Schaumgeborenes Gemüse mit Petroleumgeschmack

12. September 2022 | Bild der Woche | Ein Kommentar

Als Sandro Botticelli mit der Geburt der Venus eines seiner berühmtesten Gemälde erschuf,  ließ er sie der antiken Mythologie entsprechend einer Muschel entsteigen. Darauf steht die Lustgöttin so aufrecht und steif wie eine BWL-Studentin auf ihrem E-Scooter, die kaum angedeutete Brandung genau so ignorierend wie das angestrengte Gepuste des Sturmgottes Zephyr auf der linken Seite des Gemäldes. Auf der rechten Seite wirft ihr die Jahreszeitengöttin Hora den Mantel der Geschichte zu – Madame Venus nimmt das angebotene Hilfspaket ungerührt zur Kenntnis. Im Vordergrund hat Meister Botticelli ein paar Pflanzen gemalt (malen lassen), Blümchen segeln irgendwie vom Himmel herab. OK, lassen wir die Kunstkritik. Aus Sicht des Autors dieser Zeilen ein missratenes Werk. Botticelli hat auch danach selten Bedeutenderes geschaffen, trotz der unbestritten grandiosen Perfektion seiner Ateliermitarbeiter, die den Pinsel führten. Wird man doch mal sagen dürfen (@Warburg)

Hätte Botticelli bei der Erschaffung dieser „Ikone der Renaissancezeit“ sich nur ein ganz klein wenig an der Natur orientiert, und nicht wie ein Pasticcio im Studio Figuren zusammenkopiert (ja, Herr Warburg, so war das nämlich), so hätte er richtige Felsen gemalt, an denen der Schaum der Brandung empor spritzt, und vielleicht eine Venus, die elegant ihrer Muschel entkommen, auf den umtosten Felsen ein Kraut sammelt. Solches, das im Spritzsaum auf den Felsen der Mittelmeerküsten gar nicht so selten ist: weil es die salzige Prise der Brandung gut verträgt. Es ist aber keineswegs eine Wasserpflanze, sie verträgt, ganz im Gegenteil, mit ihren dickfleischigen, gefiederten Blättern durchaus Trockenheit. Warum sollte Venus aber die Pflanzen einsammeln? Sieht man genauer hin, nimmt sie nur die jungen Blättchen, die teils schon in Samen übergegangen gelben Blütendolden lässt sie stehen. Später wird sie damit vielleicht ein Mahl zubereiten – als Vorspeise, vielleicht garniert mit einem Schäumchen von der Venusmuschel.

Sie wird die Blättchen kurz in Wasser blanchieren, Salz kommt nicht hinzu, denn die Pflanze hat schon einen leichten Salzgeschmack. Zehn Minuten köchelt das Gemüse vor sich hin, dann schüttet sie das Wasser weg, die Blättchen aber, leicht knackig noch, aber nicht mehr hart, bekommen einen Schuss guten Olivenölsnatürlich, wie es sich für eine Göttin gehört, „extra vergine“) und ein paar Spritzer Zitrone.

So genossen, eine wahre Götterspeise. Auch die meisten Mittelmeeranrainer schätzen diesen Meersalat, doch einige stört der leichte „Petroleumgeschmack“, der jedoch nicht etwa von irgendwelchen Schiffshavarien her rührt, sondern auf ätherische Öle zurück zu führen, die in großer Menge in Form kleiner Bläschen in den ledrigen Blättern der Pflanze schlummern.

Seeleute haben sie, eingelegt in Salz, dereinst auf längere Reisen mit genommen. Um einer ziemlich vermeidbaren Krankheit vorzubeugen.

Warum, fragen wir, und: um welche Pflanze handelt es sich?

(Hei-Wu)

Auflösung der letzten Pflanze der Woche („Ährenwertes Würzkraut)“: Ährige Teufelskralle (Phyteuma spicatum)

Richtig, @Gork vom Ork: Wir suchten die ährige Teufelskralle, Phyteuma spicatum,. Ihr Furcht erregende deutsche Trivialname bezieht sich auf die Form der Einzelblüten. Der in ihnen enthaltene Nektar ist nur für langrüsselilge Insekten zugänglich. Das Besondere an der Ährigen Teufelskralle ist ihre große rübenähnliche saftige Wurzel, deren Geschmack an Meerrettich erinnert. Man kann sie auch im Winter sammeln. Die Pflanze eignet sich sich für einen naturnahen Garten. Das lohnt sich , wenn man die Pflänzchen im Spätwinter vorzieht und im zeitigen Frühling auspflanzt. 

(Hans Ferenz)

Noch viel mehr Pflanzen findet Ihr in unserem Archiv. Seit 2016 jede Woche ein neues Gewächs im unserem  virtuellen Hallischen Kleingarten.

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