Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte heute Halle: Seine Rede in der Leopoldina

15. Februar 2018 | Politik | 8 Kommentare

„Wir belagern Sie schon fast, hier in Sachsen-Anhalt“ fasst Frank-Walter Steinmeier seine Inlandsreisen des knappen Jahres im Amt des Bundespräsidenten zusammen. Die Region zwischen Elbe und Harz war nicht zuletzt wegen des Luther-Jahres durch kulturelle Reize und auch durch industrielle Schwerpunkte ein häufiges Ziel seiner Besuche. Das Zeremoniell seines Antrittsbesuchs führte Frank-Walter Steinmeier und seine Ehefrau Elke Büdenbender heute um halb 10 ins „Weiße Haus“: Nirgends könne man wissenschaftliche Diskussionen so führen wie am Jägerberg in Halle. Mit dieser Aussage schlägt der Bundespräsident langsam den Bogen zur inhaltlichen Thematik der Veranstaltung bei der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina), „Unsere Zukunft in der digitalisierten Welt“. Es fallen wichtige Sätze, wie „Politik und Gesellschaft brauchen kluge Beratung, v.a. auf wissenschaftlicher Grundlage“. Zählen solle das bessere Argument und die fundierte Meinung, um zu einer Kultur der Willensbildung beizutragen. Die ethische Verantwortung der Forschung stehe im Kontrast z.B. zum Abgasskandal, einem der Einzelfälle, die „Wasser auf die Mühlen der Wissenschaftsfeinde“ gießen können. Als Bundespräsident wird er immer die Lanze für die Freiheit der Wissenschaft brechen – so sein Versprechen. Und auch: „Verantwortungsgefühl ist in der deutschen Wissenschaft zutiefst verankert. Darauf zähle ich.“ Das Auditorium, zu dem neben Mitgliedern und Freunden der Leopoldina auch weitere wissenschaftliche und politische Größen aus Stadt und Land zählen (- nicht unerwähnt Schüler aus vier Hallenser Schulen), schätzt diese Schwerpunktbildung in der Rede des Bundespräsidenten, es sind Mut machende Worte.
Jetzt aber wird das eigentliche Thema aufgegriffen: Digitalisierung. Was verändert diese Entwicklung in unserem Zusammenleben, was bedeutet sie für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den demokratischen Diskurs, unsere Grundrechte gar? Steinmeier wird drastischer, weist auf die Gefahr hin, über „Big Data“ gesellschaftliche Steuerung zu versuchen (- das droht nun nicht in unserem Land, jedoch in manchem seiner letztjährigen Auslandsziele): „Zugewinne durch Wohlverhalten, Abzüge durch Schlechtverhalten“ – nicht nur auf individueller Ebene eine Bedrohung, sondern auch im Rahmen von NGOs. Massendaten als ein beherrschender Trend der Digitalisierung, mit großer Gefahren aufgrund tieferer Interpretationsmöglichkeiten. Generell, Dateninterpretation oder Interpretation von Informationen: „Was ist, wenn wir uns nur noch bei Gleichgesinnten informieren?“ „Wir müssen uns die mündliche Welt rückerobern, dabei wird uns die Vereinfachung durch Digitalisierung nicht helfen!“ Was ist sein Schlusswort? „Die Zukunft ist offen und ungewiss, es liegt an uns, sie zu gestalten.“ (Und sei es nur im Rahmen einer mit Fragezeichen gepflasterten Koalitionsvereinbarung – auch im Hinblick auf Digitalisierung.)
Der Rede Frank-Walter Steinmeiers folgen ein auf das Thema bezogener, inhaltsstarker Impulsvortrag und eine ebenso inhaltsreiche Podiumsdiskussion (siehe extra Artikel auf HalleSpektrum), anschließend eine kleine Gesprächsrunde mit Schülern, der nur die Pressevertreter beiwohnen durfte. Digitalisierung, Whatsapp, Nachrichten im Fernsehen, das waren so die Themen. Schaut ihr überhaupt noch Fernsehen? Kaum, antwortet ein Gymnasiast, überraschend für mich. Und am Ende eine Frage: Ja, auch ein Bundespräsident ist bereit für Selfies (insbesondere mit hübschen Frauen an seiner Seite).
Kurz vor seiner Rede durfte sich der hohe Gast im Büro des Präsidenten der Leopoldina auf der bequemen Ledercouch niederlassen, in kleiner Runde ein Erfrischungsgetränk genießen, ehrwürdige Büsten bewundern. Als Gastgeschenk wurde ihm ein handschriftlicher Lebenslauf (Replik) von Albert Einstein überreicht (- da möchte ich auch gerne Bundespräsident sein!). Währenddessen wartete das Auditorium (mehr als 250 Personen) im geschlossenen Festsaal. Zahlreiche Pressevertreter zückten Kamera und Mikrofon, beobachteten, wie sich die Tür laut Zeremoniell dreimal schloss (- hier gab es eine Abweichung…), bevor der Bundespräsident den Raum mit schnellem Schritt beschreitet. Das Publikum erhebt sich, klatscht höflich, blickt interessiert. Der Präsident der Leopoldina, Professor Jörg Hacker, betritt das Podium, richtet „analoge“ Begrüßungsworte an die Zuhörer und dankt dem Bundespräsidenten u.a. dafür, dass er die Schirmherrschaft für die Leopoldina übernommen hat. Dann folgt die Rede Frank-Walter Steinmeiers, der seine ersten Worte enthusiastisch (und deutlich zu laut) ins Mikrofon spricht: „Lieber Herr Ministerpräsident, wir belagern Sie schon fast…“.

 

(Bilder und Text: A.S.)

 

 

 

 

 

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