Interview mit Dr. Detlef Wend zur Abwahlinitiative Bernd Wiegand

8. März 2021 | Politik | 3 Kommentare
Dr. Detlef  Wend, einst langjähriges Mitglied der SPD, verlies im letzten Jahr die Stadtratsfraktion der SPD und auch die Partei.  Heute ist er Mitglied der Stadtratsfraktion Mitbürger/DIE PARTEI. Wend ist einer der Hauptinitiatoren, die wegen des Impfskandals versuchen, die Abwahl von Oberbürgermeister Bernd Wiegand zu organisieren. Hallespektrum sprach mit ihm.
Hallesspektrum.de: Herr Wend, als erfolgreicher Kinderarzt, was bewegt Sie, sich mit dem nervtötenden Geschäft der Kommunalpolitik und der Politik des Oberbürgermeisters so intensiv zu beschäftigen?
Detlef  Wend : Politisches Engagement bedeutet für mich ein faires Miteinander in der Gesellschaft zu organisieren. Gerade als Kinderarzt erlebe ich vielfältige Probleme von Familien in unserer Stadt und kommunal gibt es einige Ansatzpunkte etwas zu verbessern. Wie bekommt man einen Kitaplatz, egal ob arm oder reich, wie können Kinder aus sozial schwachen Familien besser unterstützt werden, wie und wo bauen wir, so dass für unterschiedliche Menschen Platz ist, wo gibt es Freiräume für Jugendliche, wie nehmen wir die Herausforderung von Migration an und schieben sie nicht nur in die Plattenbausiedlungen ab. Dafür engagiere ich mich im Stadtrat und im Jugendhilfeausschuss. Und wenn man kommunal etwas erreichen will, dann geht das nur über den Stadtrat in Kooperation mit der Stadtverwaltung und spätestens dort stößt man auf den OB.
Zu seinem Amtsantritt habe ich nicht zu den primären „Wiegandablehnern“ gehört. Auch die ersten juristischen Schritte gegen ihn habe ich eher kritisch gesehen. Doch je näher man Bernd Wiegand kommt, um so kritischer muss man ihn und sein Team sehen. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie. Bernd Wiegand lebt woanders. Der gewählte Stadtrat soll mittels demokratisch ausgehandelter Beschlüsse die Geschicke unserer Stadt lenken. Der OB versucht, wo es geht, den Stadtrat außen vor zu lassen. Dabei ist ihm jedes Mittel recht. Legal versucht er mit dem Verwaltungsrecht uns zu knüppeln, sprich in Widerspruch zu unseren Beschlüssen zu gehen. Das gelingt ihm teilweise gut. Dass es ihm bei der Jugendhilfeplanung nicht gelungen ist, freut mich immer noch! Aber grundsätzlich sucht er den Konflikt und nicht die konstruktive Lösung. Nicht ganz so fair ist es, wenn der Stadtrat nicht oder nur unvollständig informiert wird. Manche nennen das auch umgangssprachlich lügen. Das ist seine Königsdisziplin; die Beispiele sind legendär und es ist besonders witzig, weil einer seiner Hauptwahlkampfslogan „mehr Transparenz“ war. Ganz schäbig wird es dann, wenn man den OB aus nächster Entscheidungsnähe erlebt. Offensichtlich zieht er Energie aus Konflikten. Klug ausgehandelte Kompromisse scheint er nicht zu kennen. Dafür weiß er geschickt Interessen (und die gibt es immer, ob es Baufirmen, Intendanten oder andere Personen, die gerne beim Klüngel dabei sind, getreu dem Motto: eine Hand wäscht die andere) für sich zu nutzen. Und das alles wird begleitet von einem aggressiven Grundton arroganten Besserwissens, den nun im Rahmen des „Impfskandales“ viele Menschen außerhalb des Stadtrates und der Verwaltung erstmals in voller Blüte erleben durften.
Zwei Sachen seien hier klar gestellt: Auch der Stadtrat hat sich nicht immer mit Ruhm bekleckert. Auch wir können besser werden. Niemand nimmt es den zuständigen Leuten übel, wenn bei einer so einmaligen Impfaktion wie der gegen Corona nicht gleich alles glatt läuft. Aber dieses organisierte Vordrängeln des sich selbst immer so selbstlos darstellenden Katastrophenmanagers, das ist einfach unredlich.

Hallesspektrum.de:  Sie wollen Bürgern die weitere Entscheidung übertragen.
Wie würde ein Bürgerentscheid nach dem Kommunalverfassungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zustande kommen?
Nach unserer Lesart muss zunächst ein Bürgerbegehren zustande kommen. Hierzu müssen mindestens 7500 Unterschriften von Bürgern aufgebracht werden (§ 26 Kommunalverfassungsgesetz LSA).
Ist das aus Ihrer Sicht das richtige Verfahren und falls ja, ist es unter Pandemiebedingungen realistisch?

Detlef  Wend :   Einen Bürgerentscheid sehe ich nur als letztes Mittel und er muss  aus der Bürgerschaft kommen. Wenn man als Stadtrat eine Abstimmung verliert, sollte man nicht gleich mit einem Bürgerentscheid um die Ecke kommen.

Für Straftaten ist der Staatsanwalt zuständig, für Disziplinarverfahren das Landesverwaltungsamt.
Und für die politisch-gesellschaftliche Dimension ist der Stadtrat zuständig z.B. mit einem Antrag auf Abwahl des OB, womit er den Hallensern die Entscheidung über ihr Stadtoberhaupt in die Hände legt. Der Abwahlantrag ist der Versuch einer politischen Aufarbeitung des Fehlverhaltens unseres OB innerhalb der Stadtgesellschaft.
Hallesspektrum.de:  Sie meinen also ein Abwahlverfahren initiiert durch den Stadtrat gemäß § 64 KWG?
Falls ja, welche Sicherheit gibt es dafür, dass sich eine zweidrittel Mehrheit für die Antragstellung und eine dreiviertel Mehrheit für die Beschlussfassung im Stadtrat findet?

Detlef  Wend : Ein Abwahlantrag wird erst im Stadtrat verhandelt wenn 37 Stadträte unterschrieben haben (2/3). Vorher taucht er erst gar nicht auf der Tagesordnung auf. Ich sehe eine Chance diese 37 Stimmen zu finden. Die 42 Stimmen zur Zustimmung zu bekommen (3/4), das ist eine deutlich größere Hürde.

Hallesspektrum.de:  Haben Sie die Konsequenzen eines gescheiterten Abwahlantrags bedacht?
Wenn die Abwahl schief ginge, würde OB Wiegand gestärkt aus der Sache hervorgehen.

Detlef  Wend : Seltsames Demokratieverständnis, wenn man Anträge nur einbringt bei absoluter Sicherheit sie zu gewinnen. Klar es gibt einige Stimmen, die dem OB gerne abwählen würden, aber Sorge haben, dass wenn es nicht klappt, er uns eine lange Nase zeigt. Dafür habe ich wenig Verständnis, denn verhöhnen, tut er uns sowieso schon die ganze Zeit. Wer das wahre Gesicht von Bernd Wiegand kennt, sollte unterschreiben, denn schon ein eingebrachter Abwahlantrag ist ein deutliches politisches Signal, auch wenn er nicht die nötige Mehrheit findet.

Hallesspektrum.de: Erscheint es Ihnen angesichts der hohen Hürden eines Abwahlverfahrens nicht realistischer, dass ein durch den Stadtrat oder das Landesverwaltungsamt ausgesprochenes Verbot der Amtsausübung zustande kommt?

Detlef  Wend :  Wenn es funktioniert, ja!

Hallesspektrum.de:  Sollte  es am Mittwoch in der Stadtratssitzung zu einem Antrag auf Verbot der Amtsausübung bis zur Klärung der Impfaffäre kommen, werden Sie diesem dann zustimmen?

Detlef  Wend : Ja, denn wir müssen zu einer Entscheidung kommen und können das Problem nicht endlos diskutieren. Irgendwann müssen wir den Konflikt abarbeiten und wieder zur regulären Tagesordnung zurück kehren.
Hallesspektrum.de: Hallespektrum.de: Herr Dr. Wend, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Detlef  Wend :   Gerne!
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