Über Affären und fruchtleere Zeiten

1. Oktober 2018 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Das kriegen die nie raus

Die dieswöchentliche Spurensuche führt uns zu einem wundersamen Pflänzchen, von dem im antiken Perserreich geschwärmt wurde. Auch die alten Griechen und Römer bewunderten sie, und später ein bekannter, mittelalterlicher Chinareisender. Das Gewächs aus dem Morgenland ist bei uns heute weit verbreitet, wird aber häufig mit einer nicht verwandten Pflanze verwechselt. In ihrer Familie gibt es nämlich nur eine einzige Gattung, da ist die Verwandtschaft mau. Trotzdem ist die Familie bekannt, einzelne Exemplare sogar berühmt. Da muss man nur Hippokrates nennen, oder den Apostel Paulus, selbst der alte Zeus hat sich in der Nähe dieser Pflanze amourös jung gefühlt. Im 17. Jahrhundert ging es bei uns los, die Pflanze wurde über England und Frankreich eingeführt. Napoleon sah einen großen Nutzen in ihr und förderte ihre Ansaat. Alt kann sie werden, sehr alt! Dann ist sie auch groß, teilweise sogar so, „dass man in ihr schlafen kann“. Das pflanzliche Wunderwesen ist aber nicht überall anerkannt, „die Christen“ sollen die Pflanze mit Attributen wie „dürr“ und „fruchtleer“ bemängelt haben.

Nach so vielen geschichtlichen Anspielungen wollen wir aber mehr konkrete Hinweise für die Spurensuche geben: Die bei uns am häufigsten anzutreffende Art ist sozusagen aus der Kreuzung des Orients mit dem Okzident entstanden (- das soll etwa im Jahre 1600 geschehen sein). Dies taucht aber in ihrem Namen nicht mehr auf, vielmehr beschreibt das arttypische Epitheton das Aussehen der Pflanze. Zusätzlich löst die Pflanze sich regelmäßig von ihrem „Korsett“, was nicht nur bei aufmerksamen Naturbeobachtern unwohliges Grübeln auslöst und manchen die Vitalität der Pflanze in Frage stellen lässt. Nein, kein Grund zur Sorge! Da ist schuppige Kopfhaut des Menschen viel mehr ein Anlass, den Gesundheitszustand zu überprüfen, als die Korsettbefreiung unserer Wochenpflanze. Es ist sozusagen ein natürlicher Prozess. Auffallend ist auch ihr tiefgehendes und weitreichendes Wurzelwerk.

Garstige Kinder schätzen die Fruchtstände der „fruchtleeren Pflanze“, um daraus Juckpulver herzustellen. Und das ist lange möglich – selbst im Frühjahr sind diese Quellen kindlichen Frohsinns noch oft an den Pflanzen zu finden. Darüber hinaus ist der Pflanze jedoch keine wirtschaftliche Bedeutung zueigen. Trotzdem wird sie genutzt, und sie erweist sich als so sehr freudespendend und lindernd, dass auch ich nach meinem südlichen Sommerurlaub lebhaft ins Schwärmen geraten könnte…

(A.S.)

Auflösung der letzten Wochenpflanze („Tote Hose im Paradies„): Vitex agnus-castus, Mönchspfeffer

Den Namen Mönchspfeffer trägt die gesuchte Pflanze offenbar zu recht. Vitex agnus-castus („Keusches Lamm“) . Seit dem Altertzum kennt man ihre antaphrodisierende Wirkung, zumindest auf das männliche Geschlecht. Die Pflanze, die – zumindest was die fingerförmigen Blätter betrifft – entfernt an Cannabis erinnert, gehört zu den Eisenkrautgewächsen (Verbenaceae). Heimisch ist sie im Mittelmeerraum, wo sie in zuweilen großen Beständen auf Ruderalflächen, an Straßenrändern und zeitweise trockenen Flußbetten vorkommt.  Dert Strauch kann untger günstigen Bedingungen eine Höhe von 4 Metern erreichen. In geschützten Lagen Deutschlands wird sie auch in Gärten als Zierstrauch  gesetzt, wo man ihre blauen, rosa oder weißen Blütenrispen schätzt.  Die Samen schmecken leicht schärflich, ihnen ist aber die oben beschriebene Wirkung zu eigen, woher eben der volkstümliche Name „Mönchspfeffer“ herrührt.  Den genauen Wirkmechnismus seiner Inhaltsstoffe, vor allem die Iridoidglykoside (Aucubin, Agnosid) kennt man nicht, sicher ist aber, dass sie in den Hormonhaushalt eingreift, und unter anderem die Freisetzung des den männlichen Geschlechtstrieb hemmenden Prolaktins auslöst. Heute bedeutender sind Extrakte des Mönchspfeffers in der Frauenheilkunde. Er fördert die Hormonregulation bei unregelmäßigem Zyklus.

 

(H.W.)

 

 

Print Friendly, PDF & Email
3 Kommentare

Kommentar schreiben