KO mit Hexenkraut

19. November 2018 | Bild der Woche | 2 Kommentare

Unsere Rätselpflanze wurde offenbar wegen ihrer imposant großen, weißen Blüten aus Mexico schon früh importiert. Adamus Lonicerus erwähnt das Nachtschattengewächs in seinem Kräutterbuch von 1679: „ … zuoberst am Stengel und Aestlin kommen lange grüne Knopff, eine Fingers lang; daraus werden lange Glockenblumen, eckicht, fast wie weisse Lilien, eines lieblichen Geruch …“. Und er vermerkt noch „Es verdirbt alle von Kälte und muss derowegen jährlich wieder gesät werden“. Heute findet man die einjährige Pflanze nicht selten an kultivierten Flächen in klimabegünstigten Regionen, wo sie auch an geschützten Stellen wie Komposthaufen überwintert. Die stattlichen trompetenförmigen Blüten öffnen sich gegen Abend. Nachtschmetterlinge besuchen die Blüten dann gern, angelockt vom Blütenduft, und befruchten diese. Die Früchte sind vierkammrige Kapselfrüchte, die mit verschiedenartig geformten scharfen Stacheln, mit schwach behaarten Borsten oder zahlreichen stumpfen Höckerchen besetzt. Das stachelige Erscheinungsbild trug zur Namensgebung bei. Volkstümliche Namen wie z.B. Asthmakraut, Donnerkugel, Hexenkraut, Kratzkraut, Schlafkraut, Schwarzkümmel oder Tollkraut deuten auf die parmakologische Wirkung dieser Pflanze hin. Die Rätselpflanze ist nämlich hochgiftig! Sie enthält in allen Teilen ein Gemisch von Tropanalkaloiden, deren Gehalt zwischen 0,2 – 0,6 % schwankt, insbesondere Atropin und Scopolamin. Sie können Sinnestäuschungen, gesteigerte Erregung, Übelkeit oder auch Sehstörungen und Atemlähmung hervorrufen. Atropin hemmt die Weiterleitung von Nervenimpulsen. Der Wirkstoff Scopolamin ist hochgradig halluzinogen. Es bewirkt psychoseähnliche Zustände. Angstzustände und Unruhe können hinzukommen. Die Konzentration der Wirkstoffe von Pflanze zu Pflanze und von Pflanzenteil zu Pflanzenteil können allerdings sehr stark schwanken. Ein schwach wirkendes Blütenteil oder Samenkorn kann beim nächsten Mal ein Vielfaches des Wirkstoffes enthalten. Schon ab 15 Samen sind tödliche Komplikationen zu erwarten. Auch Teeaufgüsse können noch hohe Anteile des Giftes enthalten.
Schon um 300 v. Chr. wurde von der narkotischen und toxischen Wirkung dieser Pflanze berichtet. Von dem arabischen Arzt Abu Sina wurde die Pflanze um das Jahr 1000 n. Chr. zum ersten Mal medizinisch eingesetzt. In Übersee wurde die Pflanze bei einigen Völkern für Halluzinationen und Rauschzustände verwendet. Vergiftungen traten durch den innerlichen Genuss des Asthmatees aus dem Kraut, statt dem inhalativen Gebrauch, auf. Die Pflanze ist ein beliebtes Rausch-, Mord- und Suizidmittel. Sie ist ein Bestandteil der so genannten K.O.-Tropfen und dient als LSD-Ersatz. 1762 untersuchte Anton von Störck, der Leibarzt der österreichischen Kaiserin Maria Theresia den möglichen medizinischen Nutzen. Er behandelte damit erfolgreich Patienten, die an „Wahnwitz“, „Schwindel mit Wahnwitz und Raserei“, „fallender Sucht mit Verwirrung und Wut“ litten. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden diese Therapieanregungen Störcks nur zögerlich aufgenommen.
Wegen der Vergiftungsgefahr sollte man diese Pflanze meiden, insbesondere, wenn sie für spielende Kinder zugänglich ist.

(H.J. Ferenz)

Auflösung der letzten Wochenpflanze („zum Kringeln“): die Ringelblume, Calendula officinalis

Geraldo kam drauf da war unsere Pflänzlein gerade eine Viertelstunde im Netz: die Ringelblume, Calendula officinalis. Die gelb bis orangefarbenen Korbblüten bevölkern in unseren Breiten die Ziergärten, besonders solche, in denen nicht jedes Wochenende die Unkrauthacke bewegt wird. Und das bis spät in den Herbst, sogar in den Winter hinein, leichte Fröste machen ihr nichts aus. Ihre Heimat ist (vermutlich) der Mittelmeerraum, von wo sie bereits im Mittelalter in die Kloster- später auch in die Bauerngärten gelangte. Im Mittelalter wurde sie als Heilpflanze entdeckt, eine Rolle, die ihr offenbar in der Antike nicht zukam. Dabei sind ihre Inhaltsstoffe tatsächlich pharmazeutisch wirksam: ihre leicht antiseptiche, vor allem aber wundheilenden Effekte sind medizinisch nachgewiesen. Die Wirkstoffe befinden sich in den Blütenblättern, die Pflanze wird in Europa tatsächlich feldmäßig hierzu angebaut. Welche dies genau sind, ist offenbar unklar. Enthalten sind  Flavonoide, und  Triterpensaponine.

Interessant sind auch ihre Früchte („Samen“). Sie weisen unterschiedliche Formen auf (Heterokarpie). Die Am Äußeren Fruchtstand stehenden sind länglich gebogen, und haben flache Flügelblätter, innenstehendere sind hakenförmig oder gar gekringelt (daher der Name „Ringelblume“). Die Samen können damit auf unterschiedliche Weise verbreitet werden: durch den Wind (wobei sie nicht besonders weit fliegen) oder durch Tiere, in deren Fell sie sich festkrallen können.

(HW)

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