Pawlowsche Glocken an der Peißnitzbrücke

13. Mai 2024 | Bild der Woche | 3 Kommentare

Es gibt magische Orte in Halle, wo immer wieder das Gleiche passiert. So erging es neulich jedenfalls der Redaktionsmieze. Am selben Ort, wo sie letztes Jahr in den merkwürdigen Rauschzustand verfiel, passierte es wieder.  Wieder war es offenbar die Katzenminze, die sie in diesen Rauschzustand versetzte. Es war wieder dieser Auslöser, dieser Trigger, oder sagen wir es altmodisch: die Glocken des Pawlow. Jedenfalls verwandelte sich genau an der Stelle, wo es letztes Jahr im Juni geschah, wie wieder mal: dieser plötzliche Rauschzustand. Der betörende Geruch der Droge verbreitete sich wieder am westlichen Treppenaufgang der Peißnitzbrücke. Und die Welt war plötzlich eine andere: Die kleine Peißnitzbrücke hatte sich unter der psychedelischen Wirkung der Katzendroge in ein romantisch-ruinöses Monster verwandelt, Mieze schwebte durch eine Traumwelt. Andere Katzen waren da, und überall hingen die Pawlowschen Glocken herum. Und noch etwas war geschehen: Ein riesiger Baum erhob sich dort, wo sich einst nur die Katzenminze in den aus DDR-Waschbeton gemauerten Beeten ausbreitete: ein stattlicher Baum, der, das spürte man genau, zunehmend an Fahrt im Wachstum aufnahm. Gerade noch blühte er Blau, und hatte er keine Blätter, da schoben sich auch schon riesenhafte Blätter aus den Zweigen, und der Baum schoss geradezu in die Höhe. Mieze rieb sich am Stamm des neuen Geschöpfes. „Wer bist Du?“, fragte sie den Baum noch im Trance, und: „Du bist doch nicht von hier, oder?“ Ihr gefiel der samtige Pelz der großen Blätter, so weich. Und er roch so angenehm. Nicht so chemisch wie diese Katzenminze. Lieblich, nach dem, was Menschen „Vanille“ nennen…

„Oh, in meiner Heimat werde ich seit Jahrhunderten von den Kaisern verehrt, und das Staatskabinett führt mich im Wappen. Aber hier kennt man mich erst seit Neuestem. Mich hat einer der letzten westlichen Kaiser hierhergebracht, aber da war es schon bald vorbei mit der kaiserlichen Herrlichkeit“, schimpfte es aus den Blauen Lippen. „Jetzt soll ich auf einmal das ganze CO2 aus der Luft holen, das Ihr hier in die Luft blast.“ „Gar nicht wahr, und ich ernähre mich auch ganz vegan“, log Mieze. „Und was machst Du mit dem ganzen CO2?“
„Holz natürlich, Biomasse, Du Dummchen. Was sonst?“ „Nix zum Fressen?“ Mieze war enttäuscht. „Nein, nur Holz. Meine Früchte kann man nicht essen. Aber schönes Holz. Kaiserholz.“ „Zum Häuser bauen?“ „Ja, aber vor allem für das, was zu Höherem bestimmt ist: Segelflugzeuge, Musikinstrumente, Geigen, Surfbretter…“ „Oh“, sagte Mieze und senkte ihre spitzen Krallen in den hölzernen Stamm, der gleich nachgab. Sie liebte dieses weiche Holz und beschloss, nun öfter hier vorbeizukommen, um ihre Krallen hier abzuarbeiten.

Wenn auch Mieze wunschlos glücklich ist, bleiben natürlich Fragen an unsere Leser:

Was ist das für ein Baum, den die Stadtverwaltung da an die Peißnitzbrücke gepflanzt hat?

Und was haben Pawlows Glocken damit zu tun?

Trotz seiner „Nützlichkeit“, was die CO2-Bindung betrifft, ist er in manchen Ländern verboten. Warum?

Auflösung der letzten Pflanze der Woche: „Hollari und Zank um falschen Enzian“:  Lycianthes rantonnetii, Enzianstrauch

In der Tat: Mit Enzianen ist diese Pflanze nicht verwandt. Eher mit Kartoffeln und anderen Nachtschattengewächsen. Deshalb nennt man ihn auch zuweilen „Kartoffelstrauch“, und Kartoffelblüten ähnelt er auch sehr. Wie letztere stammt er aus der Neuen Welt, und nach neueren Untersuchungen ist er eher mit Paprika als mit Kartoffeln verwandt. Essen sollte man nichts von ihm: Er enthält giftige Alkaloide vom Solanin-Typ.

Lycianthes rantonnetii, Enzianstrauch

Lycianthes rantonnetii, Enzianstrauch

 

Alle seit 2016 vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr hier im Archiv.

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