Pawlowsche Glocken an der Peißnitzbrücke
13. Mai 2024 | Bild der Woche | 3 Kommentare![](https://hallespektrum.de/wp-content/uploads/2024/05/pdw10.05.2024-1-1024x632.jpg)
Pflanze der Woche: an der Peißnitzbrücke steht ein neuer Baum, der sehr schnell wächst.
Es gibt magische Orte in Halle, wo immer wieder das Gleiche passiert. So erging es neulich jedenfalls der Redaktionsmieze. Am selben Ort, wo sie letztes Jahr in den merkwürdigen Rauschzustand verfiel, passierte es wieder. Wieder war es offenbar die Katzenminze, die sie in diesen Rauschzustand versetzte. Es war wieder dieser Auslöser, dieser Trigger, oder sagen wir es altmodisch: die Glocken des Pawlow. Jedenfalls verwandelte sich genau an der Stelle, wo es letztes Jahr im Juni geschah, wie wieder mal: dieser plötzliche Rauschzustand. Der betörende Geruch der Droge verbreitete sich wieder am westlichen Treppenaufgang der Peißnitzbrücke. Und die Welt war plötzlich eine andere: Die kleine Peißnitzbrücke hatte sich unter der psychedelischen Wirkung der Katzendroge in ein romantisch-ruinöses Monster verwandelt, Mieze schwebte durch eine Traumwelt. Andere Katzen waren da, und überall hingen die Pawlowschen Glocken herum. Und noch etwas war geschehen: Ein riesiger Baum erhob sich dort, wo sich einst nur die Katzenminze in den aus DDR-Waschbeton gemauerten Beeten ausbreitete: ein stattlicher Baum, der, das spürte man genau, zunehmend an Fahrt im Wachstum aufnahm. Gerade noch blühte er Blau, und hatte er keine Blätter, da schoben sich auch schon riesenhafte Blätter aus den Zweigen, und der Baum schoss geradezu in die Höhe. Mieze rieb sich am Stamm des neuen Geschöpfes. „Wer bist Du?“, fragte sie den Baum noch im Trance, und: „Du bist doch nicht von hier, oder?“ Ihr gefiel der samtige Pelz der großen Blätter, so weich. Und er roch so angenehm. Nicht so chemisch wie diese Katzenminze. Lieblich, nach dem, was Menschen „Vanille“ nennen…
„Oh, in meiner Heimat werde ich seit Jahrhunderten von den Kaisern verehrt, und das Staatskabinett führt mich im Wappen. Aber hier kennt man mich erst seit Neuestem. Mich hat einer der letzten westlichen Kaiser hierhergebracht, aber da war es schon bald vorbei mit der kaiserlichen Herrlichkeit“, schimpfte es aus den Blauen Lippen. „Jetzt soll ich auf einmal das ganze CO2 aus der Luft holen, das Ihr hier in die Luft blast.“ „Gar nicht wahr, und ich ernähre mich auch ganz vegan“, log Mieze. „Und was machst Du mit dem ganzen CO2?“
„Holz natürlich, Biomasse, Du Dummchen. Was sonst?“ „Nix zum Fressen?“ Mieze war enttäuscht. „Nein, nur Holz. Meine Früchte kann man nicht essen. Aber schönes Holz. Kaiserholz.“ „Zum Häuser bauen?“ „Ja, aber vor allem für das, was zu Höherem bestimmt ist: Segelflugzeuge, Musikinstrumente, Geigen, Surfbretter…“ „Oh“, sagte Mieze und senkte ihre spitzen Krallen in den hölzernen Stamm, der gleich nachgab. Sie liebte dieses weiche Holz und beschloss, nun öfter hier vorbeizukommen, um ihre Krallen hier abzuarbeiten.
Wenn auch Mieze wunschlos glücklich ist, bleiben natürlich Fragen an unsere Leser:
Was ist das für ein Baum, den die Stadtverwaltung da an die Peißnitzbrücke gepflanzt hat?
Und was haben Pawlows Glocken damit zu tun?
Trotz seiner „Nützlichkeit“, was die CO2-Bindung betrifft, ist er in manchen Ländern verboten. Warum?
Auflösung der letzten Pflanze der Woche: „Hollari und Zank um falschen Enzian“: Lycianthes rantonnetii, Enzianstrauch
In der Tat: Mit Enzianen ist diese Pflanze nicht verwandt. Eher mit Kartoffeln und anderen Nachtschattengewächsen. Deshalb nennt man ihn auch zuweilen „Kartoffelstrauch“, und Kartoffelblüten ähnelt er auch sehr. Wie letztere stammt er aus der Neuen Welt, und nach neueren Untersuchungen ist er eher mit Paprika als mit Kartoffeln verwandt. Essen sollte man nichts von ihm: Er enthält giftige Alkaloide vom Solanin-Typ.
Alle seit 2016 vergangenen Wochenpflanzen findet Ihr hier im Archiv.
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Was Katzen an Holz so berauschend finden, ist eher, dass man da so schön die Krallen reinhauen kann. Für manche, also unsere, scheint das einem Suchtverhalten gleichzukommen. Unsere Terrassentür wurde schon mehrfach in Zentimetertiefe abgearbeitet, in Stuhlbeinen aus Hartholz kommen sie allerdings nicht zu tief rein. Aber ein Surfbrett aus Balsaholz oder ein wertvolles Musikinstrument aus Blauglockenbaumholz würde ich nicht in
Katzenreichweite stehen lassen 🙂
Dann würde ja der Begriff des Zupfinstrumentes eine neue Dimension erfahren…
Der Blauglockenbaum (Paulownia tomentosa)wird gesucht. Ob er an der Peißnitzbrücke steht, weiß ich nicht. Der Baum trägt während der Blüte herrliche blaue Kerzen von Glockenblüten. Mit dem Verhaltensforscher Iwan Petrowitsch Pawlow hat der Name nichts zu tun.
Der Würzburger Naturforscher Philipp Franz von Siebold brachte den Blauglockenbaum im 19. Jahrhundert nach Europa. Siebold stand in niederländischen Diensten und benannte den Baum nach der niederländischen Kronprinzessin und späteren Königin Anna (Pawlowna), die eine Tochter des russischen Zaren Paul I. war.
Der Blauglockenbaum ist ein Neophyt und wurde in der Schweiz auf die „Liste der potenziell invasiven gebietsfremden Arten“ gesetzt, wodurch ihr Verkauf, ihr Verschenken oder ihre Einfuhr in der Schweiz ab 1. September 2024 als „invasive gebietsfremde Pflanze“ verboten ist.
Der Blauglockenbaum verfügt über spezielle Ausscheidungsdrüsen, die Schleimstoffe absondern, sollte das den Katzengefallen?
In der Hackebornstraße, Ecke Hallorenring, steht auch der Rätselbaum.