24-Stunden-Ordnungsamt: SPD kramt alte Stadtratsprotokolle raus

14. August 2019 | Politik | 5 Kommentare

Aktuell sorgt ein Vorstoß des amtierenden Oberbürgermeisters der Stadt Halle (Saale), Dr. Bernd Wiegand, zu den Einsatzzeiten des Ordnungsamtes für Diskussionen. Im Herbst 2017 bezeichnete der Oberbürgermeister Initiativen, die einen Ordnungsdienst rund um die Uhr forderten, noch als ‚Stimmungsmache‘. Die SPD hat sich vor zwei Jahren und auch im Programm zur Kommunalwahl 2019 klar für einen 24-Stunden-Ordnungsdienst ausgesprochen, ebenso wie die CDU.

Dr. Andreas Schmidt, Vorsitzender der SPD Halle (Saale), erklärte zum Thema nun: „Was wir gerade erleben, ist höchst bemerkenswert. Der jetzige Vorschlag legt die Vermutung nahe, dass hier der OB-Kandidat über den Oberbürgermeister gesiegt hat. Seriöse Politik sieht aus unserer Sicht anders aus. Einerseits kann man nachverfolgen, dass Herr Wiegand als Oberbürgermeister vor nicht einmal zwei Jahren im Stadtrat eine Initiative für die Ausweitung der Einsatzzeiten des Ordnungsamtes vehement abgelehnt hat. Heute erfahren wir, dass er als Bewerber für die OB-Wahl für einen 24-Stunden-Ordnungsdienst ist. Seine strikte Ablehnung hat sich in eine opportunistische Zustimmung in Zeiten des OB-Wahlkampfes gedreht. Wenn es ihm also ernst wäre, hätte er die Ausweitung längst auf den Weg bringen können. Denn diese Umstellung geht nicht von heute auf morgen, wenn sie nicht zu Lasten des aktuellen Personals gehen soll.“

Schmidt weiter mit Blick auf die Situation der Mitarbeiter des Ordnungsamtes: „Für eine Erweiterung muss weiteres Personal gefunden und geschult werden. Wir dürfen gespannt sein, ob sich im Haushalt für 2020 bereits die notwendigen Personalstellen finden lassen. Zudem gab es in der Vergangenheit nachvollziehbare Bedenken des Betriebsrates zu einer Erweiterung der Präsenzzeiten. Diese hätte man in der Zwischenzeit ausräumen können. Bereits in der jetzigen Konstellation häuft sich die Kritik von Bürgern an der Arbeit des Ordnungsamtes. Es wäre Sache des OBs, der auch für die Bereiche Ordnung und Sicherheit zuständig ist, hier Abhilfe zu schaffen. Bedauerlich ist, dass die Mitarbeiter des Ordnungsamtes diese Kritik eins zu eins abbekommen, weil ihr oberster Vorgesetzter erst blockiert hat und nun die Kehrtwende einschlägt, ohne die Voraussetzungen für eine Änderung geschaffen zu haben. Nicht zum ersten Mal trägt Herr Wiegand Auseinandersetzungen auf dem Rücken seiner Mitarbeiter aus.“

Auszug Protokoll des Stadtrates vom 20.12.2017:

(…) Herr Oberbürgermeister Dr. Wiegand

Herr Krause, erneut, zum wiederholten Mal am heutigen Tag, versuchen Sie bestimmte Dinge zu verdrehen. Ich hatte zu Beginn der Haushaltsberatung ausführlich dargestellt, dass die Dienstzeiten der städtischen Ordnungskräfte in Abstimmung mit der Polizei, in Übereinstimmung mit der Polizei, um es noch einmal deutlich zu machen, ab 2018 neu geregelt werden. Das wissen Sie ganz genau. Ich frage mich, warum Sie das jetzt hier noch mal so vortragen, obwohl Sie genau mein Statement dazu kennen. Im Bericht des Oberbürgermeisters, im Ordnungsausschuss hat das Herr Teschner mehrfach vorgetragen. Ich würde es gerne noch mal machen. Wir haben eine Erhöhung mittlerweile von 24 Ordnungskräften, die draußen auf der Straße dann unmittelbar Dienst tun, auf 31. Mit diesen Zeiten, die wir hier bedarfsgerecht angepasst haben für 2018, am Freitag und samstags bis jeweils 24:00 Uhr macht das Ordnungsamt Dienst, am Sonntag bis 18:00 Uhr. Bislang von Montag bis Freitag von 6:00 bis 22:00 Uhr, das heißt, wir erhöhen bis zu 24:00 Uhr die Zeiten. Das alles ist Ihnen bekannt. Und damit steht die Stadt Halle in weitem Abstand, ob das zu Leipzig ist oder zu Magdeburg – Magdeburg holt das gerade erst nach. Und wenn Sie rechnen, wie viele Ordnungskräfte wir insgesamt einsetzen, dann ist das Ordnungsrecht eines der primären Aufgaben des OB. Diese Äußerung, die Sie eben gemacht machen, in der Darstellung, die Leitstelle verweist woanders hin oder sagt, das steht uns an letzter Stelle zu, das hängt immer davon ab, welche Prioritäten im Hinblick auf Lärmbelästigung und wie stark die Lärmbelästigung ist und was letztendlich dahinter steht. Jeder Vorgang wird vom Ordnungsamt verfolgt und wird dementsprechend bußgeldmäßig geahndet. Und diese Situation, wie Sie es hier schildern, dass die Leitstelle etwas wegschiebt oder ähnliches, das ist nach allen Aussagen und nach allen Überprüfungen so nicht der Fall. Und diese Art, wie Sie es machen, und dass Sie das noch nicht mal berücksichtigen, was hier vorgetragen wird und trotzdem eine solche Argumentation führen, wie Sie es eben getan haben, also da kann ich wirklich nur schmunzeln. Sie selber haben im Haushalt eine Erhöhung der Stellen von insgesamt 7 Stellen beschlossen im Ordnungsbereich. Aufgrund des Anliegens, auch der Verwaltung, hier entsprechend weiter Vorreiter zu sein in ganz Sachsen-Anhalt. Leipzig zieht jetzt nach. Die haben die Diskussion genauso geführt. Ich hatte es ja auch versucht darzustellen im Bericht des Oberbürgermeisters. Momentan wird versucht, die Aufgabe komplett runter zu schieben auf die Städte. Das wird dankend aufgegriffen von einigen politischen Meinungen, das ist auch okay, das kann man auch tun. Aber letztendlich besteht dazu kein Bedarf. Jeder Bürger hat die Chance, die Leitstelle auch zu erreichen, rund um die Uhr, 24 Stunden lang. Und ich hatte Ihnen ja auch bereits signalisiert, dass wir die Leitstelle im Ordnungsbereich jetzt auch räumlich zusammen, also in getrennten Abständen, aber dann unmittelbar an einer bestimmten Stelle, zusammenführen wollen, um genau das zu erreichen. Also das wird es nicht mehr geben. Wir haben längst darauf reagiert und Herr Teschner plant bereits den Umzug der Leitstelle des Ordnungsbereiches in die gemeinsame, wenn man das so bezeichnen mag, Leitstelle zwischen Rettungsdienst, Feuerwehr und dann den Ordnungsamtsmitarbeitern. Damit wird eine Effektivierung möglich. Aber nochmals, wenn in bestimmten Situationen Krawalle, Lärmstörungen oder ähnliches in der Stadt sich aufhalten, dann ist das, wie es der Städte- und Gemeindebund zu Recht auch dargestellt hat, nach wie vor Aufgabe der Polizei. Und eine Darstellung zu argumentieren, das ist Aufgabe der Sicherheitsbehörde, das ist nur die halbe Wahrheit. Wenn Sie das Sicherheitsgesetz, das ist kein Vorwurf an Ihre Person, möchte ich auch bitte so ausdrücklich verstehen, wenn Sie das Sicherheits- und Ordnungsgesetz sich genau ansehen, dann sehen Sie, es ist eine gemeinsame Aufgabe und seit Jahren arbeiten wir vertrauensvoll zusammen. Die Polizei und die Ordnungsbehörden. Es ist eine hervorragende Zusammenarbeit und da lassen wir auch nichts dazwischen kommen. Auch solche, sage ich mal Argumentationen, wie man sagt, hier werden Sicherheitsdinge in der Stadt nicht ordnungsgemäß behandelt. Sie kennen meine Einstellung dazu, das gilt im Übrigen, ich habe das heute, vorhin bei der Frage der Einwohner auch noch mal deutlich gemacht, die geltende Rechtsordnung ist das entscheidende, worauf wir uns basieren. Und deshalb braucht man uns nicht dazu verpflichten. So einen Antrag können wir natürlich stellen. Das ist ein Schaufensterantrag. Aber letztendlich haben wir darauf reagiert, schon bevor dieser Antrag hier im Stadtrat gewesen ist und auch da ist, dass Herr Teschner sich Gedanken gemacht hat, wie kann er effektiveren. Und wir sind, wenn Sie das auf die Einwohnerzahlen herunter rechnen und auf die Dienstzeiten, wenn Sie sich Leipzig ansehen und Magdeburg, haben wir die weitestgehenden aktuellen Dienstzeiten des Ordnungsamtes. Und das muss man an der Stelle noch einmal deutlich betonen. Ich verstehe Ihre Sorge. Ich kann Ihnen zusichern, dass wir 24 Stunden um die Uhr erreichbar sind über die Leitstelle, das wird auch 2018 umgesetzt und dann haben wir auch die Möglichkeit, diese Einsätze auch durchzuführen bis 24:00 Uhr. Man darf nicht vergessen, einige Städte haben nur eine Anrufbereitschaft bis 22:00 Uhr. Das heißt, dort kann angerufen werden und dann muss erst jemand herausgeschickt werden, also aus dem Freidienst in den Einsatz. Wir wollen sehen, dass wir bis 24:00 Uhr und das ist auch die Absprache und auch die Abstimmung, die wir mit dem Personalrat getroffen haben, dass wir bis 24:00 Uhr tatsächlich rausfahren können. Das heißt, unser Ordnungsamt ist momentan in Sachsen-Anhalt führend. Und das darf man nicht wegdiskutieren. Und alles andere, was hier gesagt wird, dient letztendlich dazu, um hier Stimmung zu machen, um hier bestimmte Diskussionen durchzuführen. Ich möchte Ihnen das deshalb auch noch mal sagen. Wir nehmen das ernst, sehr ernst sogar, jeden Anruf von den Bürgern nehmen wir ernst und ich nehme auch Ihre Argumentation ernst und wir setzen sie auch um. (…)

 

Auszug Protokoll des Ausschusses für Ordnung und Umweltangelegenheiten vom 08.11.2017:

zu 5.2 Antrag der CDU/FDP-Fraktion zur Stärkung der öffentlichen Sicherheit

Herr Scholtyssek brachte den Antrag seiner Fraktion ein und begründete diesen.

Herr Teschner informierte über die ab 2018 in Abstimmung mit der Polizei geplante bedarfsgerechte Ausweitung der Dienstzeiten am Freitag und am Samstag bis 24:00 Uhr und am Sonntag von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr.

Herr Koehn sagte, dass im Landesgesetz verankert ist, dass 24 Stunden, an sieben Tagen der Woche ein Ordnungsamt vorzuhalten ist und fragte, ob dies auch für Halle gilt.

Herr Teschner stellte richtig, dass Gemeinden sicherstellen müssen, dass Aufgaben rund um die Uhr wahrgenommen werden können und die Leitstelle der Feuerwehr rund um die Uhr erreichbar ist.

Frau Krischok fragte, ob es Ausnahmeregelungen gibt, wenn große Veranstaltungen stattfinden.

Herr Teschner antwortete, dass dies anlassbezogen immer möglich ist, wie während des Weihnachtsmarktes.

Herr Müller merkte an, dass die Landesregierung bei der Thematik mehr gefordert ist.

Herr Scholtyssek sagte, dass im SOG LSA benannt wird, dass Kommunen in ihrem Gemeindegebiet für die Sicherheit verantwortlich sind und die Stadt dem bislang durch die eingeschränkten Dienstzeiten nicht im vollen Umfang nachkommt.

Weiterhin fragte er, ob die Ausweitung der Dienstzeiten auf Leistelle und Vollzugsdienst bezogen sind.

Herr Teschner antwortete, dass sowohl in der Leitstelle der Abteilung Stadtordnung als auch im Vollzugsdienst die Dienstzeiten ausgeweitet werden.

Herr Oberbürgermeister Dr. Wiegand ergänzte, dass die Stadt und die Polizei die Aufgabe der Gefahrenabwehr gemeinsam erfüllen.

Herr Scholtyssek sagte, dass Sicherheitsbehörden anderer Städte 24 Stunden im Dienst sind und fragte, über welche zusätzlichen Sicherheitsausbildungen diese Mitarbeiter verfügen.

Herr Oberbürgermeister Dr. Wiegand teilte mit, dass diese Aussage nicht korrekt ist. Es ist rechtlich nicht zulässig, Mitarbeiter ohne Ausbildung und Ausrüstung im 24-Stunden-Dienst einzusetzen. Daher sei in der Nacht die Vollzugshilfe durch die Polizei erforderlich.

Herr Scholtyssek merkte an, dass die Gefahrenlage nicht von der Uhrzeit abhängig ist.

Herr Oberbürgermeister Dr. Wiegand wies darauf hin, dass die Zuständigkeit des Stadtrates hier nicht gegeben ist.

Es gab keine weiteren Wortmeldungen, so dass Herr Scholtyssek um Abstimmung des Antrags bat.“

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