„Sommergewitter“ von Erich Loest

20. April 2021 | Rezensionen | Keine Kommentare

Im Frühsommer 1953 herrschte in der Bevölkerung der DDR aufgrund der allgemeinen Lebens- und Arbeitsbedingungen eine große Unzufriedenheit. Besonders in Berlin kam es zu Streiks, Demonstrationen und Protesten. Am 28. Mai 1953 wurden auf Beschluss des DDR-Ministerrates die Arbeitsnormen um zehn Prozent erhöht – angeblich auf Wunsch der Arbeiterschaft. Für gleichen Lohn sollte deutlich mehr Leistung erbracht werden.

Am 17. Juni gehen die Menschen auch in Bitterfeld und Halle (Saale) auf die Straße. Viele begehrten auf, doch für manche wurde der Tag zu Verhängnis. Erich Loest (1926-2013), der zu den bedeutendsten ostdeutschen Schriftstellern gehörte, hat mit „Sommergewitter“ einen großen und den ersten überzeugenden Roman über den Volksaufstand geschrieben. Der Roman erschien 2005 im Steidl-Verlag und liegt nun als Taschenbuchausgabe im Mitteldeutschen Verlag vor.

Aus den Blickwinkeln sehr unterschiedlicher Protagonisten – vom Arbeiter bis zum Funktionär – veranschaulicht Loest die „komplizierte Gefühlslage“ dieser Tage. Er schildert ihre Schicksale – von Mutigen und Mitläufern, von Nachdenklichen und Nachbetern. Sie alle geraten mitten hinein in den Strudel dieser historischen Tage. Mit dem weitgefächerten Figurenensemble (ohne Schwarz-Weiß-Malerei) gelingt es Loest, die Komplexität des Geschehens zu verdeutlichen. Der Roman ist so realistisch und mit einer Detailfülle geschrieben, dass man annehmen könnte, er wäre 1953 geschrieben.

Eigentlich sollte der Roman bereits 2003 zum 50. Jahrestag des Arbeiteraufstands erscheinen, doch dann kam es zum Streit, der die Veröffentlichung verzögerte. Fazit: Ein unbestechlicher Blick auf den 17. Juni 1953, der neben Schicksalen auch nach den Gründen fragt.

(Das Coverfoto zeigt den halleschen Marktplatz am 17. Juni 1953).

Erich Loest: „Sommergewitter“, Mitteldeutscher Verlag Halle 2021, 16,00 €, 320 S., ISBN 978-3-96311-479-3

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