Das geheimnisvolle Loch im Garten

8. Oktober 2018 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Nachdenklich besah sich Hei-Wu das kleine Pflänzchen, dessen Halme sich kaum einen Fuß hoch in dem Loch zwischen dem Erdbeer- und dem Kartoffelfeld im Garten  in den bedeckten Herbsthimmel streckten. „Das war wohl nichts“ stellte er mit der trotzigen, schwer errungenen, schließlich doch abschließenden Selbstüberzeugung des frustrierten Freizeitgärtners  fest. Wütend auf sich selbst wollte er das mickrige Bündel Pflanze herausreißen,  als die Eingabe über ihn kam: Pflanze der Woche !

Unsere Wochenpflanze versteckt sich zwischen den deutschen Feldfrüchten Kartoffeln und Erdbeeren

Heimische Gärtner werden bekanntlich übermütig, wenn sie meinen, die spürbare Klimaerwärmung gäbe ihnen die Gelegenheit, mit dem Anbau subtropischer, oder gar tropischer Pflanzen zu experimentieren. Und manchmal funktioniert es ja auch. Da ernten Hallenser plötzlich Zitronen im Kübel auf der Terrasse, andere werden mit einer reichen Feigenernte beschert, und der Nachbar freut sich über einen mannshohen Kaktus, der des Nachts seerosengroße, duftende Blüten treibt. Hei-Wu war in seinem Übermut dagegen jedoch sichtlich gescheitert, eine Pflanze zu ziehen und zur Reife zu bringen, deren Früchte hierzulande durchaus zum Allgemeingut gehören.  Auch wenn heute gerade „Tag der Deutschen Einheit“ gefeiert wurde – eine Bananenstaude war es nicht, die Hei-Wu dieses Jahr vergeblich aus Samen herangezogen hatte, und die nun nicht einmal den ansatzweise zur Fruchtbildung neigte.

Es hatte auch durchaus nicht an Bemühungen des sonst durchaus faulen Gärtners gefehlt. Die Samen hatte er im Internet gefunden, und sie waren auch schon im April in Töpfchen im Hause gekeimt. Er hätte sie vielleicht auch aus der Küche abzweigen können, aber das, was man für wenige Cent in den Lebensmittelgeschäften bekommen konnte, war behandelt, nicht mehr keimfähig. Dann, Anfang Mai, als die Sonne endlich hoch im Himmel stand, und nach dem lang anhaltenden Winter nicht aufhören wollte, das Land zu verbrennen,  sahen die Nachbarn Hei-Wu mit einem Spaten bewaffnet im Garten, wo er mitten im Gemüsebeet, zwischen Erdbeeren und den gerade gesetzten Kartoffeln eine  Grube aushob. Einen Meter lang, einen halben Meter breit. Und ziemlich tief, mindestens zwei Fuß. Die Nachbarn schöpften Verdacht, aber niemand rief die Polizei. Dann wurde er abends immer mal mit  Wassereimern gesehen, die er unermüdlich in das verdächtige Loch schüttete, mit Gummistiefeln stampfte er darin herum. Eines Tages wurde er gesehen, wie er Pflänzchen hinein setzte, und den ganzen, langen Sommer machte der wundersame Gärtner sich an dem merkwürdigen Loch zu schaffen.  Während ringsum erst die Wiesen, dann sogar die Bäume bei mangelndem Regen vertrockneten, sah man Hei-Wu nächtens mit der Gießkanne. Die Kartoffeln und Erdbeeren ringsum blieben grün, doch Hei-Wus Pflanze im Loch wollte nicht recht voran kommen.

Dabei schien doch selbst die geographische Lage nicht total ungünstig: die Nähe zu einem Fluss, der gelegentlich allerdings dazu neigte, über die Ufer zu treten. So, wie jener antiker Fluss in Norditalien, der Eridanus, wo Hei-Wus Pflanze bis heute erfolgreich angebaut wird.

Wir fragen uns:

1.

Was hat Hei-Wu da versucht, zu ziehen?

2.

Warum ging es schief? (Das weiß er selber nicht, es gibt Sonderpunkte für die richtige Antwort)

3.

Warum hat er nicht einfach Samen aus der Supermarkttüte  genommen?

4.
Wenn  Hei-Wu eine Tüte Samen aus dem Regal fällt,  würde Hallespektrum.de darüber berichten?

(Hei-Wu)

5.

Wo wird in Europoa Hei-Wus Pflanze noch erfolgreich angebaut?
(Die Frage geht vielleicht so manchem an einem gewissen Körperteil vorbei)

6. Warum hat Hei-Wu sich bei Europa (s. o. vertippt?)

7. Helge Schneider hat einer seiner Verehrten eine gerichtliche Vorladung übermittelt. Was hat er ihr gesungen?

Auflösung der letzten Wochenpflanze („Über Affären und fruchtleere Zeiten)“: Platanus ssp, Platane (Platanus orientalis, occidentalis,  x Acerifoliea): Der Baum der Sonne

Der gesuchte Baum, der Halles Heideallee mit skurril wachsenden, mehrere Zehnermeter hohen Exemplaren mit weit ausladenden Kronen säumt, ist eine Platane, genauer die Ahornblättrige Platane. Dieser „natürliche Sonnenschirm“ ist ein robuster Stadtbaum, obwohl die – diesjährig besonders auffällig – abblätternde Borke etwas Anderes vermuten lässt. Nein, auch wenn die Gehwege mit den dünnen Platten derzeit übersäht sind, ist das kein Zeichen für sinkende Robustheit oder sogar Krankheit des Baumes. Es sind abgestorbene Teile der Rinde als Folge des Dickenwachstums des Stammes, sie dienen dem Schutz vor äußeren Einflüssen und Eindringlingen. Die hierbei abgestorbenen Zellen des sich stets neu bildenden Bastes werden als Borke abgestoßen. Im Rhythmus von drei bis vier Jahren löst sich die Borke entlang des bogenförmig angelegten Wachstumsgewebes in Platten, wodurch das darunterliegende, scheckige Geflecht der Rinde zum Vorschein kommt. Diesen Sommer war es aber so, dass teilweise nicht einmal mehr das für Platanen typische Mosaik aus weißlichen, gelblichen und grünlichen Bereichen am Stamm prangte, sondern nur noch die gelbliche Rinde zu sehen war. Dafür hatten die Stadtwerke einen erhöhten Arbeitsaufwand, um die Gehwege von der Borke freizuräumen. Denn nicht immer wirft die Platane ihr „Korsett“ so komplett ab: Die Häutung (- in Analogie zur Schlange Hydra der Griechen) ist an das Wachstum geknüpft, und bei warm-feuchten Frühlingsmonaten sind die Bedingungen dafür perfekt. Im Sommer wird vermehrt Wasser aus dem Boden gesaugt, wobei der Stamm tagsüber dünner, nachts wieder normal dick wird. Diese kleinen Bewegungen verstärken das Aufplatzen des Borkenkorsetts, der Baum schält sich also stärker bei gutem Wachstum. Die Bäume profitieren von den lang anhaltenden, hohen Temperaturen. Sie leiden jedoch nicht unter der schlechten Wasserversorgung dieses Sommers, wie man das bei anderen Bäumen, z.B. beim Ahorn, an den hängenden Blättern gut sehen konnte. Trockenheit lässt die Borke der Platane jedoch vermehrt abplatzen. Und dann wächst sie robust weiter und bleibt manchmal über sehr viele hundert Jahre äußerst wuchskräftig. Dabei profitiert sie auch von ihrem ausgeprägten Herzwurzelsystem, es macht ihre Versorgung und Windstabilität bei unterschiedlichsten Gegebenheiten anpassungsfähig.

Apropos Ahorn: Die Gattung Platanus, übrigens die einzige in der Familie der Platanaceen, ist heute in 10 Arten bekannt (- andere Arten gab es schon vor dem quartären Eiszeitalter, wie bei so vielen Baumarten). Ein weites Verbreitungsgebiet besitzt Platanus orientalis, die Morgenländische Platane, die natürlicherweise in Südwestasien und in Südosteuropa vorkommt und bei uns als Ziergehölz angepflanzt wird. Die Amerikanische Platane (Platanus occidentalis) findet man in Kanada, USA und Mexiko. Aus der Kreuzung dieser beiden Arten entstand die recht winterharte Hybride, die in Mitteleuropa am häufigsten anzutreffen ist: Diese sogenannte Ahornblättrige Platane (Platanus x hispanica bzw. acerifolia), sie wird wegen des Aussehens ihrer Blätter aber oft für eine Ahornart gehalten. Ein zweiter Blick verrät: Blätter wechselständig angeordnet, also doch Platane und nicht Ahorn! Außerdem sind die jungen Blätter der Platane an der Unterseite nicht glatt, wie beim sehr ähnlichen Spitzahornblatt, sondern rau:

Eine Pflanze mit Haaren

Die Blütenstände der Platane, aber auch junge Blätter und Zweige sind mit sogenannten Sternhaaren besetzt, was ihnen ein wolliges Aussehen verleiht. Diese Haare fallen ab und lösen als Staub bei vielen Menschen eine Reizung der Bronchien aus, den sogenannten Platanenhusten. Auch bei Hunden können diese sternförmigen Trichome zu Schleimhautreizungen führen. Vor allem im Mai, wenn sich die kugeligen Blüten bilden, in einem Karminrot die weiblichen, in Gelbgrün die männlichen. Mancherorts wurde versucht, die Platane mittels Hormonspritzen am Blühen zu hindern, wodurch das Attribut des fruchtleeren Baumes eine weitere Bedeutung erhält. Normalerweise entwickeln sich meist paarweise ca. 3 cm große, runde, hängende Fruchtbälle, die aus einer Vielzahl kantiger Nüsschen bestehen. Von außen sind sie von einem borstigen Faserkranz umgeben, der langsam zerfällt. Ein Ärgernis für viele Anwohner von Platanenalleen. Die feinen Härchen sollen Gullys und Dachrinnen verkleben, zusammen mit den verwitterungsresistenten Blättern alles zusetzen und einfach nur Kummer bereiten. Daher werfen wir lieber einen Blick auf die Nutzbarkeit:

Nutzen der Platane

Platanen sind auffallend schöne, mächtige Bäume mit ausladenden Baumkronen. Der heilige Baum der Griechen und Römer prägt Landschaften. Der kretische König Minos soll unter einer Platane gezeugt worden sein. In Griechenland soll Hippokrates im Schatten einer Platane gelehrt haben, der Apostel Paulus habe unter Platanen gepredigt. Marco Polo beschrieb wunderschöne, von Kanälen bewässerten Gegenden in Persien, die durch die Platane berühmt geworden seien. Sie galt dort als der Wächterbaum der Könige. Napoleon Bonaparte soll Platanenalleen anpflanzen lassen haben, um die ziehenden Soldaten vor Sonne zu schützen. Der Baum der Sonne, wie ihn Marco Polo nannte, wird heutzutage als Schattenspender geschätzt, in seinen Bestandteilen jedoch wenig genutzt. Er soll interessant gemaserte Furniere liefern, das nicht witterungsbeständige, stark schwindende Holz wird aber am liebsten verbrannt. Die nordamerikanischen Ureinwohner sollen Platanen im Heilwesen geschätzt haben, bei Hautkrankheiten und Grippe. Heutzutage ist ein Rindeninhaltsstoff, das Betulin, im Fokus: Es ist ein Triterpen, dem hautschützende Wirkung nachgesagt wird. In der Hautkrebstherapie ist Betulin, zumeist aus Birken gewonnen, bereits im Einsatz. Die auffälligste Nutzung der Platane ist aber als schadstofftoleranter Straßenbaum, da fallen die fast unberührten, alten, mächtigen Alleen von Leipzig über Paris ins Auge.

(A.S.)

Bilder zu P. acerifolia:

 

 

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