Neues Forschungszentrum an der MLU: Programm zur Stärkung von Glauben und Selbstbestimmung

30. Oktober 2023 | Veranstaltungen | Keine Kommentare
Mit modernen Formen des Glaubens und der Religiosität befasst sich ein neues Forschungszentrum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Darin untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie die Vermittlung des christlichen Glaubens dabei helfen kann, Menschen Mut zu machen und sie zu einem selbstbestimmten Leben zu befähigen. Das Zentrum wird zunächst für sechs Jahre mit bis zu 3,5 Millionen Euro von Kirchen und privaten Stiftungen gefördert.
Am Montag, 6. November, stellen die Forschenden ihr Programm auf einer Tagung vor. Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff nimmt ebenfalls an der Veranstaltung teil.

Unter Empowerment versteht man vereinfacht gesagt alle Maßnahmen, die die Eigenständigkeit und die Entscheidungsfähigkeit von Einzelpersonen und Gruppen stärken. Ziel ist ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben. Das Forschungszentrum „Christliches Empowerment in der Säkularität“ (CES) an der Theologischen Fakultät der MLU untersucht, wie sich dieses Konzept aus evangelisch-theologischer Perspektive anwenden lässt. „Wir beschäftigen uns mit Fragen wie: Was bedeutet es, christlich zu leben? Wie kommen Menschen und Gemeinden dem eigenen Weg des Christseins auf die Spur? Und: Was lässt sich dabei von neuen Bewegungen und Ritualen lernen, die im Kontext der Säkularität entstehen?“, sagt der Religionspädagoge Prof. Dr. Michael Domsgen von der MLU, der das CES leitet.

Der Gedanke, dem Einzelnen mehr Kompetenzen in Bezug auf sein Leben als Christ einzuräumen, ist eigentlich alt: Bereits in den Schriften Martin Luthers findet sich diese Idee. „Auf der konzeptionellen Ebene ist man sich quasi seit Jahrhunderten einig, dass die Deutungshoheit und die Macht nicht mehr nur bei den Kirchen und ihren Vertretern liegen darf. In der Praxis sieht es aber anders aus, weil es nach wie vor Strukturen gibt, die das alte Bild vom Schäfer und seiner Herde begünstigen“, so Domsgen. In dem neuen Zentrum untersuchen Forschende zum Beispiel auch die sogenannten Erprobungsräume der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, ein alternatives Angebot für Gemeindeformen jenseits des traditionellen Gottesdienstes. Ein weiteres Thema sind neue Formen religiöser Kommunikations- und Lernprozesse, zu denen zum Beispiel Lebenswendefeiern gehören. Dabei handelt es sich um ein Angebot von Kirchen an konfessionslose Jugendliche, die den Übergang ins Erwachsenenalter feiern wollen. „Gerade in Halle erfreut sich dieses Angebot einer großen Beliebtheit. In einem Projekt fragen wir, warum das Format für konfessionslose Familien eigentlich so interessant ist“, sagt Domsgen. Außerdem werfen die Forscherinnen und Forscher einen Blick über Deutschland hinaus und analysieren die Transformationsprozesse zum Beispiel in postkommunistischen Gesellschaften.

Diese vielfältigen Themen sollen auf verschiedenen Ebenen – von Gesellschaften über Gemeinden bis zum Einzelnen – und mit Hilfe unterschiedlicher Disziplinen bearbeitet werden. Dabei steht nicht allein die Kirche im Fokus, sondern vielmehr die Gesellschaft und Einzelpersonen. „Wir verschweigen unsere theologischen Wurzeln nicht, aber es geht uns auch nicht hauptsächlich darum, neue Wege zur Mitgliedergewinnung für Kirchen zu finden“, sagt Domsgen abschließend.

Während der Veranstaltung am Montag, 6. November, wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentrums ihr bisheriges Forschungsprogramm vorstellen und darüber mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kirche und Gesellschaft ins Gespräch kommen.

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