisserweise, die aber untrennlich zusammengehören, „Esu wie dat Ying un dat Yang bei dem Schinesen“, wie Jupp fand. Die beiden Pflanzen, deren Produkte Jupp nun vorsichtig mit dem Stampfer zerdrückte, sind beide fremd hier, und dennoch so bekannt: während die eine von ganz weit aus dem Westen kam, war die andere, unsere Gesuchte, eher asiatischer Herkunft.

Während wir Jupp nun sein merkwürdiges Mal genießen lassen, wenden wir uns der gesuchten Pflanze zu, ohne die Jupp „niemols em Levve“ seine Flönz verzehren würde. Richtig groß gemacht und propagiert wurde ihr Anbau nämlich durch die Preußenkönige Friedrich I. und Friedrich II. Sie versuchten, die brandenburgischen Bauern zum Anbau zu bewegen – und stießen dabei lange auf Granit, teils musste man mit drakonischen Strafen nachhelfen.

Unsere Fragen:

-Wie heißt die gesuchte Pflanze?
-Wo stammt sie her ?
-Wann kam sie zu uns?
-Und was war das für eine Pampe, die Jupp in seinem Topf zusammengerührt hat?

HW

Auflösung der letzten Pflanze der Woche (Der Verzehr lässt Dich alt aussehen): Greiskraut, Kreuzkraut, Senecio vulgaris

„Gork vom Ork“ hatte es herausgefunden: Gesucht war in der letzten Woche das Gemeine Greiskraut Senecio vulgaris, auch verballhornt als Kreutzkraut bekannt. Namensgeber sind die weißen Flughaare der kleinen Früchte, die an weißhäuptige Greise erinnert. Die Pflanze wächst und blüht ganzjährig, wenn die Wetterbedingungen es zulassen. Dank ihrer Alkaloidgehalte wird das Kraut von Pflanzenfressern gemieden, breitet sich sogar zunehmend aus. Interessant ist, dass manche Insekten bevorzugt auf dieser Pflanze fressen. Sie können deren giftige Pyrrolizidinalkaloide nicht nur tolerieren, sondern sogar selbst speichern. Diese erworbene chemische Fracht wirkt sich als chemischer Schutz gegenüber potentiellen  Fressfeinden aus.

(Hans Ferenz)

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