„Halle gegen Rechts“ wirft Staatsanwaltschaft Versagen vor. Bündnis sammelte fast 6000 Euro für Nebenkläger gegen Brüllnazi

7. Juli 2023 | Politik | Keine Kommentare

Im Prozess gegen den Brüllnazi Sven L.hat die Staatsanwaltschaft Halle inzwischen zwei Jahre Haft für den Neonazi gefordert, am kommenden
Donnerstag wird das Amtsgericht Halle sein Urteil verkünden. Halle gegen  Rechts und Nebenklage-Anwalt Dr. Elberling werfen der Justiz jahrelanges  Versagen im Umgang mit dem Neonazi vor. Das Bündnis hat mehrere tausende  Euro an Spenden gesammelt, um die anwaltliche Vertretung Betroffener in dem Prozess zu finanzieren.

Nach sechs Verhandlungstagen wird am kommenden Donnerstag das Urteil im aktuellen Prozess gegen den Brüllnazi  verkündet werden. Erstmals forderte die Staatsanwaltschaft Haft ohne Bewährung. Mit dem Urteil wird eine neue Gesamtstrafe unter Einbeziehung der zuletzt durch das Landgericht Halle verhängten Strafe von 10 Monaten Haft, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung, gebildet. In diesen beiden Verfahren wurde der Neonazi wegen insgesamt 33 einzelnen Taten angeklagt. „Bei 15 dieser Taten hat die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungen zunächst mit teilweise absurden, rechtlich nicht mehr nachvollziehbaren Begründungen eingestellt“, kritisiert Nebenklage-Anwalt Dr. Elberling. „Nur weil die Betroffenen sich dagegen gewehrt haben, sind die Taten nun auch vor Gericht gelandet. Was wir hier in den Akten sehen, ist ein Justizversagen.“, so der Anwalt weiter.

Halle gegen Rechts wirft der Staatsanwaltschaft Halle seit Jahren vor, rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Straftaten nicht angemessen effektiv zu verfolgen und schon oftmals gar nicht erst als Straftaten zu erkennen. „Im aktuellen Verfahren fordert die Staatsanwaltschaft Halle nun eine der höchsten Einzelstrafen für eine
Tat, bei der sie selbst die Ermittlungen eingestellt hat“, kritisiert Valentin Hacken, Sprecher von Halle gegen Rechts. „L. wäre längst in Haft, hätte die Behörde in den letzten Jahren ihre Arbeit gemacht“, so der Sprecher weiter. Das Versagen der Behörde in Halle ist auch eines seiner Leiterin, so das Bündnis weiter. Ihre Eignung für das Amt der Generalstaatsanwältin von Sachsen-Anhalt stehe insoweit in Frage. „Von dieser Kritik ausdrücklich auszunehmen sind das Gericht und der sehr engagierte Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft im aktuellen Prozess“, so Valentin Hacken.

Derweil hat das Bündnis über 5.903,- Euro an Spenden erhalten. Unter dem Titel „Neonazi Sven L. den Prozess machen“ hatte Halle gegen Rechts in den vergangenen Wochen um Spenden geworben, um die anwaltliche Vertretung von Betroffenen im Prozess zu finanzieren. „Das war auch eine strategische Entscheidung“, so Sprecherin Katharina Hindelang. „Betroffene hatten so eine aktive Rolle, konnten Beweisanträge stellen und Zeugen befragen. Damit haben sie einen wichtigen Beitrag zur Beweisaufnahme geleistet, wie auch die Staatsanwaltschaft anerkannt hat.“, so Hindelang. Halle gegen Rechts bedankt sich ausdrücklich bei allen Spenderinnen und Spendern. Das Spendenziel waren 4.500,- Euro gewesen, das ist nun deutlich übererfüllt worden. Die Gelder gehen nicht an die Betroffenen, sondern daraus werden die Anwaltsrechnungen beglichen. „Die übrigen Gelder werden wir für eine mögliche zweite Instanz sparen“, so Sprecherin Hindelang.

„Halle gegen Rechts – Bündnis für Zivilcourage“ ist ein überparteiliches Bündnis aus über 100 Einzelpersonen und mehr als 30 Organisationen aus Halle, das sich entschieden gegen die extreme Rechte, Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sowie gegen jede Diskriminierung und für Zivilcourage einsetzt. Im Jahr 2017 wurde es als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ durch das von den Bundesministerien des Inneren und der Justiz getragene BfDT ausgezeichnet.

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