Pflanze der Woche: Würzig, pfeffrig, unbekannt

22. April 2019 | Bild der Woche | 6 Kommentare

Viele interessante essbare Wildkräuter wachsen oft geradezu vor unserer Haustür. Mangels Pflanzenkenntnisse werden sie aber häufig nicht erkannt und nicht genutzt. Der heutigen Rätselpflanze begegnete ich auf der Peißnitz in Halle. Im lichten Gebüsch fielen ihre kleinen weißen Blüten auf. Das gesuchte Gewächs ist eine in Europa heimische Pflanze, deren natürliches Verbreitungsgebiet bis nach Vorderasien reicht. Sie ist in freier Natur recht häufig anzutreffen. Bevorzugt wächst sie u.a. auf Brachflächen, an Gartenrändern und Heckenplätzen und Standorte mit stickstoffreichen Böden.
Die Rätselpflanze ist unter Liebhabern von Wildkräutern keine Unbekannte. Der würzige Geschmack kann in der Küche vielseitig verwendet werden. Das recht unscheinbare Wildkraut liefert zudem wertvolle Vitamine und Mineralien. Es ist ein typischer Vertreter aus der Familie der Kreuzblütengewächse (Brassicaceae). Die meist zweijährige Pflanze kann 60-70 cm hoch werden. Ihre Blätter ähneln einer Mischung aus Brennnessel und Gundermann. Sie verfügen jedoch nicht über Brennhaare und sind an den Blatträndern meist deutlicher gezackt. Markante Merkmale sind die Einkerbungen am Blattstiel sowie der typische Duft beim Zerreiben der Blätter. Die Grundblätter sind meist deutlich runder als die emporwachsenden Blätter, die meist spitz zulaufend sind. Im Gegensatz zum leicht vierkantigen Stängel sind die Blätter außerdem unbehaart. Die Blüten sind weiß gefärbt und erscheinen ab April. Jede der 5 bis 8 mm großen Blüten besteht aus 4 Kelchblättern, 4 Kronblättern und 6 gelben Staubblättern. Die Blüten sind nur an der Spitze der Pflanze zu finden und in kleinen Trauben angeordnet. Zur Fruchtreife bilden sich lange Schoten aus, die jeweils bis zu acht dunkle nahezu schwarze, ca. 4 mm lange Samen enthalten.
Das gesuchte Wildkraut lässt sich vielseitig verwenden und leicht verarbeiten. Außerdem enthält die Pflanze viele Inhaltsstoffe, die einen positiven Einfluss auf unseren Organismus haben können. Der Genuss der Blätter, Samen, Blüten und Wurzeln der zu erratenden Pflanze blickt daher auf eine lange Tradition zurück; man fand an der dänischen und norddeutschen Ostseeküste prähistorische Gräber und alte Feuerstätten, an denen Reste der Pflanze gefunden werden konnten. Im Mittelalter wurde sie an Stelle von Pfeffer verwendet, was zu jener Zeit als eine exquisite Kostbarkeit galt. Neben dem eigentümlichen Geschmack hat die Pflanze einen Vorteil: nach dem Essen duftet man nicht nach dem aromenverwandten Zwiebelgewächs. Ebenfalls roh gegessen werden ihre Blüten und Blätter. Durch das Erhitzen geht das eigentümliche Aroma verloren, weshalb dieses Wildkraut nicht geeignet ist, um Braten oder Soßen während des Kochens zu verfeinern. Stattdessen wird das klein geschnittene Kraut nach dem Erhitzen bzw. vor dem Servieren über Speisen gegeben. Es passt hervorragend in die kalte Küche, z.B. zur Verfeinerung von selbstgemachter Kräuterbutter, Wildkräuterfrischkäse oder -quark. Es eignet sich auch zur Herstellung eines Kräuterpestos.
Genutzt wurde die Pflanze als Heilkraut, z.B. als Salbe, indem Blätter zerrieben und mit Essig, Salz und Ingwer vermischt wurden. Die Heilwirkung beruht vor allem auf den enthaltenden Senfölglykosiden, Saponinen sowie einigen ätherischen Ölen. Diese Inhaltsstoffe wirken vor allem antibakteriell, wassertreibend, auswurfsfördernd, schleimlösend und leicht wundheilend. Da die Pflanze zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe enthält und Nebenwirkungen nicht bekannt sind, gilt sie zu Recht als gesundes Wildgemüse.

(H. J. Ferenz)

Auflösung zur letzten Rätselpflanze:
Gesucht war der Sauerampfer (Rumex acetosa). Er ist bei uns sehr häufig anzutreffen. Allmählich bekannt wird außerdem der Blutampfer (Rumex sanguineus), der vor allem aufgrund seines milderen Geschmacks als Küchenkraut dem Sauerampfer vorgezogen wird. Es wird aber auch berichtet, dass der Blutampfer eher bitter schmeckt. Die glatten und länglichen Blätter des Sauerampfers sind abhängig vom Gehalt der Oxalsäure dunkelgrün bis rötlich gefärbt. Je mehr Oxalsäure enthalten ist, umso rötlicher sind sie. Die spitz nach oben zulaufenden Blätter sitzen einzeln auf dem fast viereckigen Stängel. Die Blätter sollten am besten frisch verwendet werden. Trocknung und Einfrieren ohne Wasser ist als Konservierungsmethode nicht oder nur bedingt zu empfehlen. Eine Konservierung durch Einlegen in Öl ist gut möglich. Als Stichtag des letzten Erntetages gilt – wie bei Rhabarber – der 24. Juni. Ab diesem Datum nimmt die Konzentration der Oxalsäure, die Sauerampfer den bitterlichen Geschmack verleiht, zu und macht das Wildkraut unangenehm im Geschmack und irritiert den Magen. Deshalb sollte Sauerampfer danach nur noch gelegentlich und in geringen Mengen gegessen werden. Sauerampfer kann mit jungem Aaronstab verwechselt werden. Das ist fatal, weil der Aaronstab ziemlich giftig ist. Ein vorsichtiger Geschmackstest schafft aber flott Klarheit: der Aaronstab brennt und prickelt auf der Zunge und schmeckt nicht säuerlich.
In Zeiten, in denen vitaminreiche Kost Mangelware war, wurde Sauerampfer gegessen, um Skorbut zu heilen. Sein Vitamin-C Gehalt liegt meist zwischen 50 und 100 mg pro 100 Gramm Sauerampferkraut deutlich über dem vieler anderen Kräuter. Neben Vitamin C enthält die Pflanze auch ausreichend Vitamin B1, B2, B6 und E. Hinweis: Sauerampfer sollte als Heilkraut nicht bei Menschen mit bekanntem Nierenleiden verwendet werden. Ebenso kann das enthaltende Kaliumhydrogenoxalat Krämpfe in der Schwangerschaft auslösen, weswegen es auch hier nur sparsam verwendet werden sollte. Außerdem sollten Menschen mit Eisenmangel Sauerampfer etwa zwei Stunden zeitversetzt zu eisenhaltigen Mahlzeiten essen, da die Oxalsäure die Eisenaufnahme aus pflanzlicher und tierischer Nahrung behindert.
Übrigens: Der Frankfurter »Verein zum Schutz der Frankfurter Grünen Sauce« hat bei der Europäischen Union den Schutz der Bezeichnung »Frankfurter Grüne Sauce« beantragt. Eine Sauce mit diesem Namen darf danach nur aus den klassischen sieben Kräutern bestehen, ohne die Kasseler Dill- und Zitronenmelisse-Variante. Jede Kräuterart soll zudem maximal 30 % der Gesamtmenge betragen dürfen, und mindestens 70 % der Kräuter müssen nach dem Antrag aus der Frankfurter Region kommen. Noch hat die Europäische Union allerdings nicht darüber entschieden.
Grüne Sauce isst man meist zu Pellkartoffeln, mit 4 halben gekochten Eiern oder auch zu Ochsenbrust und Tafelspitz. Am besten schmeckt sie in der Zeit von Gründonnerstag bis zum ersten Frost. Dies ist die traditionelle Saison für Grüne Sauce. In dieser Zeit erhält man die Kräuter in Frankfurt und Umgebung auf jedem Markt und in den meisten Supermärkten.
(H. J. Ferenz)

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